Bis zu 832 Überstunden jährlich für Krankenhausärzte: Abgeordnete verabschieden umstrittene Novelle

Illustrationsfoto: Stefan Schranz, Pixabay / CC0

Ärzte in Krankenhäusern dürfen in Tschechien demnächst doppelt so viele Überstunden machen wie bisher. Bei den Medizinern sorgt das für Kritik. Möglich geworden ist die Neuerung durch eine Änderung des Arbeitsrechts, die am Dienstag im Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Neue Regelungen ergeben sich nun auch für Angestellte auf Honorarbasis.

Im tschechischen Abgeordnetenhaus wurde am Dienstag eine Novelle des Arbeitsrechts verabschiedet. Zentrale Änderungen ergeben sich daraus für die Ärzte des Landes. Diese sollen nun bis zu doppelt so viele sogenannte „freiwillige Überstunden“ leisten können wie bisher. Bei 832 Stunden pro Jahr soll das Limit für Doktoren in Krankenhäusern liegen, wobei die Regelung vorerst bis Ende 2028 Gültigkeit hat. Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten) betonte zwar, er sei bereit zu weiteren Verhandlungen über das Thema Überstunden und Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben der Mediziner. Einige Krankenhausangestellte hatten jedoch bereits im Vorfeld gedroht, aus Protest gar keine Überstunden mehr leisten zu wollen, sollte das entsprechende Gesetz verabschiedet werden.

Marian Jurečka | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Jan Přáda ist Vorsitzender der Sektion der Jungärzte in der tschechischen Ärztekammer. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks betonte er, dass illegale Überstunden für das Krankenhauspersonal an der Tagesordnung seien:

„Längere Schichten als zwölf Stunden waren nie erlaubt. Und dennoch weiß jeder schon lange, dass das passiert – aber niemand unternimmt etwas dagegen. Es gibt schlichtweg keine Kontrollen. Die Krankenhäuser haben bisher in der Illegalität gearbeitet, und sie werden dies auch in Zukunft tun – daran ändert diese Novelle nichts. Das ist empörend!“

Přádas Behauptungen lassen sich durch Zahlen der tschechischen Ärztekammer belegen. Denen zufolge leistet ein Arzt im Krankenhaus hierzulande im Schnitt 720 Überstunden pro Jahr. Die bisherige vorgegebene Obergrenze betrug dabei 416 Stunden. Überarbeitetes Personal in den Kliniken stelle ein erhebliches Risiko dar, sagte Přáda am Montag nach Verhandlungen mit Gesundheitsminister Vlastimil Válek (Top 09) und Arbeits- und Sozialminister Jurečka (Christdemokraten) vor Journalisten:

„Wenn die Mitarbeiter chronisch überlastet sind, ist eine sichere Behandlung der Patienten nicht garantiert. Zudem sind die Angestellten ständig erschöpft.“

Jan Přáda | Foto: iROZHLAS.cz

In der Folge würden immer mehr Nachwuchsärzte das Berufsfeld verlassen, so Přáda. Teile der Opposition brachten im Parlament zudem Zweifel an, inwiefern die Mediziner die Überstunden tatsächlich freiwillig leisten würden.

Minister Jurečka verwies hingegen darauf, dass eine Änderung der Novelle eventuell noch möglich wäre. Diese könnte aber erst im kommenden Jahr auf den Weg gebracht werden. Denn das neue Arbeitsrecht habe schleunigst verabschiedet werden müssen, um zwei EU-Richtlinien in Tschechien umzusetzen, so der Ressortchef. Bei diesen Vorgaben handele es sich um Regeln für die Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da Tschechien die europäischen Vorschriften bisher nicht rechtlich verankert hatte, drohen dem Land laut Jurečka bereits jetzt 65 Millionen Kronen (2,6 Millionen Euro) Strafe.

Änderungen ergeben sich nun vor allem für Honorarkräfte in Anstellungsverhältnissen. Übersichtlicher soll das neue System sein, so der Minister. So müssen die Arbeitnehmer mindestens drei Tage im Voraus schriftlich einen Arbeitszeitplan von ihrem Vorgesetzten erhalten. Und weiter Ressortchef Jurečka:

Marian Jurečka und Vlastimil Válek | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

„Der Dienstplan kann auch innerhalb einer kürzeren Zeitspanne bekanntgegeben oder geändert werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich beide Seiten darauf einigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nach festgelegten Regeln die Zeit selbst einteilen.“

Angestellte, die einen Honorarvertrag haben, sollen zudem Anrecht auf Urlaub bekommen sowie auf Zuschüsse für die Arbeit an Feiertagen, Wochenenden oder in der Nacht. Nach einem halben Jahr können die Honorarkräfte nun zudem einen festen Arbeitsvertrag verlangen.

Über das neue Gesetz hatte das Abgeordnetenhaus bereits in der Vergangenheit abgestimmt. Der Senat hatte damals jedoch Einwände. So forderte die obere Parlamentskammer etwa, die Neuerung erst mit Beginn des kommenden Jahres in Kraft zu setzen. Die Parlamentarier im Abgeordnetenhaus gingen auf die geforderten Änderungen am Dienstag jedoch nicht ein. Die Novelle wird also vermutlich bereits ab Herbst dieses Jahres Gültigkeit gewinnen. Zuvor muss sie noch von Staatspräsident Petr Pavel unterzeichnet werden.