Praktische Tipps und sachliche Diskussion: Vierte Klimawoche in Tschechien

Mit einem künstlerischen Happening vor dem Landwirtschaftsministerium in Prag ist am Montag die Klimawoche in Tschechien eröffnet worden. Auch beim vierten Jahrgang gibt es landesweit wieder Workshops, Filme, Ausstellungen und Diskussionen rund um die Themen Klimakrise und Klimaschutz. Zudem geben Tauschbörsen oder auch Informationsveranstaltungen zu Fotovoltaikanlagen für Wohnhäuser ganz praktische Anleitungen für einen schonenden Umgang mit Ressourcen.

Jitka Martínková | Foto: Archiv von Jitka Martínková

Das Thema der diesjährigen Klimawoche in Tschechien lautet Entwaldung. Mit dem Hinweis auf die systematische Rodung großer Forst- und Regenwaldflächen in tropischen und subtropischen Gebieten liegt der Fokus also auf dem globalen Charakter der Klimakrise. Und weiter erläutert Jitka Martínková, Medienbeauftragte des Organisationsteams, im Gespräch mit Radio Prag International:

„Bisher wird über dieses Thema hierzulande nicht viel gesprochen. Also erschien uns die Idee gut, es bei der Klimawoche ins Sichtfeld zu rücken. Denn die Regenwälder spielen eine wichtige Rolle beim Klimaschutz. Sie sind ein Speicherraum für Kohlenstoff. Stabile Regenwälder sind wichtig, damit Kohlenstoff nicht in die Atmosphäre freigesetzt wird und sich die Fähigkeiten des Planeten zur Anpassung an die Klimakrise nicht verschlechtern.“

Foto: pixundfertig,  Pixabay,  Pixabay License

Der unmittelbare Anlass zu dieser Themenwahl sei zudem eine Richtlinie gegen weltweite Abholzung, die das EU-Parlament im April angenommen habe, fährt Martínková fort. Diese reguliere den Import bestimmter Rohstoffe in die EU, bei deren Produktion es in deutlichem Maß zu Rodungen komme. Dazu zählten etwa Soja oder Kakao, informiert die Pressesprecherin.

Foto: Ondřej Ševčík,  Tschechischer Rundfunk

Entwaldung sei aber durchaus auch ein Thema, das im tschechischen Kontext aktuell ist, meint Miroslav Havránek. Er ist der Leiter der Tschechischen Informationsagentur für Umweltthemen (CENIA). Havránek verweist auf den Borkenkäferbefall, der vor allem monokulturell angelegte Nadelwälder hierzulande betreffe:

„In dieser einzigartigen Borkenkäferplage der letzten drei oder vier Jahre wurde bereits eine so große Fläche an Waldboden entforstet, wie dies in unserer Geschichte beispiellos ist. Es handelt sich aber nicht um die klassische Entwaldung, durch die die Nutzung eines Gebiets verändert wird, etwa um daraus eine Plantage oder Weidefläche zu machen. Dies passiert in Tschechien nicht. Im Gegenteil, die Waldfläche im Land ist gleichbleibend beziehungsweise leicht anwachsend. Trotzdem gehen Wälder wegen der Borkenkäferplage verloren. Es besteht eine Gesetzespflicht, die betroffenen Gebiete wieder zu bepflanzen. Darum findet andererseits gerade die umfangreichste Bewaldung in der Geschichte unseres Landes statt. Dadurch wird langsam auch eine angemessene Pflanzenvielfalt geschaffen.“

Zwar würden immer noch überwiegend Nadelbäume angepflanzt, räumt Havránek ein. Aber kontinuierlich werde der Anteil an Laubbäumen erhöht.

Internationaler Umwelttag

Tschechisches Landwirtschaftsministerium | Foto:  ČT24

„Requiem für die Opfer der Entwaldung“ war dann auch das Motto eines Demonstrationszuges in Prag, der zum Auftakt der Klimawoche am Montag vor das Landwirtschaftsministerium zog. Der Regierung sollte auf diese Weise mitgeteilt werden, dass ihre Schritte zur Umsetzung der EU-Leitlinie vom NGO-Sektor genau beobachtet würden, kommentiert Pressesprecherin Jitka Martínková für Radio Prag International.

Ein weiterer Programmpunkt am ersten Tag der Klimawoche in Tschechien ist zudem der Internationale Umwelttag, der im Prager Kampus Hybernská begangen wird. Miroslav Havránek hält dabei einen Vortrag mit dem Titel „30 Jahre Umwelt der Tschechischen Republik“.

„Dies ist ein internationaler Aktionstag, an dem wir Umweltthemen diskutieren, und in diesem Jahr ist er auch auf das Gründungsjubiläum unseres Landes ausgerichtet. Allerdings durchdringt das Thema Klima inzwischen die Umweltdebatte in allen möglichen Aspekten. Denn wie wir alle wissen, betrifft das Klima fast jeden Lebensbereich, etwa die Landwirtschaft, die Industrie und so weiter. Das heißt, dass die Diskussion zum Klima die ganze Diskussion zur Umwelt einrahmt.“

Foto: Jerzy Górecki,  Pixabay,  Pixabay License

Dabei habe das Klimathema immer zwei Seiten, fährt Havránek fort. Die eine sei die Belastung, die andere sein Zustand…

„Der Zusammenhang zwischen der Belastung und dem aktuellen Zustand des Klimas ist zeitlich nicht unmittelbar. Ich sage meinen Studenten immer, dass gerade die kühlste Phase ihrer ganzen Lebenszeit herrsche. Der Klimawandel ist ausgelöst und findet statt, und wir können jetzt nur noch darüber bestimmen, wie stark er sich auswirken wird. Seit den 1960er Jahren erwärmt sich das Klima in Tschechien um etwa 0,3 Grad Celsius je Dekade, und dies lässt sich in allen Bereichen der Umwelt erkennen: an der Landschaft, an den Wäldern, an Wasserläufen.“

