Im Ausland kaum bekannt: Smetanas Oper „Das Geheimnis“ im Prager Nationaltheater

Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“

Eine Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“ hatte am Freitag Premiere. Martina Schneibergová traf zuvor mit den Mitwirkenden zusammen.

Das Jahr 2024 gilt als das Jahr der tschechischen Musik. Mit zahlreichen Veranstaltungen trägt zu den Feierlichkeiten auch das Prager Nationaltheater bei. Eine davon ist die Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“. „Tajemství“ – so der tschechische Titel – ist Smetanas vorletzte Oper und die zweite, die er auf Grundlage eines Librettos der Schriftstellerin Eliška Krásnohorská (1847-1926) schrieb. Uraufgeführt wurde das Stück 1878 im damaligen Neuen Tschechischen Theater in Prag. Im Nationaltheater wurde es erstmals am 18. Mai 1885, am ersten Todestag des Komponisten, gespielt. Beno Blachut ist der Dramaturg der aktuellen Neuinszenierung. Über den Komponisten sagt er:

Beno Blachut und Robert Jindra | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„An Smetana fasziniert mich die Tatsache, dass er ein Mensch war, der sich sein ganzes Leben lang mit der Ungunst des Schicksals in verschiedenen Formen auseinandersetzte. In der Zeit, als er diese Oper schrieb, war er krank und hatte kein regelmäßiges Einkommen mehr. Trotzdem gab er nicht auf und bemühte sich zu komponieren. Dies bewundere ich an Smetana.“

Genauso verehre er Eliška Krásnohorská, merkt der Dramaturg an. Und das obwohl er mit dem Regisseur des Stücks, Ondřej Havelka, darüber streite, ob sie eine gute Librettistin gewesen sei...

„Ich finde wichtig, dass sie überhaupt Librettistin war – und zwar eine der ersten in der Welt überhaupt. Soviel ich weiß, gab es international keine Frau, die Libretti auf diesem Niveau schrieb. Was die Emanzipation betrifft, waren die tschechischen Schriftstellerinnen damals bedeutend weiter vorangeschritten als ihre ausländischen Kolleginnen.“

Robert Jindra und Ondřej Havelka | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Regie der Oper hat nun Ondřej Havelka. Nach seiner Meinung sind sich alle Beteiligten dessen bewusst, dass die tschechischen Libretti aus dem 19. Jahrhundert von einer niedrigeren Qualität als die Musik waren:

„Im Fall von Smetana ist dies sehr deutlich. Eine Sache ist die Geschichte, die das Libretto erzählt, und eine andere die literarische Bearbeitung. Die Poesie von Eliška Krásnohorská aus der Zeit der nationalen Wiedergeburt ist natürlich veraltet und heute kaum noch verständlich. Aber sie ist ein Bild der damaligen Zeit. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir dieses historische Bild kritisch sehen sollten. Und was die Handlung betrifft, finde ich sie sehr naiv.“

Worum geht es in “Das Geheimnis“? In einem Städtchen, das sich nahe der Burg Bezděz / Bösig befindet, leben die verfeindeten Familien Kalina und Malina. Beide Väter sind Stadträte. Kalina will beweisen, dass er kein armer Mann mehr ist, für den ihn Malina vor Jahren noch gehalten hatte. Damals erlaubte der Rivale nämlich seiner Schwester Róza nicht, Kalina zu heiraten. Nun verlieben sich die Nachkommen der beiden Familien aber ineinander: Blaženka Malinová und Vít Kalina. Zur Überwindung aller Hindernisse und Streitigkeiten trägt ein zufällig gefundener Brief des Mönchs Barnabas bei. Das geheimnisvolle Schreiben bewegt Kalina zur Suche nach einem vermeintlichen Schatz. Was für einen Schatz der Mönch jedoch gemeint hat, wird erst zum Abschluss der Oper verraten.

Ondřej Havelka beschreibt, wie er bei der Regie der Oper vorgegangen ist:

„Als ich begriff, dass das Libretto naiv und die Handlung ein wenig albern ist, beschloss ich, dass dies eben der Schlüssel für die Inszenierung sein könnte: ein naives Libretto – ein naives Theater. Ich habe dem Bühnenbildner Martin Černý mein Vorhaben geschildert, die Oper als eine Reminiszenz an das Theater des 19. Jahrhunderts mit all seinen Attributen zu kreieren: mit gemalten Kulissen wie im Puppentheater und mit realistischen Kostümen. Dem Ensemble empfahl ich, naiv und illustrativ zu spielen.“

Der Musikdirektor des Nationaltheaters, Robert Jindra, hat die Oper „Das Geheimnis“ musikalisch einstudiert. Hier ein Interview mit dem Dirigenten:

Robert Jindra | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

Herr Jindra, war Smetanas „Das Geheimnis“ überhaupt die erste Oper, die Sie im Nationaltheater dirigiert haben?

„Ja. Ich habe sehr schöne Erinnerungen daran, denn ich mag die Oper sehr. Sie ist im Ausland kaum bekannt, aber ich finde das schade. Vor allem der erste Akt ist großartig. Ich bin sehr glücklich, dass ich das Stück nun einstudieren konnte.“

Halten Sie die Oper musikalisch für eines der besten von Smetanas Werken?

