Hasskampagne im Wahlkampf? Tschechische Polizei plant Strafverfolgung von Parteichef Okamura

Tomio Okamura

Tomio Okamura, Chef der zweitstärksten Oppositionskraft in Tschechien, soll seine Immunität als Abgeordneter verlieren. Ihm droht die Strafverfolgung für eine Wahlkampfkampagne, mit der seine Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) vergangenen Sommer aufgetreten ist.

Quelle: SPD

Ein Mann mit dunkler Hautfarbe, der ein blutiges Messer in der Hand hält, oder ein Roma-Junge mit Zigarette im Mund – diese Motive hingen vergangenen August einige Stunden lang in großem Format auf dem Prager Wenzelsplatz. Mit diesem Wahlkampfauftritt rief die tschechische Rechtsaußenpartei SPD augenblicklich ein großes Medienecho hervor – und kassierte mehrere Anzeigen wegen Aufstachelung zum Hass gegen eine Bevölkerungsgruppe.

Die Polizisten der Prager Abteilung für Extremismus und Terrorismus haben deshalb am Dienstag beim Abgeordnetenhaus die Aufhebung der Immunität von Tomio Okamura beantragt. Der SPD-Chef verteidigte die Kampagne vor der Presse hingegen als Allegorie auf die Migrationspolitik der EU:

„Die Regierungskoalition versucht, sich verzweifelt an der Macht zu halten. Darum ist sie nun dazu übergegangen, die Opposition für ihre Meinungen zu kriminalisieren. Ich soll dafür kriminalisiert werden, dass ich auf den Plakaten auf die Spuren des EU-Migrationspaktes hinweise. Der Versuch, mich mundtot zu machen, ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit.“

Tomio Okamura | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Anzeige gegen die SPD sowie gegen Okamura hatte unmittelbar nach dem Wahlkampfauftritt im August die NGO Romea erstattet. Eine weitere stammt vom ehemaligen Justizminister und heutigen stellvertretenden Oberbürgermeister Prags, Jiří Pospíšil (Top 09). Im Falle einer Anklage könnten Okamura bis zu drei Jahre Haft drohen.

Mehrere Abgeordnete kündigten bereits am Dienstag an, für die Aufhebung der Immunität Okamuras stimmen und so die Strafermittlungen ermöglichen zu wollen. Auf diese Weise äußerte sich etwa Marian Jurečka (Christdemokraten), Minister für Arbeit und Soziales, im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT). Ebenso schrieb Gesundheitsminister Vlastimíl Válek (Top 09) auf X, er werde den Antrag „ganz sicher“ unterstützen. Und auch Olga Richterová von der oppositionellen Piratenpartei erklärte an gleicher Stelle, sie sei dafür, Okamura den Ermittlern zu übergeben.

Dem gegenüber hält sich die Regierungspartei Stan mit einer Festlegung noch zurück. Fraktionsvorsitzender Josef Cogan sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks, man warte die Stellungnahme des Immunitätsausschusses ab:

Tomio Okamura | Foto: ČT24

„Ohne diese wäre eine Entscheidung verfrüht, auch wenn wir uns mit den Unterlagen der Strafverfolgungsorgane vertraut gemacht haben. Meist halten sich die Abgeordneten an die Empfehlung des Immunitätsausschusses. Man muss sich aber bewusst machen, dass auch ein solcher politischer Abgrund größten Kalibers noch nicht bedeuten muss, dass sich daraus eine strafrechtliche Verantwortung ergibt.“

Einen ähnlichen Einwand bringt Radek Vondráček vor, Vizevorsitzender der größten Oppositionspartei Ano:

„Die Wahlkampagne hat uns allgemein nicht gefallen. Ich denke, sie war einfach dumm und geschmacklos. Aber damit wird ja noch keine Straftat begangen.“

Wie die Ano-Fraktion bezüglich der Immunität Okamuras abstimmen werde, sei noch nicht klar, fügte Vondráček hinzu. Dazu werde sich seine Partei in der kommenden Woche beraten, so die Ankündigung.

Aus den Reihen der regierenden Bürgerdemokraten kommen ebenfalls Stimmen, dass polizeiliche Ermittlungen keine angemessene Reaktion auf die Plakatkampagne der SPD seien. Fraktionsvorsitzender Jan Skopeček ruft vielmehr dazu auf, die Diskussion auf gesellschaftlicher Ebene zu führen:

Jan Skopeček | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Ich bin kein Anhänger davon, eine politische Kampagne anzuklagen – auch wenn ich den Wahlkampf der SPD geschmacklos und unethisch fand. Ich habe aber das Gefühl, dass dies von uns Politikern oder auch den Journalisten gesagt werden muss. Und am Ende muss der Wähler darüber entscheiden und die SPD eventuell dafür bestrafen. Dieses Gefecht sollte aber nicht auf eine strafrechtliche Ebene gehoben werden.“

Der Immunitätsausschuss des tschechischen Abgeordnetenhauses wird den Antrag der Prager Polizei Anfang Februar in einer nicht-öffentlichen Sitzung verhandeln. Die Abstimmung im Plenum soll dann im März stattfinden.

Autoren: Daniela Honigmann , Adéla Burešová | Quelle: Český rohlas
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