Handball-WM: Tschechien will in „europäischer Gruppe“ mit Deutschland und der Schweiz bestehen
An diesem Dienstag startet die Handball-WM. Bis Anfang Februar kämpfen 32 Teams aus der ganzen Welt um den Titel. Tschechien hat das Los dabei in eine Gruppe mit Deutschland und der Schweiz gebracht. Welche Chancen man sich ausrechnet und alles weitere rund um das tschechische Handball-Nationalteam, dazu im Folgenden mehr.
Es ist das erste Mal seit zehn Jahren, dass die tschechischen Handballer wieder bei einer Weltmeisterschaft dabei sind. Am Mittwoch geht es für das Team des spanischen Trainers Xavier Sabaté los – und zwar mit dem Spiel gegen die Schweiz. Die Tschechen haben eine sehr schwere Gruppe erwischt. Das sieht auch der Präsident des tschechischen Handballverbandes (Český svaz házené), Ondřej Zdráhala, so.
„Deutschland, Polen, Tschechien und die Schweiz – eine europäische Gruppe bei der Weltmeisterschaft. Da gibt es keinen Outsider“, sagte der frühere Rückraumspieler in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
Und wer wenn nicht Zdráhala dürfte dies wissen, schließlich hat er bei Vereinen aller drei Gegner gespielt, etwa beim TV Großwallstadt in der deutschen Bundesliga, bei St. Gallen in der Schweiz oder bei Wisła Płock in Polen.
Die Partien dieser WM-Gruppe A finden im dänischen Herning statt. Bei der Begegnung der Tschechen mit der Schweiz steht bereits viel auf dem Spiel, wenn man am Ende nicht den schwarzen Peter in der Hand halten möchte und als einziges der vier Teams nicht in die Hauptrunde einzieht.
„Es wird in der Begegnung um die Tagesform gehen. Auch die Schweizer haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Sie werden von Andy Schmid trainiert, ehemals einer der besten Rückraumspieler der Welt. Zwar ist ihr bester Schütze, Manuel Zehnder, verletzt. Aber auch wir haben mit Matěj Klíma einen wichtigen Rückraumspieler durch Verletzung verloren. Die Schweiz ist über eine Wildcard zur WM gekommen, deswegen gilt sie dem Papier nach als das schwächste Team. Wie es aber wirklich sein wird, ist schwer zu sagen“, verrät Zdráhala.
In den weiteren Partien trifft Tschechien am Freitag auf Polen und zum Abschluss der Vorrunde am Sonntag auf Deutschland.
Erste WM für Torhüter Mrkva
Für Tschechien ist es das zweite große Turnier innerhalb von zwölf Monaten. Anfang vergangenen Jahres nahm man bereits an der EM in Deutschland teil. Dort gelang der Einzug in die Hauptrunde allerdings nicht, weil das Team nur Griechenland besiegen konnte, aber gegen Portugal knapp verlor. Dabei hatten sich Sabaté und seine Jungs mehr ausgerechnet.
Umso größer war die Freude, als im Mai dann die Qualifikation zur Weltmeisterschaft klappte. Nach einer knappen Auswärtsniederlage im Hinspiel des Playoff-Finales in Rumänien gelang im Rückspiel ein überzeugender 29:20-Sieg gegen die Mannschaft aus Südosteuropa. Selbst für Torhüter und Mannschaftskapitän Tomáš Mrkva vom THW Kiel bedeutet dies mit 35 Jahren die erste WM-Teilnahme seiner Karriere. Nach der Begegnung gegen Rumänien in der ausverkauften Halle in Brno / Brünn sagte er:
„Das ist super. Ich bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Wenn wir uns weiterentwickeln wollen, dann müssen wir bei diesen großen Turnieren wie der EM und der WM antreten. Und um uns den Spitzenteams in Europa oder der Welt anzunähern, müssen wir dort auch Ergebnisse einfahren.“
Zuletzt spielte Tschechien im Jahr 2015 bei der Weltmeisterschaft in Katar. Damals war noch Filip Jícha der Star des Teams. Dennoch konnte man nur Algerien und Island schlagen und verpasste den Einzug ins Achtelfinale. Letztlich landete das Team auf Platz 17.
