Kampf gegen Desinformationen: Tschechisches Außenministerium widerlegt „Kremlmärchen“
Das tschechische Außenministerium reagiert mit einer speziellen Social-Media-Kampagne auf Desinformationen aus Russland. Dafür wird auf die reiche Märchentradition des osteuropäischen Landes verwiesen.
„Glauben Sie nicht den russischen Märchen!“ Diese Aufforderung ist einem Thread vorangestellt, den das tschechische Außenministerium kürzlich auf der Plattform X veröffentlicht hat. Das dazugehörige Foto zeigt ein aufgeschlagenes Märchenbuch. Die linke Seite trägt die Überschrift „Pro-Kreml-Märchen“ und einen kurzen Text:
„Es war einmal… Durch die Unterstützung der Ukraine finanziert Tschechien den internationalen Terrorismus.“
Auf der rechten Buchseite steht unter dem Titel „Realität“ dann die Richtigstellung. Russland sei kein Opfer des Terrorismus, heißt es da. Vielmehr greife das dortige terroristische Regime die Bürger der Ukraine an. Und Tschechien würde das völlig legitime Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung voll unterstützen, so der knappe Text. Illustriert ist die linke Buchseite mit einem singenden Bären in russischer Folkloretracht. Dem Foto des Buches ist zudem noch der Hinweis angefügt, dass die Märchen der russischen Propaganda kein Happy End hätten, sondern vielmehr die Demokratie untergraben würden.
Karel Smékal ist der Leiter der Kommunikationsabteilung im tschechischen Außenministerium. Im Interview mit Radio Prag International erläutert er:
„Es steckt tief in der tschechischen DNA, mit Humor zu reagieren, wenn wir auf ein bestimmtes Level an Absurdität treffen. Und die Behauptungen von russischer Seite haben in den letzten Wochen – aber auch schon vorher – dieses Niveau erreicht.“
Anlass für die Posts waren verbale Angriffe aus Russland, nachdem Tschechien eine Einladung des Kremls zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats abgelehnt hatte. Dazu Smékal:
„Diese besondere Kampagne reagiert auf eine Reihe absurder Stellungnahmen von russischer Seite, die wir derzeit registrieren. Wenn solche Äußerungen auftauchen, besteht die erste, prinzipielle Reaktion Tschechiens natürlich in einer offiziellen Erklärung. Wir beobachten aber, dass die russische Propaganda in letzter Zeit in mehreren Fällen direkt auf Tschechien abzielt. Also meinen wir, dass es auch angemessen ist, damit auf eine weniger traditionelle Weise umzugehen.“
So wurde also ein fiktives Märchenbuch erstellt. Auf weiteren Seiten geht es etwa um den Vorwurf, die Nicht-Teilnahme an der Sitzung des UN-Sicherheitsrates sei feige und arrogant, oder aber um die Falschmeldung, dass in Odessa sieben tschechische Offiziere ums Leben gekommen seien. Die Zielgruppe für diese Posts sei vor allem die tschechische Bevölkerung, sagt Smékal:
„In erster Linie ist das Außenministerium ja ein Dienst für die Öffentlichkeit. Unser Hauptziel ist es deswegen nicht, viele Likes zu bekommen. Wir haben nicht die Mentalität von Influencern. Vielmehr versuchen wir, mit den Bürgern in Tschechien so effektiv wie möglich zu kommunizieren.“
In diesem Falle wurde ein satirischer Ansatz gewählt. Aber auch in offiziellen Stellungnahmen finden tschechische Diplomaten oft eine deutliche Sprache in Bezug auf Russland. Es käme auf die richtige Balance an, meint Smékal:
„Unsere öffentliche Kommunikation in den sozialen Netzwerken spiegelt natürlich immer die offiziellen Formulierungen und die Sprache der Diplomatie wider. Allerdings gibt es auch im diplomatischen Diskurs einen gewissen Grad an, nennen wir es, Frechheit. Die Sprache, die wir in den sozialen Netzwerken wählen, projiziert also jenes Kommunikationsniveau, das wir auf diplomatischer Ebene nutzen. Wenn man von jemandem bedroht wird, kann – und sollte – die eigene Reaktion eben auch etwas keck sein. Dies ist eine sehr natürliche Reaktion und meiner Meinung nach der richtige Umgang damit.“
Dem Märchenbuch folgte auf X inzwischen ein Comic nach. Die Behauptung, Tschechien würde ohne Gas aus Russland doch erfrieren, wird in einem neugezeichneten Auszug aus dem berühmten russischen Märchenfilm „Abenteuer im Zauberwald“ über Väterchen Frost widerlegt.