Tschechische Piraten in rauer See: Parteispitze tritt nach Wahldebakel zurück

Ivan Bartoš

In Folge der fatalen Ergebnisse bei den Kreiswahlen hat die Spitze der tschechischen Piratenpartei um Ivan Bartoš ihren Rücktritt angekündigt. Unklar ist aber, wer nun das Ruder übernehmen soll – und ob die Umstrukturierung Konsequenzen für die Regierungsbeteiligung der Piraten bringt.

Die Kreiswahlen am Freitag und Samstag brachten für die in Tschechien mitregierende Piratenpartei ein Debakel. Die Verluste bei der Mittelinkspartei waren so groß wie bei keiner anderen Gruppierung. Statt 99 Sitzen in den 13 Kreisparlamenten wird es dort ab sofort nur noch drei Abgeordnete der Piraten geben.

„Ich muss nicht verbergen, dass die Ergebnisse, die wir in den Kreiswahlen erzielt haben, weit unter unseren Erwartungen liegen“, sagte Ivan Bartoš, der Vorsitzende der Piratenpartei, am Samstag im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Auch bei den weiteren Politikern der Partei herrschte am Samstag geknickte Stimmung. Klára Kocmanová, die für die Piraten im Abgeordnetenhaus sitzt und stellvertretende Chefin der Partei ist, sagte dem Tschechischen Rundfunk:

„Ich bin enttäuscht und traurig. Vielleicht beschäftigen wir uns manchmal mit viel zu vielen Dingen, sollten den Menschen stattdessen aber zeigen, was unsere Prioritäten sind – also etwa Wohnungs- und Bildungspolitik.“

Klára Kocmanová | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Doch neben ersten Analysen folgten dann auch schnell Reaktionen. Man werde einen außerordentlichen Parteitag einberufen und neu über den Vorstand abstimmen lassen, hieß es am Samstag. Am späten Sonntagabend dann kündigten die Spitzen der Piraten direkt ihren Rücktritt an. Man werde bei der Urabstimmung nicht wieder antreten, hieß es. Neben Ivan Bartoš, der seit 2009 fast durchgehend an der Spitze der Partei stand, treten auch die vier Stellvertreterinnen zurück. In einer Pressemitteilung nannte Bartoš die schlechten Ergebnisse bei den letzten beiden Wahlen als Grund für den Rücktritt. Denn nicht nur bei den aktuellen Kreiswahlen, sondern auch bei den Europawahlen im Juni waren die Ergebnisse der Piraten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Um fast acht Prozentpunkte brachen damals die Stimmen ein.

Am 9. November will man nun die neue Parteiführung wählen lassen. Wer aber den „frischen Wind“ bringen soll, den es laut Bartoš aktuell braucht, das ist bis dato noch unklar.

Denn mit Außenminister Jan Lipavský ließ einer der etabliertesten Piraten am Montag im Tschechischen Rundfunk verlauten:

„Ich denke nicht, dass ich der passende Kandidat für den Parteivorsitzenden bin, auch wenn ich das manchmal höre. Ich widme mich derzeit meiner Tätigkeit als Außenminister. Und ich denke, die Piraten brauchen jetzt eine Persönlichkeit, die die Partei zusammenbringt. Aus vorherigen Erfahrungen weiß ich, dass ich das nicht bin.“

Ungewiss ist bisher auch, welche Auswirkungen die Umstrukturierung bei den Piraten auf

Jan Lipavský | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

die Beteiligung der Partei an der tschechischen Regierung haben wird. Premier Petr Fiala von den konservativen Bürgerdemokraten teilte bereits mit, er respektiere die Entscheidung und wolle nun über das weitere Vorgehen verhandeln.

Und Ivan Bartoš? Der Noch-Piratenchef ist in der Regierung der Minister für Regionalentwicklung und Digitalisierung. In dieser Rolle hatte er unlängst auch die Digitalisierung von Bauverfahren zu verantworten. In diesem Sommer ging das neue System an den Start – und scheiterte unter anderem wegen technischer Fehler kläglich. Bartoš stand deshalb in der Kritik, und auch Rücktrittsrufe wurden laut.

Am Samstag schloss Bartoš allerdings noch aus, dass die Umstrukturierung innerhalb der Piratenpartei auch auf die Tätigkeit im Kabinett Einfluss haben könnte, wo die Piraten zwei Ressorts besetzen:

„Nicht jeder Minister ist auch ein Parteichef. Und nicht jeder Parteichef ist Mitglied der Regierung. Ich würde das ungern miteinander verknüpfen. Stattdessen denke ich, dass uns in dieser Legislaturperiode noch einige wichtige Aufgaben erwarten.“

Diese Äußerung tätigte Bartoš jedoch vor Sonntagabend, als er sein Ende an der Parteispitze bekanntgab.

Ein Ausscheiden von Bartoš und auch von Lipavský aus der Regierung würde wohl aber erforderlich werden, sollten die Piraten die derzeitige Fünferkoalition verlassen. Auch mit dieser Möglichkeit wird sich der Parteitag – Beobachtern zufolge – am 9. November befassen.

Autoren: Ferdinand Hauser , Eva Soukeníková , Adéla Burešová
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