„Nur eine Frage der Zeit“ – Politologe Schuster zur Entlassung von Polizeipräsident Lessy

Petr Lessy (Foto: Archiv der Armee der Tschechischen Republik)

Das Amt des Polizeipräsidenten gleicht einem Schleudersitz. Praktisch jede neue Regierung versucht einen eigenen Mann auf diesen wichtigen Posten zu hieven. Meist wird das etwas verharmlosend damit begründet, man wolle so die Arbeit der Polizei effizienter gestalten und ihre Unabhängigkeit sichern. Polizeipräsident Petr Lessy hatte genau diese Vorgaben versucht umzusetzen. Nach nur anderthalb Jahren wurde er aber vergangene Woche überraschend entlassen. Dennoch ist diesmal etwas anders. Wurde die Abberufung von Lessys Vorgänger, Oldřich Martinů, noch von schweren Konflikten in der Regierungskoalition begleitet, ging es diesmal verhältnismäßig ruhig zu. Über den Wechsel an der Spitze der tschechischen Polizei ein Gespräch mit unserem Mitarbeiter, dem Politikwissenschaftler Robert Schuster.

Petr Lessy  (Foto: Archiv der Armee der Tschechischen Republik)
Robert, die Entlassung von Polizeipräsident Petr Lessy kam ziemlich schnell, wenn auch nicht überraschend. Warum hat es diesmal keinen ähnlichen Konflikt innerhalb der Regierung gegeben, wie beim letzten Mal? Heißt das, dass zum Schluss alle froh waren, dass sie Lessy losgeworden sind?

„Es stimmt, dass diesmal alles sehr schnell ging im Vergleich zu der Entlassung des vorherigen Polizeipräsidenten. Damals hatte dies zu einem Konflikt in der Regierung geführt. Der Grund für den ruhigen Verlauf bei Lessy ist, dass Innenminister Jan Kubice ihm vorwirft, seine Dienstpflicht verletzt zu haben. Das lässt sich anhand konkreter Paragraphen oder Vorschriften beurteilen. Es existiert also ein konkreter Vorwurf an den Polizeipräsidenten. Das Problem ist nur: Lessy musste nicht nur von seinem Amt als Polizeipräsident zurücktreten, sondern wurde ganz aus dem Polizeidienst entlassen. Das ist für ihn als Polizisten ein schwerer Moment. Und Lessy hat angekündigt, gegen die Entscheidung von Innenminister Kubice in Berufung zu gehen. Sollte Lessy Recht bekommen, besteht die Gefahr, dass er wieder in sein Amt zurückkehrt. Dann hätte die tschechische Polizei plötzlich zwei Präsidenten. Das klingt zwar absurd, aber einige ähnliche Fälle hat es in Tschechien bereits gegeben. Zur Frage der fehlenden Unterstützung durch die Politiker: Es mag sein, dass Petr Lessy von vielen Politikern der derzeitigen bürgerlichen Regierungskoalition als eine Art Erfindung der Partei der öffentlichen Angelegenheiten angesehen wurde. Die Partei hatte sich nach den Wahlen für anderthalb Jahre an der Regierung beteiligt und ist im April aber in die Opposition gegangen. So lange die Partei an der Regierung beteiligt war, hielt sie praktisch ihre schützende Hand über Lessy. Nun ist diese politische Protektion verschwunden. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis Lessy entlassen würde.“

Jan Kubice  (Foto: ČTK)
Was bleibt von Lessys Arbeit übrig? Welche Bilanz hinterlässt er?

„Er war ja nur relativ kurze Zeit im Amt: anderthalb Jahre. Aber herausstreichen lässt sich sicher, dass unter Lessy versucht wurde, in wichtigen Fällen der Korruption – in die auch Politiker verwickelt waren – bis zu Ende zu ermitteln. Er war dabei wirklich bemüht, die Unabhängigkeit der Polizei zu verteidigen. Er hat deswegen auch Konflikte riskiert, nicht nur mit seinem direkten Vorgesetzten, Innenminister Kubice, sondern auch mit dem einflussreichen Finanzminister Miroslav Kalousek. Beide haben sich in den vergangenen Woche und Monaten sehr befehdet. Seine unabhängige Haltung wird Lessy vielleicht später noch einmal hoch angerechnet werden.“

Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Ermittlungen in den wichtigen Korruptionsfällen nun unter der Ägide des neuen Polizeipräsidenten behindert werden könnten?

„Sollte es wirklich zu Behinderungen kommen, dann geschieht das nicht vom einen auf den anderen Tag. Das würde eher allmählich kommen. Zum Beispiel wenn im Herbst - wie alle Jahre wieder - über den Staatshaushalt verhandelt wird. Dann würde es reichen, wenn der Innenminister für die Polizei etwas weniger Geld vorschlägt. Der Minister könnte vielleicht vom Polizeipräsidenten verlangen, einige Elite-Einheiten zusammenzulegen. Das wäre bereits ein Versuch indirekter Einflussnahme auf die Ermittlungsarbeiten in politisch brisanten Fällen. Die Gefahr der Einflussnahme besteht leider nach wie vor hierzulande. Von Tschechien kann man noch nicht sagen, dass die Polizei als Einheit wirklich unabhängig sei und unabhängig ermittele, egal ob die Rechten oder die Linken regieren.“

Martin Červíček
Der scheidende Polizeipräsident Petr Lessy hatte große Unterstützung an der Polizeibasis. Kann das für den neuen Mann an der Spitze des Polizeikorps nicht zu einem Problem werden?

„Das stimmt. Lessy hatte in der Zeit, als er mit Innenminister Kubice und Finanzminister Kalousek die größten Konflikte ausfocht, großen Rückhalt bei seinen Untergebenen. Es gab eine Unterschriftensammlung, bei der Tausende Polizisten eine Unterstützungserklärung abgegeben haben. Sie wollten, dass Lessy weiter Polizeipräsident bleibt, weil er die Unabhängigkeit des Polizeikorps garantiere. Von daher kann es für den neuen Polizeipräsidenten schon schwierig werden. Auf der anderen Seite ist auch Martin Červíček, der nun die Polizei führen soll, kein Unbekannter. Er hat sich hochgearbeitet von einem einfachen Polizisten, über die Leitung der Prager Polizei, bis in die Führungsebene des Polizeipräsidiums. Auch er wird also, wenn er geschickt vorgeht, Konflikten mit der Basis ausweichen und sich mit den Polizeigewerkschaften arrangieren können.“