Über Entwicklungen wie diese zu informieren, das ist die Aufgabe der Agentur CENIA, die eine Einrichtung des tschechischen Umweltministeriums ist. In seinem Vortrag auf der Klimawoche wolle er aber auch auf die bisherigen Erfolge der Umweltpolitik in Tschechien eingehen, kündigt Havránek an:

„Wenn wir zum Beispiel bei der Luftqualität 30 Jahre zurückschauen, ist eine wesentliche Verbesserung zu erkennen. Natürlich haben wir, wie die meisten entwickelten Länder, weiterhin Probleme. Bei einigen Schadstoffen gelingt die Eindämmung bisher nicht, wie etwa Treibhausgase. Zudem gibt es neue Schadstoffe, mit denen wir noch nicht umgehen können. Aber die klassischen Verschmutzungen, die etwa für den Wintersmog sorgen, konnten ganz erheblich eingeschränkt werden. Um mehr als 90 Prozent ist etwa der Ausstoß von Schwefeldioxid zurückgegangen. Die Emission von Stickoxiden liegt heute deutlich niedriger, und auch den Feinstaub, der durch hohen Energieverbrauch entsteht, konnten wir stark verringern.“

Witzewettbewerb

Bei der Klimawoche geht es aber nicht nur um trockene Empirie. In verschiedensten Formaten sollen Jitka Martínková zufolge Menschen für das Thema Klima interessiert und zu einem sparsamen Lebensstil animiert werden. Hauptorganisatoren sind in diesem Jahr die tschechische Klimakoalition, ein NGO-Dachverband, sowie deren Mitgliedsorganisation Ekumenická akademie (Ökumenische Akademie). Thematisch passende Veranstaltungen könne aber jede und jeder Interessierte in das Programm eintragen, betont die Pressesprecherin und weist auf ein Highlight hin:

„Gleich am Montag lädt die Bewegung Brontosaurus zu einer interessanten Aktion ein. Sie ist seit vergangenem Jahr Mitglied in der Klimakoalition, feiert in diesem Jahr aber schon ihr 50-jähriges Bestehen. Im Rahmen der Klimawoche ruft sie in Prag einen Wettbewerb gezeichneter Witze über die Umwelt aus. Dies ist etwas Lockeres zum Auftakt, und das Thema der Witze lautet ‚Mensch und Umwelt unter den Bedingungen der Klimakrise‘.“

Das Programm der Klimawoche hält außerdem Ausstellungen, Coachings, Filmvorführungen und Diskussionen oder auch Fahrradkorsos bereit…

„Die Aktionen finden in ganz Tschechien statt. In Pardubice etwa kann man ein Seminar zu Fotovoltaik für Wohnhäuser besuchen. Das heißt, bei der Klimawoche gibt es auch Veranstaltungen, die einen praktischen Aspekt haben und ebenso für Menschen interessant sein können, die sich nicht unbedingt mit Klimakrise und Umweltschutz beschäftigen. Es werden Lösungen für den eigenen Haushalt angeboten. Denn die Frage, wie in der heutigen Zeit die Energieversorgung gesichert wird, beschäftigt sicher viele Menschen.“

Neben Stadtverwaltungen wie etwa der im nordböhmischen Pardubice / Pardubitz würden sich ebenso städtische Bibliotheken oder etwa die Partei der Grünen am Programm beteiligen, fügt Martínková hinzu.

Miroslav Havránek | Foto: Cenia

Ähnlich wie die Klimawoche richtet sich auch die staatliche Informationsagentur CENIA an die breite Öffentlichkeit. Bei dieser Arbeit gebe es gerade in diesen Zeiten große Herausforderungen, schildert Miroslav Havránek:

„Es klingt wie ein Klischee, aber bezüglich der Umweltthematik sind eine Menge Mythen und Desinformationen im Umlauf. Jeder hat die Natur gern, aber kaum jemand kann spezifizieren, was damit gemeint ist. Und eine andere Sache ist, dass das Thema Umwelt heute als ein Instrument zur Spaltung der Gesellschaft genutzt wird. Sobald ein Öko-Thema in den sozialen Netzwerken, in den Medien oder generell in der Gesellschaft aufkommt, ruft dies sofort riesige Emotionen hervor.“

Diese emotional geführten Diskussionen zu rationalisieren und mit wissenschaftlichen Fakten zu speisen, dazu sei die Klimawoche eine gute Gelegenheit, meint Havránek. Und Martínková unterstreicht zum Abschluss:

„Die Bedeutung der Klimawoche liegt ganz grundlegend darin anzumahnen, dass die Klimakrise anhält und die bestehenden Maßnahmen bisher nicht ausreichen. Auch der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der UNO hat in seinem aktuellsten Bericht vom März festgestellt, dass die bisherigen Bemühungen die Emissionskurve zwar etwas abflachen – aber immer noch nicht genügend getan wird. Die Investitionen in erneuerbare Energien etwa sollten um ein Vielfaches höher sein, als es derzeit der Fall ist.“

Foto: Gerd Altmann,  Pixabay,  Pixabay License

Das Gleiche gelte für die Finanzierung von Energiesparmaßnahmen. Die Klimawoche sei also auch als ein Appell zu verstehen, dass umweltpolitisch an Tempo zugelegt werden müsse, so Jitka Martínková.

Die Klimawoche findet vom 5. bis 11. Juni 2023 in ganz Tschechien statt. Einige Veranstaltungen gibt es auch noch in den Tagen danach. Das gesamte Programm findet sich unter tydenproklima.cz.