Opernstar Günther Groissböck: Tschechische Sprache ist für Singen sehr gut geeignet
Der österreichische Bass Günther Groissböck hat schon in den renommiertesten Opernhäusern der Welt gesungen. Er pendelt zwischen der Metropolitan Opera in New York, dem Covent Garden in London, der Bayerischen Staatsoper und anderen berühmten Theatern. In diesen Tagen weilt der gefragte Opernsänger in Prag, wo er in Antonín Dvořáks „Rusalka“ die Partie des Wassermanns singen wird. Martina Schneibergová hat während einer der Proben mit Günther Groissböck gesprochen.
Herr Groissböck, Sie werden am Sonntag zum ersten Mal im Prager Nationaltheater den Wassermann in Antonín Dvořáks „Rusalka“ singen. Hatten Sie schon Zeit, sich mit der Inszenierung bekannt zu machen?
„Wir haben drei intensive Probetage gehabt. Ich habe das Video von der Premiere sehr genau studiert, in dem mein Kollege und Freund Štefan Kocán singt. Es ist eine sehr schöne, fast schon altmodisch moderne Inszenierung im besten Sinne des Wortes. Sie erinnert mich in ihrer Ästhetik ein bisschen an Robert Wilson, nur ist sie etwas bewegter. Das Wichtigste ist, dass man einen Weg hat, und der Rest füllt sich automatisch mit der Musik und dem, was man über die Rolle über die Jahre hinweg gelernt hat. Das funktioniert ganz gut.“
Sie haben schon Erfahrung mit der Partie des Wassermanns in anderen Inszenierungen gemacht…
„Jede Zeit hat ihre Ästhetik, und jede Zeit hat ihre Lieblingsregisseure, ihre Trends und ihre Mode. Ich finde, die aktuelle Inszenierung ist ein perfektes Plädoyer dafür, dass es nicht immer ganz klassisch sein muss. Das heißt, dass der Wassermann nicht wirklich aus einem Teich steigt, mit all den Algen und Wurzeln. Auch so erkennt man die Figur und die Strukturen. Die Farben und der ganze Bewegungsablauf sind sehr ästhetisch und sehr choreographisch. Darum ist es im besten Sinne des Wortes modern. Aber unsere Mode heutzutage geht oft schon sehr weit weg von den Stücken. Deshalb sage ich, dass es modern altmodisch ist.“
Wie ist Ihre Beziehung zur tschechischen Musik?
„Wenn ich jetzt Smetanas ‚Die verkaufte Braut‘ höre, die ich 2018 in München gesungen habe, oder auch die volkstümlichen Elemente in der ‚Rusalka‘, dann sind es Erinnerungen an meine Kindheit.“
„Das ist eine sehr interessante Frage, weil ich als gebürtiger Österreicher sehr nahe an der tschechischen Kultur bin. Ich komme aus der Kleinstadt Waidhofen an der Ybbs. Dort haben wir ein Gasthaus und einen Wirt namens Petr Dvořák. Er war immer schon sehr patriotisch tschechisch. Zum jährlichen Stadtfest hat er immer eine tschechische Kapelle eingeladen und tschechisches Bier serviert. So hat er wirklich versucht, die tschechische volkstümliche Kultur in die österreichische Provinz zu tragen. Wenn ich jetzt Smetanas ‚Die verkaufte Braut‘ höre, die ich 2018 in München gesungen habe, oder auch die volkstümlichen Elemente in der ‚Rusalka‘, dann sind es Erinnerungen an meine Kindheit. Denn Petr Dvořák – der jetzt auch zu einer Vorstellung nach Prag kommt – hat mir das mitgegeben. So gesehen ist es ein Teil meiner kulturellen Identität. Nur die Sprache ist natürlich eine Herausforderung.“
Ist es schwierig, die Oper auf Tschechisch zu singen?
„Eigentlich weniger, als ich dachte. Denn jeder sagt immer, Tschechisch sei furchtbar schwierig. Na gut, wenn man beim Lesen die vielen Häkchen und Konsonanten sieht und sich bei manchen Wörtern fragt, wo der Vokal ist oder wie das klingen soll, dann könnte man überfordert sein. Aber mit der Hilfe von guten Coachs merkt man sehr bald, dass diese Sprache sehr geeignet ist zum Singen. Ich mag ihre Melodie sehr, weil sie so etwas leicht Synkopisches, also Verrücktes hat. Sie liegt nicht immer auf Eins, sondern gibt einen fast tänzerischen Impuls und sehr schöne Vokallaute. Ich finde sie von der Melodie her ganz faszinierend und deshalb auch zum Singen sehr angenehm.“
Haben Sie vielleicht auch Erfahrung mit Leoš Janáček?
„Leider noch nicht. Janáček ist an mir bisher vorbeigegangen.“
Sie haben schon in allen renommierten Opernhäusern der Welt gesungen und können das Publikum in den verschiedenen Theatern miteinander vergleichen. Spüren Sie, wenn das Publikum wirklich mitgeht?