„Bei Smetana ist jedes Stück originell und unterschiedlich. Meine große Liebe ist ,Libuše‘ – das ist eine Festoper. Für mich ist es immer eine große Ehre, sie zu dirigieren. Aber ,Das Geheimnis‘ ist musikalisch hochinteressant, die Handlung ist komisch und dabei ganz nett. Viele Menschen meinen, das Stück sei archaistisch, aber ich stimme der Meinung nicht zu. Das Publikum mag die Oper. Schade, dass sie im Ausland unbekannt ist. Ich dirigiere sehr oft vor allem in Deutschland und in Österreich. Wenn ich dort Smetana erwähne, reagieren alle schnell und nennen ,Mein Vaterland‘ und ,Die verkaufte Braut‘. Wenn ich erzähle, dass ich in Prag ,Das Geheimnis‘, ,Dalibor‘ oder ,Libuše‘ dirigiere, dann sind alle schockiert und staunen, dass er auch etwas anderes geschrieben hat. Ich finde auch Smetanas Oper ,Die Teufelswand‘ großartig. Sie hätte bestimmt die Chance, beim Publikum auch im Ausland zu punkten.“

Kann dies irgendwie noch nachgeholt werden?

Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“ | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

„Jeder tschechische Dirigent muss im Ausland mit den großen Komponisten wie Smetana, Dvořák und Janáček helfen. Von Dvořák kennt jeder ,Rusalka‘ oder ,Stabat mater‘, Janáček wird derzeit im Ausland oft aufgeführt. Aber bei Smetana müssen wir uns wahrscheinlich mehr noch bemühen, um seine Opern zu präsentieren.“

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Solisten?

„Wir haben zwei Besetzungen, weil es eine komplizierte Oper ist. Unter den Hauptdarstellern ist beispielsweise Adam Plachetka, der Smetana oft gesungen hat. Aber es gibt auch einige Smetana-Debüttanten, beispielsweise Jana Kurucová.“

Ondřej Havelka hat Regie, er ist jedoch ein Multitalent. Wie arbeiten Sie mit ihm zusammen?

„Er ist nicht nur Regisseur, er ist ein großer Musiker und auch Sänger. Er hört und fühlt die Musik sehr genau und ist selbst ein guter Schauspieler. Für das tschechische Theater ist er quasi ein Leonardo. Er reagiert auf meine Wünsche, und wir diskutieren zusammen. Die Zusammenarbeit ist wunderbar.“

Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“ | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

Die Mezzosopranistin Jana Kurucová singt in der neuen Inszenierung von Smetanas Oper „Das Geheimnis“ die Partie der Róza. Hier ein Gespräch mit der Künstlerin:

Frau Kurucová, ist die jetzige Rolle in der Oper „Das Geheimnis“ Ihre erste in einem Werk von Smetana?

Jana Kurucová | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Ja, es ist wie die erste Liebe. Ich singe wirklich zum ersten Mal in einer Smetana-Oper. Es ist auch ein bisschen ein Paradox, denn bei der Rolle der Róza geht es um die erste Liebe. Somit hat sich das alles sehr gut getroffen. Das Stück wird nicht so oft aufgeführt. Und da ich sehr viel im Ausland, vor allem in Deutschland singe, hatte ich bisher noch keine Partie in Smetanas Opern. Im Ausland werden viel öfter Dvořák und Janáček aufgeführt. Die Rollen in ihren Opern sind sehr gut geschrieben. Aber ich kann sagen, dass es manchmal ganz gut ist, wenn man auf besondere Schätze ein wenig wartet.“

Haben Sie den Regisseur der Oper, Ondřej Havelka, zuvor gekannt?

„Wir haben uns von Anfang an super verstanden – vielleicht weil ich Regisseure liebe, die extrovertiert und kommunikativ sind. Ich freue mich sehr, dass ich auch in seiner nächsten Produktion – in Janáčeks ,Schlauem Füchslein‘ – im Dezember dieses Jahres im Nationaltheater mitwirken darf. Auf jeden Fall gehört Ondřej Havelka zu den Regisseuren, mit denen ich sehr gerne arbeite.“

Haben Sie eine Traumrolle, die Sie in einer der tschechischen Opern gern singen würden?

Neuinszenierung von Bedřich Smetanas Oper „Das Geheimnis“ | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

„Auf jeden Fall würde ich in Zukunft gerne in ,Jenufa‘ und ,Sache Makropulos‘mitwirken. Ich muss sagen, dass die drei tschechischen Komponisten Dvořák, Smetana und Janáček sehr verschieden sind. Dvořák ist innig, romantisch und märchenhaft, aber auch ehrlich. Janáček ist für mich etwas ganz Besonderes mit seiner Übernatürlichkeit, die fast zwischen dem Leben und dem Tod steht. Insbesondere die Werke ,Jenufa‘, ,Katja Kabanowa‘ und ,Sache Makropulos‘ berühren mich unglaublich tief. Denn sie handeln davon, wofür wir hier sind und warum wir leben. Da möchte ich weiter forschen, und zwar nicht nur in der Musik, sondern auch in meiner Seele und meinem Herzen. Von meiner jetzigen Rolle bei Smetana war ich sehr überrascht. In den Arien der Róza, die eigentlich ziemlich einfach geschrieben sind, ist eine so tiefe Innigkeit und ehrliche Liebe enthalten. Das war auch ein kleines Geheimnis, das ich für mich gelüftet habe.“

Die zweite Premiere von Smetanas Oper „Das Geheimnis“ findet am Sonntag, den 26. Mai, im Prager Nationaltheater statt. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr. Es gibt noch Restkarten. Bis zum Ende der Spielzeit gibt es noch zwei Reprisen. Das Stück wird auch in der nächsten Saison gespielt.

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