Tapfer und hilfsbereit: Ehemalige Dissidentin Dana Němcová gestorben
Am Dienstag ist im Alter von 89 Jahren die Bürgerrechtlerin und Psychologin Dana Němcová gestorben. Sie war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der tschechoslowakischen Dissidentenbewegung. Ihr ganzes Leben lang setzte sich die gläubige für Schwache und Verfolgte ein.
Němcová organisierte in den 1970er Jahren die Unterstützung für die Underground-Band Plastic People of the Universe, die mit dem kommunistischen Regime in Konflikt geraten war. Als eine der ersten unterzeichnete sie die Menschenrechtspetition Charta 77. Sie war zudem Mitbegründerin des Komitees der zu Unrecht Verfolgten (VONS). Für ihre regimekritische Haltung wurde sie verurteilt und verbrachte einige Monate im kommunistischen Gefängnis. Nach der Wende von 1989 arbeitete sie als Psychologin in der Beratungsstelle für Flüchtlinge. Eine Zeit lang leitete sie die Olga-Havlová-Stiftung und war Mitglied des Regierungsrats für Menschenrechte.
Dana Němcová hatte von Kindheit an ein bewegtes Schicksal. Als sie vier Jahre alt war, flohen ihre Eltern mit ihr wegen des Münchner Abkommens vom 30. September 1938 aus ihrer Heimatstadt Most / Brüx. Mit elf Jahren kehrte sie dorthin zurück. 1953 zog sie nach Prag. In der tschechoslowakischen Hauptstadt studierte Němcová Psychologie und besuchte die Wohnungsseminare von Philosophieprofessor Jan Patočka. on ihm übernahm sie die Überzeugung, dass sie in keiner Lüge leben wolle. Während des Studiums konvertierte sie zum Katholizismus und ließ sich taufen.
1955 heiratete sie den Philosophen und Psychologen Jiří Němec. Mit ihm hatte sie sieben Kinder. Sie habe das Gefühl gehabt, das sei das Beste gewesen, was man in der damaligen Zeit machen konnte, sagte sie vor Jahren. Sie habe dem Regime sieben Läuse in den Pelzmantel gesetzt, merkte sie an. Aus der Unterstützung für die Underground-Band Plastic People of the Universe entstand die Menschenrechtspetition Charta 77. Darin sah Němcová einen Weg, um „die eigene Identität und Würde zu bewahren“. 1979 wurde sie für sechs Monate inhaftiert und anschließend zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Als „Feind des sozialistischen Staates“ durfte die Psychologin nur als Putzfrau arbeiten. Immer wieder wurde sie verhört, ihre Wohnung wurde oft durchsucht. Als sie im Gefängnis saß, hatte sie ihren Worten zufolge keine Angst um ihre Kinder. „Andere Menschen haben für die Kinder gesorgt, das habe ich gewusst“, sagte sie.
Nach der Wende von 1989 beteiligte sich Němcová an der Gründung des Bürgerforums, bis 1992 war sie Abgeordnete der Föderalversammlung. Dana Němcová gründete in Prag eine Beratungsstelle für Flüchtlinge und ein Zentrum für die Migrationsfragen.1998 wurde sie von Präsident Václav Havel mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet. 2017 erhielt sie den Arnošt-Lustig-Preis.
Der Vorsitzende der Olga-Havlová-Stiftung, Vojtěch Sedláček, der Němcová seit 1970 kannte, erklärte am Dienstag, sie sei ehrlich, tapfer und immer bereit gewesen, ohne Zögern mutige Dinge zu unternehmen. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) bezeichnete Němcová als eine sehr menschliche und mutige Persönlichkeit, die sich mit ihrer konsequenten Verteidigung der Menschenrechte um die Freiheit und Demokratie verdient gemacht habe. Ex-Finanzminister und Top-09-Gründer Miroslav Kalousek betonte, Němcová sei unanfechtbares moralisches Vorbild gewesen. Den christlichen Glauben habe sie niemandem aufgezwungen, sie habe den Glauben gelebt, merkte er an.