Nur Vorurteile und Stereotype? Minderheiten und Medien in Tschechien
Sie sind seit Jahrhundert hier, oder sind erst vor wenigen Jahrzehnten angekommen – die ethnischen Minderheiten in Tschechien. Rund acht anerkannte Minoritäten leben Von Aš bis Zlín, unter ihnen Slowaken, Deutsche, Roma und Vietnamesen. Das Verhältnis zu den Minderheiten ist in Tschechien ambivalent. Meist ist gut, aber durch die Geschichte hindurch gab es auch Spannungen. Die Medien sind dabei ein Instrument, wie die Minderheiten auf sich aufmerksam machen, sich aber auch selbst definieren können.
Jeden Samstagnachmittag begrüßen so die Kollegen der Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks die zahlreichen Minderheiten im Land. An sie richtet sich nämlich das Programm der Sendung „Mezi námi“ / „Unter uns“. Die Sendereihe deckt dabei die Minderheiten ab, die kein eigenes Programm in den regelmäßigen Rundfunksendungen haben. Die Zahl dieser ist nicht näher bestimmt, es finden sich Stimmen von Ex-Jugoslawen, Russen, Vietnamesen und vielen anderen wieder. Unterschieden wird dabei nicht, ob autochthon oder erst vor kurzem zugereist.
Der Rundfunk spricht in vielen Sprachen
Vier Minderheiten in Tschechien räumt der Tschechische Rundfunk sogar ganz eigenen Senderraum ein. Es sind die Slowaken, Deutschen, Polen und Roma. Minderheiten also, die zahlenmäßig stark vertreten sind oder eine besondere historische Bedeutung haben. Für das Programm sind jeweils die Regionen zuständig, in denen die Minderheiten leben. So produzieren der Tschechische Rundfunk Nord und Karlsbad die Sendung „Sousede / Nachbarn“ für die Deutschen. Das Studio in Ostrava / Ostrau macht wiederum die Sendung „Wydarzenia“ für die in der Region ansässigen Polen. „O Romano vakaren“ für die Roma und „Stretnutie“ für die Slowaken entstehen in den Hauptstadtstudios in Prag, das dabei aber mit den Regionen eng zusammenarbeitet. Doch nicht nur der Tschechische Rundfunk kümmert sich um die Minderheiten. Auch das Tschechische Fernsehen bezieht die zahlreichen Volksgruppen mit in sein Programm ein. Marta Růžičková bereitet dort das Magazin „Babylon“ vor, das sich mit Themen rund um die Minderheiten aber auch Migranten beschäftigt. Es sei ein langer Kampf gewesen, bis das Programm überhaupt in der Form starten konnte, meinte sie erst jüngst in einer Diskussionsrunde. Diese wurde von der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien zum Thema Minderheiten und Medien organisiert. Dennoch sei es aber wichtig, das Thema auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so Růžičková:„Als ich aufwuchs, und das in Mähren, um genau zu sein, sah man immer die Bulgaren und Griechen auf dem Wochenmarkt. Dort boten sie ihre frischen Waren an. Sonst redete man aber nie über die Minderheiten damals. Kein Mensch sprach von der polnischen oder deutschen Bevölkerung in Tschechien. Einzig über die Roma redete man, das war schon ab dem Jahr 1987 eine Art Modethema.“Tschechien ist nicht nur einfarbig
Man müsse den Tschechen zeigen, dass sie eben keine einfarbige Gesellschaft seien. Allein im böhmischen Kessel sei die Bevölkerung so durchmischt, dass man auch jetzt neuen Elementen mit offenen Augen begegnen sollte, meint Růžičková.Doch kommen die Minderheiten nicht nur in den Medien der tschechischen Mehrheitsbevölkerung zu Wort. Sie geben sich auch selbst eine Stimme und veröffentlichen eine Reihe von Publikationen in ihrer jeweiligen Sprache und zu ihren jeweiligen Themen. Ein Beispiel ist das Magazin „Landesecho“ der deutschen Minderheit in Böhmen, Mähren und Schlesien. Alexandra Mostýn ist Chefredakteurin des Blattes. Radio Prag hat mit ihr gesprochen:
Frau Mostýn, was ist denn das „Landesecho“ eigentlich, ein deutsches oder ein Tschechisches Medium?
