Gerichtlicher Vergleich: Andrej Babiš war laut slowakischem Innenministerium kein StB-Agent

Andrej Babiš

Seit Jahren geht Andrej Babiš, Vorsitzender der Oppositionspartei Ano und ehemaliger tschechischer Premier, gerichtlich gegen den Vorwurf vor, er sei in den 1980er Jahren ein Agent der kommunistischen Staatssicherheit gewesen. Dieser Rechtsstreit ist nun durch einen Vergleich mit dem slowakischen Innenministerium beigelegt worden.

Ein zwölf Jahre dauernder Streit ist beendet. Das slowakische Innenministerium hat sich mit dem ehemaligen Premier Tschechiens, Andrej Babiš, auf einen Vergleich geeinigt, der die gerichtliche Auseinandersetzung um seine Persönlichkeitsrechte abschließt. Konkret ging es dabei um die Frage, ob Babiš in den historischen Akten der tschechoslowakischen Staatssicherheit (StB) rechtmäßig als Agent bezeichnet wurde oder nicht.

Babiš, der gebürtiger Slowake ist und seit den frühen 1990er Jahren in Tschechien lebt, besteht seit jeher darauf, ohne eigenes Wissen als Agent „Bureš“ geführt worden zu sein. Durch den jetzt beschlossenen Vergleich wird dies vom slowakischen Staat bestätigt. Innenminister Matúš Šutaj-Eštok (Hlas-SD) begründet das Vorgehen damit, dass die Staatskasse bei einem Gerichtsurteil zugunsten von Andrej Babiš durch hohe Entschädigungszahlungen an diesen belastet worden wäre:

„Angesichts zweier Rechtsanalysen sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass in dem Fall eine materielle Notlage drohte. Uns wurde empfohlen, einen Vergleich zu schließen, um wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.“

Kritik an dem Vergleich übt das „Institut Gedächtnis der Nation“ (ÚPN) in Bratislava, das die StB-Archive verwaltet. Dessen Recherchen zufolge taucht Babiš in den Akten 1980 erstmals auf und erscheint zwischen 1982 und 1988 wiederholt als Agent „Bureš“. Instituts-Sprecher Michal Miklovič dazu in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Nach Ansicht unseres Instituts ist die Rechtmäßigkeit, mit der Andrej Babiš als geheimer Mitarbeiter des StB geführt wird, in mehreren Akten belegt. Sie knüpfen inhaltlich und chronologisch aneinander an. Die Entscheidung des Innenministeriums der Slowakei, einen Vergleich zu schließen, ändert nichts an diesem Fakt.“

Matúš Šutaj Eštok | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Es ist dieses Institut, gegen das Babiš seinen Gerichtsstreit zunächst führte. Auf Bezirks-, Kreis- und Oberster Ebene bekam er dreimal Recht, bis das slowakische Verfassungsgericht 2017 für eine Wende sorgte. Es zweifelte die bis dahin anerkannten Zeugenaussagen an, in denen die einstigen Verfasser der StB-Akten behaupteten, den Agenten „Bureš“ erfunden zu haben. Die folgenden Gerichtsurteile konstatierten, dass Babiš sehr wohl bewusst als Agent gearbeitet habe. Der Beschuldigte zog daraufhin vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und verklagte außerdem das slowakische Innenministerium. Den demnächst anstehenden Verhandlungen wurde mit dem Vergleich zuvorgekommen.

Der tschechische Premier, Petr Fiala (Bürgerdemokraten), bezeichnete diesen im Nachrichtendienst X als einen „primitiven Handel“, den Babiš mit befreundeten Politikern abgeschlossen habe. Ähnlich sieht es die slowakische Oppositionspartei Hnutie Slovensko (Bewegung Slowakei), die Innenminister Šutaj-Eštok zum Rücktritt aufruft. Im Raum steht der Vorwurf, dass Babiš mit der gerichtlichen Entlastung für seine Unterstützung für Peter Pellegrini im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf belohnt worden sei. Dies wird von Pellegrinis Partei Hlas-SD, der ebenso Innenminister Šutaj-Eštok angehört, zurückgewiesen.

Auch in weiteren Reaktionen in Tschechien kommt Irritation zum Ausdruck. Der Historiker Petr Blažek vom Institut zum Studium totalitärer Regime (ÚSTR) in Prag sagte im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT), dass ein solches Vorgehen ungewöhnlich sei. Dies bestätigt Jaroslav Spurný, Investigativreporter beim Wochenmagazin „Respekt“. Der Vergleich sei „sehr eigenartig“ und ignoriere historische Beweise, so Spurný im Tschechischen Rundfunk:

Jaroslav Spurný | Foto: Věra Luptáková,  Tschechischer Rundfunk

„Der Streit betrifft die Wahrheit und die Fakten, und darum sollte es auch dem slowakischen Staat vor allen Dingen gehen. Indem die Regierung dem aber ausweicht, gesteht sie ein, dass ihr Umgang mit der Vergangenheit auf pragmatische und politische Weise erfolgt und eben nicht faktenbasiert. Das allein ist innerhalb der Europäischen Union schon alarmierend.“

Der Gerichtsvergleich wurde bereits am 11. Oktober beschlossen, aber erst am Montag dieser Woche bekanntgegeben. Am Dienstag hieß es außerdem, dass die Initiative zur Beilegung von Andrej Babiš ausgegangen sei, und zwar auf Empfehlung seiner Anwälte. Der Ano-Chef selbst kommentierte, er habe nie daran gezweifelt, dass er den Rechtsstreit gewinnen werde. Mit dem Vergleich verpflichtet sich Babiš nun, auf jegliche Entschädigungszahlungen durch den slowakischen Staat zu verzichten und seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurückzuziehen.

Autoren: Daniela Honigmann , Lucie Špetová , Matěj Skalický | Quelle: Český rozhlas
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