Tschechische Hochschulen bereiten sich auf steigenden Mitarbeiterbedarf der Atomkraftwerke vor
In Tschechien wird die Atomkraft ausgebaut. Die beiden Kernkraftwerke im Land sollen mit bis zu vier neuen Reaktorblöcken erweitert werden. Deswegen stellen sich auch die hiesigen Hochschulen auf die Ausbildung von mehr Fachkräften ein.
„Ich hatte schon von klein auf Angst, später irgendeiner monotonen Arbeit nachgehen zu müssen. Hier an der Uni muss ich diese Befürchtungen nicht mehr haben, denn jeder Tag ist anders.“
Ondřej Lachout studiert seit fünf Jahren Kerntechnik an der Technischen Universität (ČVUT) in Prag. Zu Studienbeginn waren in seinem Jahrgang etwa 50 Leute, kurz vor dem Abschluss sind aber nur noch sieben von ihnen übriggeblieben. Die Absolventen der ČVUT werden oft direkt von den beiden Atomkraftwerken in Tschechien, Temelín und Dukovany, übernommen. Die Ausbildung ist nämlich stark auf die Praxis ausgerichtet. Studienleiter Jan Rataj verweist auf die unieigene Atomanlage:
„Es handelt sich um einen echten Kernreaktor, an dem die Studenten Messungen vornehmen und all die Erscheinungen beobachten können, die mit dem Betrieb einer solchen Anlage verbunden sind.“
Auch in diesem Jahr gab es 56 Erstsemester im Fach Kerntechnik. Ein rasant steigendes Interesse wird an der ČVUT also nicht registriert. Dabei habe man angesichts der Ausschreibung eines neuen Reaktorblocks für das Akw Dukovany eigentlich damit gerechnet, gesteht Rataj ein:
„Das ist überraschend, denn ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als die Ausschreibung zum Ausbau des Akw Temelín lief. Damals gab es in der heißen Planungsphase einen sehr spürbaren Anstieg bei der Studentenzahl. Er betrug das Zwei- bis Dreifache.“
Darum hat sich die Fakultät auch jetzt auf einen größeren Andrang vorbereitet. Denn neben dem bereits beschlossenen neuen Reaktor in Dukovany sind noch drei weitere im Gespräch, mit denen die beiden tschechischen Akw in den nächsten Jahrzehnten erweitert werden sollen. Vor diesem Hintergrund will etwa die Westböhmische Universität in Plzeň / Pilsen im kommenden Jahr auch den Studiengang Kerntechnikmanagement einführen.
Und schon ab diesem Herbst kann man sich an der Technischen Universität (VUT) in Brno / Brünn für Kernenergiegewinnung einschreiben. Damit werde nicht nur auf die Nachfrage seitens der Studenten reagiert, sondern vor allem seitens der Arbeitgeber, sagt Dozent Karel Katovský:
„Diese haben allgemein ein großes Interesse am Bereich der Energiegewinnung, aber besonders auch an Fachleuten für Atomkraft.“
So sei etwa im Mitarbeiterstab des Akw Dukovany ein deutlicher Generationenwechsel im Gange, ergänzt Katovský. Und ein solcher steht dem Experten zufolge auch in Temelín an.
Allein die Einrichtung eines weiteren Reaktorblocks in Dukovany, der ab 2036 in Betrieb genommen werden soll, erfordert nach Angaben des Betreiberunternehmens ČEZ bis zu 9000 Arbeitskräfte. Der Großteil wird zwar in den bisher gängigen Berufen eingesetzt. Aber die neuen professionellen Anforderungen müssten dann mit den Universitäten abgestimmt werden, betont Josef Perlík, Leiter der Vereinigung der tschechischen Energieindustrie (CPIA):
„Wir warten nun ab, in welchem Maße sich die Industrie einbringt – ob das eher im Elektrobereich, beim Maschinenbau oder bei den Bautätigkeiten sein wird. Dann müssen wir die Zusammenarbeit mit den Hochschulen neu aufstellen für die Ausbildung einer neuen Generation von Kernkraftexperten.“
Jan Rataj von der ČVUT mahnt aber, dass das Interesse an technischen Berufen schon bei den Grundschülern in Tschechien geweckt werden müsse. Sollten sich in Zukunft nicht mehr Studenten für die entsprechenden Fächer finden, könne das ein Problem werden angesichts der Renaissance der Atomkraft in ganz Europa…
„Wenn die Kernkraft tatsächlich wieder in größerem Maße ausgebaut wird, und das in ganz Europa, dann kann es wirklich zu einer starken Konkurrenz zwischen den einzelnen Staaten kommen.“
Dabei ginge es nicht allein darum, dass es in Tschechien womöglich zu wenige Fachleute geben wird. Sie könnten auch noch ins Ausland abgeworben werden, warnt Rataj – etwa nach Polen, wo die Energiegewinnung sich gerade neu auf die Kernkraft ausrichte.
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