Nationales Filmarchiv startet Youtube-Kanal mit Klassikern des tschechoslowakischen Kinos
Insgesamt 24 Filme sind es bereits, den der neue Youtube-Kanal des Nationalen Filmarchivs in Tschechien bietet. Das Projekt wurde vor etwas mehr als einem Monat gestartet. Alle Streifen sind dabei auch im Ausland und teils mit englischen Untertiteln zu sehen.
Das witzige Musical „Kouř“ (Rauch) von Regisseur Tomáš Vorel war der erste Film, den man dort streamen konnte. Mit dem Werk aus dem Wendejahr 1990 startete das Nationale Filmarchiv in Prag (Národní filmový archiv) in der ersten Dezemberhälfte einen neuen Youtube-Kanal. Auf diesem sind Klassiker des tschechoslowakischen Kinos zu sehen – allerdings solche, die ansonsten praktisch nicht gezeigt werden. Michal Bregant ist Generaldirektor des Filmarchivs und erläuterte in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die Idee hinter dem Youtube-Kanal ist, dass wir relativ viele tschechoslowakische Spielfilme im Archiv haben, die von den Anbietern nicht beachtet werden, obwohl sie bei den Zuschauern gefragt sind. Das heißt, weder das Fernsehen noch Video-On-Demand-Dienste kaufen sie bei uns und lizensieren sie. Wir wollen jedoch ermöglichen, diese Kinoklassiker zu sehen.“
Der Kanal heißt „Filmová klasika“. Derzeit stehen dort 24 Filme zur Auswahl. Doch die Zahl werde sich wöchentlich um zwei erhöhen, sagt der Filmkritiker Martin Šrajer, der für die Website des Filmarchivs arbeitet und unter anderem ausführliche Begleitexte zu den jeweiligen Veröffentlichungen schreibt:
„Jeden Dienstag und Freitag kommt ein weiterer Streifen hinzu. Bisher sind es nur Spielfilme. Künftig sollen es aber auch Kurzfilme, Dokus und animierte Filme sein. Es handelt sich um Werke vom Beginn des Kinos bis 1990, bevor die damalige staatliche Filmorganisation privatisiert wurde. Derzeit haben wir noch keine Stummfilme hineingestellt, aber auch das ist geplant. Wichtig ist, dass das Nationale Filmarchiv die Rechte für all diese Kinoproduktionen hat. Es handelt sich um mehrere hundert Titel.“
Komiker Burian und Regisseur Forman
Von Schwarz-Weiß-Filmen aus der ersten Hälfte der 1930er Jahre, wie etwa der Komödie „Hrdinný kapitán Korkorán“ (Der heldenhafte Kapitän Korkorán) mit Vlasta Burian, reicht das Angebot über mehrere Epochen des tschechoslowakischen Films.
Selbst Hollywood-Regisseur Miloš Forman ist mit einem Frühwerk vertreten, dem halbdokumentarischen Streifen „Konkurs“ (Wettbewerb) von 1963. In diesem geht es um das Vorsprechen beziehungsweise Vorsingen am Theater Semafor in Prag. Weil die Produktion zu lang für einen Kurzfilm und zu kurz für einen Spielfilm war, drehte Forman noch das gut halbstündige „Kdyby ty muziky nebyly“ (Wenn’s keine Musikanten gäbe), das dem eigentlichen Film vorangestellt wurde.
Aber auch Produktionen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit finden sich in der Auswahl. So etwa „Bílá tma“ (Weißes Dunkel), ein Kriegsdrama von 1948 um den tschechoslowakischen Widerstand gegen die Wehrmacht. Regisseur František Čáp hat die Handlung auf tatsächlichen Berichte von Partisanen aufgebaut, die nach ihrem Rückzug in die Berge während des slowakischen Nationalaufstandes abgeschnitten waren von den anderen Einheiten.
Dieser Film hat beispielsweise englische Untertitel. Und weitere bereits veröffentlichte Streifen, die bisher nur im tschechischen oder slowakischen Originalton aufgerufen werden können, sollen ebenfalls noch für ein internationales Publikum aufbereitet werden. Denn der Filmarchiv-Generaldirektor betont, dass man nicht nur die muttersprachlichen Kinofreunde ansprechen wolle…
„Unser Youtube-Kanal hat kein Geoblocking. Das heißt, dass man ihn von überall her aufrufen kann. Wir haben schon eine Weltkarte erstellt, woher unsere Abonnenten und Besucher kommen. Nur in Zentralafrika gibt es einen größeren weißen Fleck, ansonsten spannt sich das um den ganzen Globus“, so Michal Bregant.
