„Heute noch der tschechischen Sozialdemokratie dankbar“ – SPD-Vorsitzende Saskia Esken in Prag
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken war am Donnerstag und Freitag zu ihrem ersten Besuch in Prag. Zum einen ging es dabei um die Erinnerung an den Exilvorstand ihrer Partei, die SoPaDe, die 1933 in der Stadt an der Moldau ins Leben gerufen wurde. Zum anderen um den Kontakt zur Führung der ČSSD, also den tschechischen Sozialdemokraten. Dabei fand Esken auch Zeit für ein kleines Interview im Studio von Radio Prag International.
Frau Esken, Sie sind gerade in Prag, um an die Gründung der sozialdemokratischen Exil-Organisation SoPaDe zu erinnern. Im Mai 1933 waren Teile des sozialdemokratischen Vorstands nach Prag geflüchtet. Welche Bedeutung hat aus heutiger Sicht die Gründung der SoPaDe vor 90 Jahren?
„Zur 160-jährigen Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland gehört, dass sie immer wieder auch Verbot, Verfolgung und Unterdrückung erfahren hat. 1933 eben, nach der Machtübernahme durch Hitler und die NSDAP, war die Sozialdemokratische Partei verfolgt, verboten, und ihre Mitglieder mussten sich in Sicherheit bringen. Dabei war es nötig, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Schutz suchen, diesen auch finden. Dazu brauchte es Organisationen, aber es musste ebenso die Sozialdemokratie als Organisation aufrechterhalten werden. Und das war nur im Exil möglich. Wir sind auch heute noch sehr dankbar, dass die tschechischen Sozialdemokraten damals die entsprechende Unterstützung gegeben haben.“
Sie halten ja auch einen Vortrag anlässlich der Feier der SoPaDe. Ist es eigentlich Ihr erster offizieller Besuch in Prag?
„Das ist tatsächlich mein erster Besuch überhaupt in Prag, und ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein darf. Ich freue mich sowohl auf den Vortrag als auch auf den Austausch mit den tschechischen Freunden und Freundinnen, Genossen und Genossinnen. Und ich bin gespannt darauf, gemeinsam darüber zu debattieren, was die gemeinsame Geschichte uns auch für heute mitgibt.“
Wie wichtig ist aus ihrer Sicht eben der Kontakt gerade zwischen den verschieden sozialdemokratischen Parteien innerhalb Europas und – jetzt in dem Fall – vielleicht auch in ein Land des früheren Ostblocks?
„Es ist für uns als sozialdemokratische Parteienfamilie in Europa sehr wichtig, regelmäßig in Kontakt zu sein, uns auszutauschen über die aktuelle Situation, die historisch bedingt und auch regional vielleicht Unterschiede aufweisen mag, aber ebenso Parallelitäten. Wir sind alle geschockt vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und natürlich von den Folgen. Unsere Gesellschaften ächzen unter der Inflation, und die Unternehmen ächzen unter den Lieferkettenproblemen. Insofern die Wirtschaft in Schwierigkeiten, ins Trudeln gerät – und in Teilen steht in Deutschland ja eine sogenannte technische Rezession an –, haben wir durchaus gemeinsame Themen, die wir besprechen können und über die wir uns auch austauschen. Das ist ganz besonders wichtig.“
Sie waren vor ihrem Besuch in Prag noch in Cheb im Egerland. Das hat mit Ihrer Familiengeschichte zu tun…
„Ja, meine Mutter ist nach dem Krieg als Kind aus dem Egerland vertrieben worden - wie viele weitere Deutsche. Ich wollte einfach noch einmal die Städte aufsuchen, in denen meine Mutter aufgewachsen ist und ihre Kindheit verbracht hat.“
Hat Ihnen Ihre Mutter von der Zeit damals erzählt?
„Ja, in Teilen. Natürlich sind es Kindheitserinnerungen. Diese sind ja oft verwoben mit den Erzählungen, die vielleicht auch die Eltern noch mitgeben. Aber es war ja eine schwere, konfliktreiche und schwierige Zeit damals, und sicher war auch einiges geschönt in dieser Erzählung. Die Vertreibung ist jedenfalls ein Erlebnis gewesen, das meine Mutter sehr nachhaltig beeinflusst hat. Am Ende ist sie aber nicht in die Vertriebenenorganisationen und schon gar nicht in die mit revisionistischen Anklängen geraten, sondern war Mitglied der sozialdemokratischen Partei in Deutschland. Sie war ein großer Fan von Willy Brand und seit seiner großen Zeit 1972 auch SPD-Mitglied. Das hat mich auch dazu motiviert, zur Sozialdemokratin zu werden.“