Ausweitung des Emissionshandels: Hälfte der tschechischen Bevölkerung von Energie- und Mobilitätsarmut bedroht

Innerhalb der EU sollen ab 2027 Emissionsgebühren auch für Privathaushalte anfallen, wenn sie mit fossilen Rohstoffen heizen. In Tschechien haben viele Menschen aber schon jetzt ein Problem, die Rechnungen zu zahlen.

Seit der Energiekrise vor zwei Jahren sind die Heiz- und Stromkosten für viele Menschen in Tschechien ein schmerzhaftes Thema. Mittelfristig wird sich dies kaum ändern. Im Gegenteil: Privathaushalte, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind, sollen ab 2027 Emissionsgebühren zahlen. Dann wird der Emissionshandel in der Europäischen Union nämlich infolge der ETS2-Norm auf Häuser und Straßenverkehr ausgeweitet.

Für Menschen mit einem niedrigen Einkommen könnte in der Folge die Kostenbelastung zu hoch werden. Die Soziologie hat dafür bereits zwei Begriffe gefunden: Energie- und Mobilitätsarmut. Jan Krajhanzl ist Gründer und Direktor der Forschungs- und Kommunikationseinrichtung Institut 2050. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er:

Jan Krajhanzl | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Energiearmut herrscht, wenn ein Privathaushalt zu niedrige Einkünfte hat, um die Wohnung so zu beheizen, dass es der Gesundheit nicht schadet oder die Lebensqualität nicht herabsetzt. Mobilitätsarmut ist etwas sehr Ähnliches im Bereich der Verkehrsteilnahme. In dem Falle müssen die Betroffenen abwägen, welche Wege und Fahrten sie aus finanziellen Gründen antreten können oder eben nicht. Das meint keine Urlaubsreisen, sondern die Grundbedürfnisse – ob also die Kinder zur Schule oder die Eltern zur Arbeit fahren können, ob man zum Arzt oder in die Apotheke gelangt, um Medikamente abzuholen, oder zum Lebensmitteleinkauf.“

Laut der Analyse vom Institut 2050 sind etwa die Hälfte der Privathaushalte in Tschechien von Energie- und Mobilitätsarmut bedroht. Zahlreiche Familien wird dies aber nicht erst in ein paar Jahren betreffen. Für sie seien finanzielle Notlagen in den beiden Bereichen schon jetzt Realität, so Krajhanzl:

„Ich illustriere dies an einer konkreten Situation, über die die Verkehrsanbieter im Kreis Karlsbad berichten. Die dortigen Busunternehmen schildern, dass eine Woche vor den Lohnauszahlungen weniger Schüler morgens die Schulbusse nutzen als in anderen Wochen.“

Was die Heizkosten betrifft, würden in der Analyse seines Instituts zwei Gruppen hervorstechen, fährt der Soziologe fort:

„18 Prozent der Menschen gehören zur armen Landbevölkerung. Sie heizen viel mit Holz und Kohle – also mit jenen Rohstoffen, die in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich teurer werden. Interessant ist aber, dass diese Menschen das Auto in ganz ähnlichem Maße nutzen, wie der finanziell abgesicherte Teil der Landbevölkerung.“

Das eingeschränkte Angebot an öffentlichem Nahverkehr ließe den Leuten auf dem Land oftmals keine andere Wahl, als das Auto zu nehmen, fügt Krajhanzl hinzu. Und weiter:

„Die zweite Gruppe bilden mit 33 Prozent jene Menschen, die wir die arme Stadtbevölkerung nennen. Sie wohnen zumeist zur Miete. Dort besteht das Problem, dass die Vermieter oft keine Motivation haben, die Mietwohnungen mit einer Wärmeisolierung auszustatten. Denn die Energiekosten werden ja von den Mietern getragen.“

Foto: Hans Braxmeier,  Pixabay,  Pixabay License

Damit könnten diese Menschen ebenfalls in eine Finanzfalle geraten, ergänzt der Soziologe.

Die tschechische Regierung scheint diese Lage bisher zu berücksichtigen. Der EU-Norm ETS2 steht sie kritisch gegenüber und will darüber in Brüssel nachverhandeln. Überhaupt ist das benachbarte Österreich das einzige EU-Land, das ein Gesetz zur Umsetzung von ETS2 bereits verabschiedet hat. Jan Krajhanzl beschreibt den Stand der Dinge in Tschechien:

„Mir scheint es wirklich wichtig, die aktuelle Lage beizubehalten. Es ist bekannt, dass die tschechische Regierung derzeit nicht im Geringsten plant, Emissionszertifikate für Privathaushalte einzuführen. Die Novelle des Gesetzes zum Emissionshandel liegt zwar im Abgeordnetenhaus, aber keine ihrer Varianten sieht eine Gebührenerhebung vor. Darum glaube ich, dass wir davon in den nächsten zwei Jahren nichts hören werden.“

Autor: Daniela Honigmann | Quelle: Český rozhlas Plus
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