Wehrdienstfähig mit sechs Dioptrien und Prothese: Tschechische Armee ändert Tauglichkeitskriterien
Die tschechische Armee will mehr Menschen den Eintritt in ihre Dienste ermöglichen. Zudem soll sich der Kreis jener Menschen erweitern, die potenziell als wehrbereit eingestuft werden. Deswegen gilt hierzulande ab September eine neue Direktive über die Tauglichkeit zum Wehrdienst.
Jiří hat sich zur Reserve gemeldet. Solche wie ihn bräuchten die tschechischen Streitkräfte zu Tausenden. Denn seit 2005 gibt es hierzulande eine Berufsarmee, und ihr fehlen die Kräfte. Die meisten Interessenten scheitern nämlich schon in der Musterung. Nun hat das Verteidigungsministerium aber die Minimalanforderungen verändert, man könnte sogar sagen: heruntergestuft. Ab September reicht es, wenn man mit einer Waffe umgehen kann und zur Arbeit mit einem Gewicht von fünf Kilogramm fähig ist. Michal Baran leitet den Bereich Gesundheit bei der tschechischen Armee:
„Die ursprüngliche Anordnung stammte noch aus den 1990er Jahren. Seitdem gab es viele neue medizinische Erkenntnisse, und die Verfahren wurden weiterentwickelt. Da wäre es dumm, zahlreiche Bewerber für den Dienst in der tschechischen Armee auszuschließen, obwohl die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten ihre Einschränkungen voll kompensieren.“
Allerdings wird bei der Musterung erst einmal nur die prinzipielle Tauglichkeit festgestellt. Für zahlreiche konkrete Positionen müssen die Bewerber weiterhin Eignungstests absolvieren. Das betrifft etwa Elitetruppen wie die Fallschirmjäger, dort besteht ein mehrtägiges Auswahlverfahren. Baran erläutert daher, woran bei den neuen Minimalanforderungen gedacht wurde:
„Menschen mit schlechten Augen. Früher haben wir strikt gesagt, dass die Bewerber so und so scharf sehen müssen. Neu reicht es, wenn man eine Waffe bedienen kann, um in unser Dienstverhältnis zu gehen. Gerade ein größerer Teil jener Bewerber, die zur Cyberabwehr wollen, haben Probleme mit den Augen.“
Aber auch bei Übersetzern oder Juristen sollten Brillen mit starken Gläsern kein Hindernis mehr sein, wie Michal Baran noch anfügt.
In einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks am Montagmorgen erläuterte der Mediziner zudem, dass diese Erkenntnisse auch mit den Erfahrungen der ukrainischen Armee aus der letzten Zeit zusammenhingen. In der Abwehr der russischen Angriffe seien etwa viele Soldaten nötig, die Drohnen bedienen könnten, so Baran.
Die Minimalanforderungen schließen ebenso wenig Menschen mit Prothesen aus.
„Mehr als 20 Jahre sehen wir dies schon bei unseren Nato-Partnern. Meist handelt es sich um frühere Soldaten, die im Kampf verletzt wurden. Sie haben ein riesiges Knowhow und geben dieses weiter. Wir haben diese Leute bisher entlassen müssen, dabei sind sie meist hervorragende Ausbilder oder Cyberabwehrspezialisten. Es geht aber auch um Spitzenkräfte in zivilen Bereichen, die sich beispielsweise bei einem Autounfall verletzt haben und von uns bisher abgelehnt wurden“, so Baran.
Schon im Herbst vergangenen Jahres hatte der Generalstabschef der tschechischen Armee, Karel Řehka, darüber gesprochen, den Dienst bei den Streitkräften für möglichst viele Menschen zu öffnen:
„Wir wissen um die Probleme, die Einheiten der Armee aufzufüllen. Auch deshalb ändern wir das System von Musterung und Tauglichkeitsstufen so, dass es mehr Sinn ergibt und dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Wir wollen, dass auch jene Menschen dienen können, die wir früher abgelehnt haben.“
Letztlich gelten die Änderungen ebenso für Soldaten der Reserve. Das heißt, dass die tschechische Armee in Zukunft aus einem größeren Pool an qualifiziertem und ausgebildetem Personal wird schöpfen können, wenn es zum Verteidigungsfall kommen sollte.