Wer auf Youtube nach dem Kanal sucht, wird schnell feststellen, dass noch ein weiteres Produkt mit verwirrend ähnlichem Namen existiert. Es heißt „Česká filmová klasika“. Denn es gab schon einmal einen Anlauf, Werke aus dem Filmarchiv einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu der Filmkritiker Pavel Sladký:
„Ab 2019 arbeitete das Nationale Filmarchiv dafür mit einer Privatfirma zusammen. Diese hatte jedoch alle operativen Rechte an dem Youtube-Kanal, sodass das Archiv zwar die Filme lieferte, aber keine weitere Kontrolle besaß und auch kein Geld aus den Werbeeinnahmen sah. Die Filme sind nämlich mit Werbung durchsetzt. Mich hat damals unter anderem irritiert, dass Kinoproduktionen für Kinder sogar Reklame enthielten, die meiner Ansicht nach nicht jugendfrei war.“
Mit dem Start des neuen Projekts entzog sich das Filmarchiv diesem Problem, ohne dass jedoch der alte Kanal verschwunden ist.
Neu restaurierte Werke
Grundlage für die „Filmová klasika“ ist das Restaurieren alter Filme. Es ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Archivs. Dafür ist unter anderem Tereza Frodlová zuständig. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schilderte sie vor kurzem anhand eines Beispiels, wie dabei vorgegangen wird. Es geht um den ersten tschechischsprachigen Farbfilm, das Historiendrama „Jan Roháč z Dubé“ („Warriors of Faith“) von 1947. Dieses konnte damals nur deswegen entstehen, weil man amerikanisches Filmmaterial von den Deutschen beschlagnahmt hatte. Das Filmarchiv hat vor kurzem fünf unterschiedliche Versionen des Streifens digitalisiert. Bei diesen handelt es sich um das Original-Negativ des Films und zwei Zelluloid-Bänder sowie zwei Kopien, die in Originallänge sind, aber starke Farbfehler aufweisen. Das heißt, jede Version hat irgendeine Unzulänglichkeit. Deswegen bringt Restauratorin Frodlová alle am Computer so in Übereinstimmung, dass sie jeweils das Beste für die restaurierte Version zur Verfügung hat:
„Was hier zu sehen ist, entspricht dem Zustand vor den Farbkorrekturen, die zum Schluss dann noch vorgenommen werden. Der aufmerksame Betrachter wird sehen, dass plötzlich drei schwarze Flecken verschwinden. Denn die Szenen fanden sich auf den zwei Kopien, wurden aber aus dem Originalband von 1947 herausgeschnitten.“
So können die Besucher des Youtube-Kanals alle Filme in der gleichen Form sehen, wie die Kinobesucher von damals. Und das zudem in ungekannter Qualität, wie Michal Bregant betont…
„Sie werden immer in der höchsten Qualität sein, über die das Archiv verfügt. So bieten wir ‚Kouř‘ von Tomáš Vorel als 4K-Remaster an. Das heißt, es hängt nur davon ab, wie gut die Internetverbindung der Nutzer ist. Von uns aus gibt es alles in 4K oder HD, also in Formaten von hoher Qualität, die auch in Kinos auf großer Leinwand gezeigt werden können.“
Was bisher auf dem Kanal selbst noch fehlt, sind weiterführende Informationen zu den einzelnen Filmen. Doch Martin Šrajer denkt, dass dies in nächster Zeit nachgeholt werde.
Immerhin ist die wirklich positive Nachricht, dass das Angebot einfach weiter wachsen wird. So sagt Bregant:
„Was wir derzeit auf ‚Filmová klasika‘ veröffentlichen, wird dort auch bleiben. Es werden also einfach immer mehr Filme. Natürlich kann ich nichts garantieren, denn irgendetwas kann immer passieren. Aber wir tun alles dafür, dass unsere Veröffentlichungen so lange auf dem Kanal bleiben, wie dieser besteht. Maximal, dass irgendwelche Unklarheiten um die Autorenrechte entstehen könnten, doch dazu ist es bisher nicht gekommen.“
Bekanntere Klassiker des tschechoslowakischen Kinos zeigt das Nationale Filmarchiv im Übrigen in seinem eigenen Lichtspielhaus im Prager Stadtzentrum. Es ist das Kino Ponrepo. In dessen Programm neu aufgenommen wurde zum Beispiel die restaurierte Version von „Kalamita“ (Die Kalamität), einem gesellschaftskritischen Werk von Věra Chytilová aus dem Jahr 1981. Die Regisseurin war beim kommunistischen Regime nicht sonderlich wohlgelitten. Dennoch gelang es ihr, mit Beharrlichkeit die Zensur in einigen wichtigen Punkten zu umgehen. Hervorragend ist in dem Streifen auch die Musik, sie stammt vom Jazztrompeter Laco Deczi.