Bei der anstehenden WM, die außer in Dänemark noch in Norwegen und Kroatien ausgetragen wird, müssen die Tschechen jedoch auf einige wichtige Spieler verzichten. Am schmerzlichsten dürfte wohl sein, dass der erwähnte Torjäger Matěj Klíma vom SC DHfK Leipzig fehlt. Der 25-Jährige verletzte sich Ende Oktober schwer am Knie und fehlt nicht nur dem Bundesliga-Klub, sondern auch der Nationalmannschaft für den Rest der Saison. Ebenso nicht dabei sind die Brüder Jonáš und Vojtěch Patzel vom tschechischen Spitzenverein HCB Karviná. Und auch weitere wichtige Spieler waren zuletzt angeschlagen. Doch Verbandspräsident Zdráhala lässt dies nicht gelten als Vorwand, um etwa die WM-Ziele herunterzustufen:
„Natürlich gibt es gewisse Komplikationen, aber mit denen müssen alle Mannschaften kämpfen. Das gehört eben zum Sport. Ich bin überzeugt, dass jene unserer Spieler, die jetzt noch etwas angeschlagen sind, sich rechtzeitig erholen und am Mittwoch zum WM-Auftakt einhundert Prozent einsatzfähig sein werden.“
In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft bestritt Tschechien zwei Testspiele, und zwar vergangene Woche bei einem Turnier in Straßburg. Zunächst unterlagen die Jungs von Trainer Sabaté mit 28:37 der französischen Heimmannschaft. Dann gab es noch ein knappe 31:32-Niederlage gegen Portugal. Außer den Dauerverletzten fehlten in beiden Begegnungen auch die beiden Rückraumspieler Tomáš Babák vom Bundesligaabsteiger Bergischer HC und Dominik Solák vom HCB Karviná. Ondřej Zdráhala bekennt, dass nicht so ganz klar sei, in welcher Form sich das tschechische Team aktuell befinde…
„Ich denke, das wird sich erst bei der WM zeigen. Im vergangenen Jahr konnten wir im Vorfeld der Europameisterschaft die Ungarn schlagen, die dann Fünfte bei der EM wurden. Aber dann haben wir beim Turnier die Vorrunde nicht überstanden. Jetzt hatten wir das schwere Testspiel gegen die Franzosen, die meiner Ansicht nach neben den Titelverteidigern aus Dänemark die WM-Favoriten sind. Dann noch Portugal, das uns schon bei der EM in Deutschland besiegt hat – gegen sie haben wir auch ohne Dominik Solák und Tomáš Babák aber eine hervorragende Leistung gezeigt. Dabei haben sich vor allem die jungen Talente in sehr gutem Licht präsentiert“, erläutert der Verbandschef.
Tomáš Mrkva sagte nach den beiden Testpartien, dass die Schweiz und Polen sicher zu schlagen sein dürften. Genau gleich klingen aber auch die Vorberichte bei den Eidgenossen, von daher dürfte wohl wirklich die Tagesform entscheiden.
Angekündigter Wechsel auf der Trainerbank
Rund um das tschechische Team gibt es allerdings auch ein wenig Unruhe angesichts eines Wechsels an der Spitze. Trainer Xavier Sabaté hört nach der WM auf, er will sich danach voll auf seine Aufgabe bei Wisła Płock konzentrieren, mit dem Verein wurde er im vergangenen Jahr polnischer Meister.
Den Job des tschechischen Nationaltrainers werden sich künftig zwei Ex-Profis teilen: Michal Brůna sowie Daniel Kubeš, früherer langjähriger Bundesligaspieler, unter anderem bei Lemgo und Kiel. Doch Verbandspräsident Zdráhala widerspricht der Annahme, dass dies Unruhe auslöse:
„Ich würde sagen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Denn die Ablösung ist weit im Voraus angedacht gewesen. Mit Xavier Sabaté haben wir nach dem Auslaufen des vergangenen Vertrags nur einen Kontrakt über ein halbes Jahr unterzeichnet. Wir wussten also, dass wir diese sechs Monate haben, um eine ideale Variante für einen Ersatz auf dem Trainerposten des tschechischen Teams zu finden. Und wir haben den Wechsel schon vor der WM bekannt gemacht, weil sonst während des Turniers sicher Spekulationen aufgekommen wären. Aber die Lage ist nun klar. Deswegen denke ich, dass keine turbulente Phase ansteht, sondern eine Zeit der Stabilität.“
Das Ende der Zusammenarbeit mit Sabaté beruhe auf einer gemeinsamen Übereinkunft, ergänzt Zdráhala. 2022 hatte der spanische Trainer das tschechische Team übernommen. Und er war laut dem Verbandspräsidenten in grundlegenden Dingen erfolgreich:
„Xavier Sabaté hat das erfüllt, was wir von ihm erwartet haben in Bezug auf das Heranführen junger Spieler und ihre Integration ins Nationalteam. Die Mannschaft hat ein neues Gesicht bekommen. Wir wollten zudem aber bessere Ergebnisse, immerhin konnten wir uns nach zehn Jahren wieder für die WM qualifizieren. Wir stehen jetzt kurz vor dem Start des Turniers und sind überzeugt, dass die Jungs guten Handball zeigen werden. Ich finde, dass mit Michal Brůna ein sehr guter Trainer in Tschechien herangereift ist, der in Karviná tolle Arbeit leistet. Und Daniel Kubeš hat die Nationalmannschaft bereits zusammen mit Filip Jícha angeleitet, ich habe sogar unter ihm gespielt. Er ist ebenfalls ein erfahrener Trainer. Deswegen denke ich, dass dies das Team weiterbringen und ihm einen neuen Impuls geben wird.“
Doch am Mittwoch erst einmal der Start in die WM. Das Spiel gegen die Schweiz in Herning wird um 18 Uhr angepfiffen. Die anderen beiden Vorrunden-Begegnungen bestreitet Tschechien im Übrigen zur selben Uhrzeit.