„Gedichte kann man gut im Bett übertragen“ – Die Bachmann-Übersetzerin Michaela Jacobsenová

Am 17. Oktober jährte sich der Todestag von Ingeborg Bachmann zum 50. Mal. Dass die Texte der österreichischen Schriftstellerin auch tschechischen Lesern zugänglich sind, ist vor allem Michaela Jacobsenová zu verdanken. Die Literaturübersetzerin wurde 1947 in Prag geboren, wo sie später Deutsch und Tschechisch studierte. Jacobsenová arbeitete beim Staatlichen Pädagogischen Verlag, später als Redakteurin der Zeitung „Literární noviny“ sowie in mehreren Verlagen. Vor allem aber übersetzte sie deutschsprachige Literatur ins Tschechische, und dabei nicht nur Werke von Ingeborg Bachmann, sondern auch von Arno Schmidt, Thomas Bernhard, Max Brod, Günter Eich und vielen anderen. Ihrer Tätigkeit als Übersetzerin geht Jacobsenová bis heute nach. Am Rande einer Veranstaltung zur Erinnerung an Ingeborg Bachmann hat Radio Prag International Michaela Jacobsenová vors Mikrophon gebeten.

Frau Jacobsenová, heute – am Todestag von Ingeborg Bachmann – findet im Österreichischen Kulturforum eine Veranstaltung zum künstlerischen Erbe der Schriftstellerin statt, bei der auch Sie auftreten. Sie haben viele Bücher Bachmanns übersetzt. Haben Sie die Autorin auch einmal persönlich getroffen?

„Nein, leider nicht. Sie ist 1973 gestorben. Da war ich zwar schon auf der Welt, es hat sich aber nie eine Gelegenheit geboten. Man muss auch anmerken, dass man in der damaligen Zeit ja normalerweise gar nicht in den Westen fahren konnte.“

Michaela Jacobsenová | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie die Bücher von Ingeborg Bachmann ins Tschechische übersetzt haben?

„Das kam einfach irgendwie zu mir, ich weiß gar nicht mehr, wie, wo und wann. Es war ein Zufall – und ich muss sagen, ein glücklicher. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mit dieser Frau eine Weltanschauung teile und ihr zustimmen kann. Aber ich hielt sie für eine außerordentliche Erscheinung.“

Können Sie sich an Ihre erste literarische Begegnung mit Ingeborg Bachmann erinnern? Was war das erste Buch, das Sie von ihr gelesen haben?

Ingeborg Bachmann | Foto: YouTube

„Mir gefielen ihre Gedichte, denn generell mag ich es, Lyrik zu übersetzen und zu lesen. Von da ausgehend bin ich dann zur Prosa übergegangen. Und später habe ich bemerkt, dass Bachmann in allen möglichen Bereichen sehr interessante Texte verfasst hat. Sie hatte ein breites Repertoire, war Theoretikern und verfasste philosophische und essayistische Texte. Zudem schrieb sie ausgezeichnete Hörspiele. Und die Werke ergänzten auch einander.“

Sie haben nicht nur Ingeborg Bachmann übertragen, sondern auch viele andere große Namen, wie etwa Karl Kraus oder Ilse Aichinger. Wie sind Sie denn überhaupt zum Übersetzen gekommen? Ich habe gelesen, dass Sie aus einer Übersetzerfamilie stammen…

„Ja, das stimmt. Eigentlich handelt es sich sozusagen um eine Familientradition. Meine Mutter (Bohumila Grögerová, Anm. d. Red.) hat auch übersetzt, zudem war sie eine Schriftstellerin sondergleichen. Sie arbeitete stets mit Wörterbüchern, zudem gab es bei uns im Hause eine große Bibliothek. Und mein Interesse ging eben auch in diese Richtung.“

Welches Buch haben Sie zuletzt ins Tschechische übersetzt?

Foto: Opus

„Vergangenes Jahr erschien meine Übersetzung von Christine Lavant. Sie war eine große österreichische Lyrikerin, hierzulande aber noch unbekannt. Ich habe eine Auswahl aus ihren Gedichten getroffen und diese herausgeben lassen. Ich arbeite ja normalerweise nicht nach Auftrag. Das heißt, ich wähle selbst die Bücher aus, die ich übersetzen möchte und für den tschechischen Leser für relevant halte. Womöglich steckt dahinter auch ein gewisser Aufklärungswunsch. Es ist mir nun einmal wichtig, die Texte an andere weiterzugeben.“

Gibt es ein Buch, dass Sie demnächst gern noch übertragen würden?

„Ursprünglich dachte ich, dass ich eventuell die Korrespondenz zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann übersetzen könnte. Mich hätte das wirklich interessiert. Aber als ich das Buch dann las, war ich überzeugt, dass man das nicht machen kann. Und das nicht nur aus praktischen Gründen – die Briefsammlung ist sehr umfangreich –, sondern vor allem, weil für mich zu viel von ihrem Privatleben offenbart wird. Natürlich war die Lektüre für mich sehr spannend, man kann durch die Texte einige Spuren und Hinweise zum Verständnis von Bachmanns literarischem Werk bekommen, das war sehr interessant. Es gibt dort auch wirklich herrliche Stellen, sowohl in Bachmanns Briefen als auch in denen von Frisch. Aber, ich muss sagen, mir schien es ein wenig heikel, diese Texte so öffentlich zu präsentieren.“

Das ist sicher auch der Hauptgrund dafür, warum die Briefe zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann so lange unter Verschluss gehalten wurden. Sie sind ja erst im vergangenen Jahr erschienen.

Foto: Verlag Piper/Suhrkamp

„Genau. Und man muss bedenken, dass Bachmann selbst resolut für eine Einhaltung des Briefgeheimnisses war und nur wenig Privates an die Öffentlichkeit durchsickern ließ. Und ich kann das verstehen. Es stimmt, dass schon 50 Jahre seit ihrem Tod vergangen sind, aber trotzdem wäre mir eine Übersetzung wohl ein wenig unangenehm.“

Wo übersetzen Sie eigentlich? Wie sieht Ihr Schreibtisch oder Ihr Arbeitsplatz aus?

„Das ist ganz unterschiedlich. Gedichte zum Beispiel kann man ganz gut im Bett übersetzen. Ein lyrischer Text ist so eine Art Spiel. Man kann unendlich viel Mühen und Zeit dahinein investieren, und Wörterbücher braucht man dabei nicht. Aber wenn ich Prosa übersetze, dann sitze ich meistens in der Nähe meines PC am Schreibtisch.“

schlüsselwörter:
abspielen