Aus Wien über Brünn in die USA: Beethoven-Autograph geht an Familie Petschek zurück
Noch bis Sonntag ist im Mährischen Landesmuseum in Brno / Brünn ein Manuskript von Beethoven zu besichtigen. Danach wird es in die USA geschickt. Denn es ist eigentlich Eigentum der Familie Petschek, und die bekommt es nun zurück.
Das sechssätzige Streichquartett B-Dur Opus 130 von Ludwig van Beethoven wurde 1826 im Wiener Musikverein uraufgeführt. Die Noten zu den einzelnen Sätzen werden heute in Bibliotheken und Museen in Deutschland, Frankreich, Polen und den USA aufbewahrt. Den Autograph des vierten Satzes – also die Niederschrift der Noten – widmete der Komponist damals seinem Freund und Sekretär Karl Holtz. Über zwei weitere Besitzer in Wien gelangte das Schriftstück nach dem Ersten Weltkrieg in die Hände der in der Tschechoslowakei lebenden deutschböhmisch-jüdischen Industriellenfamilie Petschek. Simona Šindlářová arbeitet in der Abteilung für Musikgeschichte im Mährischen Landesmuseum:
„Es ist offensichtlich, dass die reiche Familie Kontakte mit der Künstlerwelt pflegte und oft nach Wien fuhr. Ob sie das Manuskript gekauft oder geschenkt bekommen hat, wissen wir nicht. Darüber wird geforscht.“
Erst im Zusammenhang mit der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten 1939 und der Auswanderung der jüdischen Einwohner wurde das Manuskript wieder ein Thema. Die Familienmitglieder verließen ihre Heimat noch rechtzeitig. Einige ihrer wertvollen Dokumente, unter anderem auch der Beethoven-Autograph, wurden in der Geschäftskorrespondenz der Brünner Firma E. Bloch und Söhne verpackt und sollten über diese in die Schweiz und nach England geschickt werden. Die Dokumente wurden jedoch an der Grenze abgefangen und nach Brünn zurückgebracht.
„Die Protektoratsbehörden kontaktierten Franz Petschek. Er wurde vom deutschen Reichsgericht wegen der Ausfuhr seines eigenen Eigentums in Abwesenheit verurteilt. Dennoch befand er sich zu jener Zeit bereits in Sicherheit im Exil.“
1942 interessierte sich die Gestapo für die Notenblätter. Der damalige Musikarchivleiter des Mährischen Landesmuseums, Jan Racek, wurde vorgeladen. Simona Šindlářová:
„Er sagte aus, dass die Echtheit des Manuskripts fraglich sei, auch wenn es eindeutig ein Original war. Er wollte verhindern, dass es irgendwo im Dritten Reich verloren ging. Die Gestapo beschloss danach, das Museum solle den Autograph behalten. Daher ist er bei uns geblieben.“
Franz Petschek versuchte nach dem Krieg von New York aus, sein verlorenes Eigentum wiederzufinden:
„Da er wusste, dass der Autograph von den Deutschen konfisziert worden war, suchte er zunächst in Bibliotheken in Deutschland danach. Später fand er heraus, dass sich das Schriftstück in Brünn befand. Aber die kommunistische Regierung hatte keine Lust, sogenanntes Volkseigentum an westliche Imperialisten herauszugeben.“
Seit dem Jahr 2000 gibt es in Tschechien aber ein Gesetz darüber, dass das von den Nationalsozialisten geraubte jüdische Eigentum zurückgegeben werden kann. Deswegen erhält die Familie Petschek das Manuskript nun zurück. Ihre Mitglieder werden es am Montag in die USA mitnehmen.
Interessierte können sich die Noten in diesen Tagen noch einmal anschauen. Die entsprechende Ausstellung ist unter dem Titel „Abschied von Beethoven“ noch bis 4. Dezember in der Kapelle des Damenstiftes in der Kobližná-Straße in Brünn zu sehen.