Junge Ärzte verlassen das Land – Tschechiens Gesundheitswesen droht die Überalterung

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Der Exodus der tschechischen Ärzte geht weiter. Seit Jahren suchen mehr und mehr Mediziner ihr Glück im Ausland, viele gehen nach Deutschland oder Großbritannien. Der Präsident der Tschechischen Ärztekammer hat nun erneut Alarm geschlagen, denn dem Gesundheitswesen hierzulande droht die Überalterung.

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Überraschend ist es nicht, dass sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt. Letztes Jahr haben 330 Ärzte das Land verlassen, und in der ersten Jahreshälfte 2014 sind bereits 239 Ärzte abgewandert. Am Mittwochabend analysierte der Präsident der Ärztekammer (ČLK), Milan Kubek, im Tschechischen Rundfunk die Ursachen:

„Es gibt zwei Gründe, und das Geld steht sicherlich an erster Stelle. Die Bezahlung in deutschen und tschechischen Krankenhäusern liegt tatsächlich meilenweit auseinander, sie ist in Deutschland immer noch drei- bis viermal so hoch. Der zweite Grund ist aber das sehr abschreckende System der medizinischen Facharztausbildung, das den jungen Ärzten bei uns den Zugang zu ihrem Fach verwehrt. Derzeit müssen sie lange Monate und sogar Jahre in Unikliniken arbeiten, wo sie als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden.“

Milan Kubek  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
In Deutschland sei die Facharztausbildung wesentlich besser strukturiert und für die jungen Leute attraktiver, so Kubek weiter. Die Abwanderung der jungen Mediziner führe langsam aber sicher zu einer demografischen Katastrophe in Tschechien. Praktische Ärzte sind hierzulande durchschnittlich 55 Jahre, Kinderärzte sogar 56 Jahre alt. Viele Absolventen versuchen es erst gar nicht in ihrem Heimatland. 1050 Medizinstudenten schließen hier jedes Jahr das Studium ab, und ein Fünftel davon ging letztes Jahr direkt ins Ausland. Ärztekammerpräsident Kubek:

„Ein Grund könnte auch sein, dass vergangenes Jahr nach langer Zeit in Tschechien weniger Ärzte eingestellt wurden. Diese haben dann kein Licht mehr am Ende des Tunnels gesehen. Und es ist ganz klar, dass der vorherige Gesundheitsminister Heger sein Versprechen nicht gehalten hat, die Gehälter der Ärzte zu erhöhen. Ich hoffe, dass es die jetzige Regierung einhalten kann, aber bisher hat sie dies noch nicht geschafft.“

Josef Vymazal  (Foto: Adam Kebrt,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Vor vier Jahren kündigten über 3000 tschechische Mediziner ihre Jobs, um gegen die Missstände zu protestieren. Das war medienwirksam, doch verbessert hat sich seither nichts. Mit der neuen Regierung steht mal wieder ein neuer Anlauf bevor. Josef Vymazal ist Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Er bestätigte im Tschechischen Rundfunk, dass es derzeit Verhandlungen zwischen Finanz- und Gesundheitsministerium über eine sogenannte Rationalisierung der Ärztegehälter gebe. Konkreter klingen da schon die Pläne für die Facharztausbildung. Eine Kommission im Gesundheitsministerium erarbeitet derzeit eine Gesetzesänderung, auch Ärztekammerpräsident Kubek ist daran beteiligt. Josef Vymazal vom Gesundheitsministerium äußerte sich im Tschechischen Rundfunk über den Stand der Dinge:

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„Der Vorschlag für dieses Gesetz ist praktisch fertig, im September sollte er zur Vorlage bereit sein, im Dezember ginge er dann an die Regierung, und im Idealfall wäre er dann im Januar 2016 gültig. Die Änderungen betreffen alle Punkte, die Milan Kubek angesprochen hat: die lange Zeit in den Unikliniken, die geringe Durchlässigkeit in den einzelnen Fächern. Wir wollen gesunden Menschenverstand in dieses System bringen, und wir wären froh, wenn diese Botschaft auch bei den jungen Ärzten ankäme, zumindest erhoffen wir uns das.“

Die Vertreter der Ärztekammer möchten außerdem, dass mehr Studenten für das Medizinstudium zugelassen werden. Das ist jedoch mit Kosten verbunden – die Universitäten müssten dann besser ausgestattet werden.