„Wir sind ein deutschsprachiges Medium in Tschechien. Wir schreiben zwar auf Deutsch, behandeln aber tschechische Themen.“Kommt das „Landesecho“ auch tatsächlich an bei der deutschen Minderheit, ist es für die Menschen wirklich relevant?
„das Problem dabei ist die Frage: Wer ist überhaupt die deutsche Minderheit. Unter den Verbänden, die in der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien organisiert sind, kommt das Landesecho schon an. Ob es beliebt ist, weiß ich nicht – es wird ja auch mal gerne kritisiert. Es gibt aber auch viele positive Reaktionen, besonders auf einzelne Artikel. Die Menschen in den einzelnen Verbänden sehen das ‚Landesecho‘ auch immer mehr als etwas Eigenes. Ich würde mich freuen, wenn noch mehr direkt aus der Minderheit kommen würde.“
Europa wächst immer mehr zusammen und die Themen sind sich immer ähnlicher. Auch der Zugang zu deutschen und österreichischen Medien ist immer einfacher, vor allem über das Internet. Braucht man so etwas wie das „Landesecho “ dann noch als deutschsprachiges Medium aus Tschechien?„Die Frage ist ja, wie relevant sind ein tschechisches Medium oder Tschechien überhaupt in Deutschland oder Österreich. Auch wenn da historisch gesehen bestimmt etwas mehr. Wir sind ja eine Verbandszeitung und unser Ziel ist es vor allem, interessante Berichte zu schreiben. Auch wollen wir für diejenigen etwas Erfüllendes zu bieten, die sich für das deutsch-tschechische Verhältnis interessieren.“
Nur Stereotype? Bild der Minderheiten im Wandel
Doch die Medien haben auch eine andere Seite. Durch sie wird nämlich auch ein Bild der Minderheiten für die Mehrheitsgesellschaft gezeichnet. Der Soziologe Jan Prokop ist Analytiker beim Median Institut in Prag. Er hat sich mit der Frage beschäftigt, wie Minderheiten in den Medien gezeigt und wie sie schließlich vom Durchschnittstschechen gesehen werden. Auch er hat an der Diskussionsrunde des Landesverbands der Deutschen teilgenommen:„Allgemein ändert sich das Verhältnis gegenüber den Minderheiten und Migranten nicht so sehr. Was aber zu beobachten ist: Das Verhältnis zu einzelnen ethnischen Gruppen schwankt umso deutlicher. Zum Beispiel stehen die Tschechen der vietnamesischen Minderheit heute viel positiver gegenüber, wie Studien aus den vergangenen fünf Jahren zeigen. Auf der anderen Seite, wie bei den Russen oder der sehr kleinen arabischen Community hier, hat sich die Wahrnehmung auch verschlechtert. Genau das geht mit dem Bild zusammen, wie es von den Medien über die betreffende Minderheit produziert wird. Und natürlich, welche Stereotype bedient werden.“
Fatima Rahimi kann gerade davon ein Lied singen, vor allem bei der derzeitigen Weltlage. Sie ist gebürtige Afghanin und Muslima und ist zur Jahrtausendwende als Asylbewerberin nach Tschechien gekommen. Heute arbeitet sie als Journalistin beim Brünner Internetmagazin Referendum:„Wenn ich, als ich gerade nach Tschechien gekommen war, jemandem gesagt habe, dass ich aus Afghanistan bin, wusste niemand recht, wo das ist. Viele haben dann geraten, ob das nun in Südamerika oder Nordafrika sei. Dann kam das Umbruchjahr 2001 – auf einmal wusste jeder, wo Afghanistan liegt. Jeder aber, der hierherkam, war entweder mit Osama bin Laden verwandt oder gleich selbst Terrorist. Schließlich befinden wir uns jetzt mitten in der Flüchtlingskrise. Die größte Gruppe sind natürlich die Syrer, gleich an zweiter Stelle flüchten aber die Afghanen nach Europa.“
Laut Rahimi sollte in den Medien stärker negativen Reaktionen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen entgegengewirkt werden. Über positive Seiten sollte mehr geschrieben werden, so die Journalistin. Es gebe ja immer wieder gute Beispiele und auch eine Entwicklung in die richtige Richtung zum Beispiel in Afghanistan. Doch gibt Rahimi zu, dass es keine Garantie für eine bessere Wahrnehmung bestimmter Minderheiten gibt. In der momentan so verfahrenen Situation würden gute Nachrichten oft als positive Propaganda und Demagogie abgetan.