„Wenn auf der Bühne eine Geschichte erzählt wird, das Publikum zuhört und damit zu einem Teil der Geschichte wird, dann ist das der schönste Moment, den es gibt.“
„Ja, natürlich, das spürt man ganz deutlich. Ich muss dazu sagen, dass ich ein Lehrerkind bin. Da hat man von klein auf ein Gefühl dafür, wann Kinder zuhören oder wann sie unruhig sind und man ihnen mehr Präsenz geben muss, ohne aufdringlich zu werden. Wenn auf der Bühne eine Geschichte erzählt wird, das Publikum zuhört und damit zu einem Teil der Geschichte wird, dann ist das der schönste Moment, den es gibt. Und das habe ich bei ‚Rusalka‘ schon oft erlebt. Es ist ein Stück, bei dem die Leute wirklich mitgerissen werden aufgrund der schönen, üppigen Musik. Die Geschichte ist berührend, sehr klar und einfach zu verstehen. Trotzdem hat sie einen sehr tiefen psychologischen Aspekt. Und es ist für jeden etwas dabei. Der Naive, der einfach nur schöne Geschichten und schöne Musik hören will, hat genauso viel Freude wie jemand, der sich für Vater-Tochter-Beziehungen oder hochkomplexe psychologische Vorgänge interessiert. Dieser hat genauso Freude an der Geschichte, wenn sie gut erzählt wird.“
Hören Sie auch andere Musikgenres als klassische Musik?
„Wenn man viel unterwegs ist – und ich fahre sehr oft mit dem Auto –, muss man manchmal den Kopf ,durchspülen‘. Ich würde sagen, bei mir sind es 80 Prozent klassische Musik und 20 Prozent Erinnerungen aus der Jugend – also Filmsoundtracks und Rockmusik bis hin zu Metallica.“
Oft singen Sie Wagner. Haben Sie eine Lieblingsoper? Oder ist es schwierig, ein Werk hervorzuheben?
„Das ist sehr schwierig. Meine Lieblingsrolle bei Wagner ist Gurnemanz im ‚Parsifal‘. Denn im ersten Akt ist er noch eine große, Evangelisten-artige Erzählerfigur und im dritten Akt schon ein priesterartiger Ritusführer, der die ganze Wandlung des Parsifal mitbegleitet. Da geht wirklich eine andere Sphäre auf. Wenn man das erleben darf – und in guten Aufführungen passiert das auch –, dann kommt es zu dieser Art von Transformation, die gemeinsam mit dem Publikum stattfindet. Darum ist sicher Gurnemanz meine Lieblingsrolle. Aber eine Lieblingsoper insgesamt, das ist schwer zu sagen. Natürlich ist ‚Tristan und Isolde‘ im Ranking sehr hoch sowie die ‚Walküre‘. Dabei muss ich auch den ganzen ‚Ring der Nibelungen‘ einschließen. Die Top drei sind also: ‚Parsifal‘, Tristan, ‚Walküre‘.“
Es ist bekannt, dass Sie viel Sport treiben. Ist dies eine Art Entspannung nach der Theatersaison?
„Es ist nicht nur Entspannung. Früher habe ich Sport auch wettkampfmäßig betrieben. Zudem hat es einen klar gesundheitlichen Aspekt hat. Der Stress und alles, was sich im Blut ansammelt, muss entschlackt und rausgelassen werden. Wenn ich eine größere Runde mit dem Rad drehe – nicht intensiv, sondern nur der Freude wegen –, dann nenne ich es einen Detox-Ride, um den Reisestress abzubauen. Letztlich ist das Singen auch eine physische sowie sportliche Aktivität. Deshalb ist das eine perfekte Ergänzung.“
Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Prager Nationaltheater zustande? Vielleicht dank dem Dirigenten Robert Jindra?
„Ja genau. Ich hatte letztes Jahr in der Bayerischen Staatsoper zwei Vorstellungen von ‚Rusalka‘. Und die Geschichte war sozusagen mit heißer Nadel gestrickt, weil ich auch in Bayreuth tätig war. Ich konnte nur zu einer szenischen Probe kommen. Robert Jindra ist dann eingesprungen, soviel ich weiß. Er hat die Rolle sehr cool übernommen, und wir haben uns nur vor der Probe kurz gesehen. Es hat aber toll funktioniert. Jindra hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, das Stück in Prag zu singen. Ich habe gesagt, wenn er glaube, dass mein Tschechisch dafür genügt, dann wäre es mir eine große Ehre. Dann hat er alles in die Wege geleitet.“
Günther Groissböck singt in der Oper „Rusalka“ von Antonín Dvořák am Prager Nationaltheater, und zwar am 28. August sowie am 9., 24. und 28. September. Es gibt noch Restkarten.