Unlesbare Ausländer

In der heutigen Ausgabe des Medienmagazins stellt ihnen Dagmar Keberlova eine Publikation des Multikulturellen Zentrums in Prag dar, die sich mit einem brennenden medialen Thema auseinandersetzt.

Medien bilden die öffentliche Meinung in der Gesellschaft, daran gibt es wenig "zu rütteln". Je nach Medium und seinem Empfänger ist der Einfluss stärker oder schwächer, nichtsdestotrotz sind die Medien für die meisten Menschen die Hauptquelle für Informationen. So kann oft ein einseitiges Bild über ein Thema entstehen, wenn Medien dazu tendieren, ein Problem nicht aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Das ist bei den Ausländern Fall. Ausländer sind ein schwieriges Thema für die Medien nicht nur in Tschechien. Jedes mal, wenn ich eine spanische Zeitung aufschlage, finde ich die in meinen Ohren etwas merkwürdig klingende Benennung "un deliquente del Este", ein Verbrecher aus dem Osten. Dieses kleine Beispiel, das eigentlich mit Tschechien nicht zusammenhängt, ist allerdings sehr bezeichnend und nimmt Vieles. Da es ein diffiziles Thema ist, hat das Multikulturelle Zentrum in Prag beschlossen, etwas zu unternehmen. Das Multikulturelle Zentrum widmet sich langfristig der Integration der verschiedenen Minderheiten in die tschechische Gesellschaft. Das Anliegen des Zentrums ist es, dass die tschechische Gesellschaft diese Kulturen besser kennen lernt, sagte die Leiterin des Projektes die "Unlesbaren Ausländer", Barbora Horavova, gegenüber Radio Prag. Das Ziel sei es, den tschechischen Bürgern beizubringen, Ausländer zu schätzen und zu respektieren, damit ihre Integration einfacher verläuft. Und dabei spielen die Medien eine wichtige Rolle. Mehr dazu von Barbora Horavova:

"Wir haben uns darauf konzentriert - weil wir wirklich von vorne beginnen wollen- welche Informationen die Tschechen über die Ausländer und Minderheiten überhaupt bekommen. Die Hauptquelle der Informationen sind selbstverständlich die Medien. Unter allen Medien haben wir die Printmedien unter die Lupe genommen, denn das sind die, die man zu Hause hat, die man in Ruhe liest, zu denen man zurückkehrt."

Bei der Analyse konzentrierte sich das Zentrum auf die Inhalte der Artikel. Im Rahmen des Projektes wurden auch Debatten mit Journalisten veranstaltet, um festzustellen, wie die Auswahl der Themen verläuft, warum sie über das von ihnen gewählte Thema schreiben und was sie zu dieser Wahl überhaupt bewegt. Eines der Ergebnisse der Analyse ist, dass Ausländer vor allem im Zusammenhang mit negativen Ereignissen von der Presse thematisiert werden. In den Debatten mit Journalisten wurde klar, setzt Frau Horavova fort, dass der Bericht in einem gewissen Maße dramatisch sein muss, damit er publiziert wird:

"Eines der Ergebnisse der Analyse ist, dass die Ausländer in einem viel negativeren Licht erscheinen als die Bürger tschechischer Herkunft."

Weiter wurde festgestellt, dass Ausländer oft keine Möglichkeit haben, sich zum besprochenen Thema zu äußern, also wird immer nur eine einseitige Meinung präsentiert. Wenn es zu einem Vorfall kommt, wird um Wortmeldungen von offizieller Seite gebeten - von Pressesprechern, der Polizei, von Beamten etc. Aber immer fehlt die Meinung der anderen Seite, stellt Frau Horavova fest. Das Bild wird nur von den Medien erstellt."

Wenn Ausländer und Vertreter der Minderheiten mehr Raum in den Medien bekämen, könnte auch die andere Seite des Problems präsentiert werden und der Leser könnte sich so eine objektivere Meinung bilden, wie die Situation tatsächlich aussieht.

Mit seiner Tätigkeit will das Zentrum zu einem besseren Verständnis der Thematik beitragen:

"Wir glauben, dass es notwendig ist - und dies seit 1989 - darauf vorzubereiten, dass die tschechische Kultur nicht so geschlossen bleiben wird. Die Grenzen haben sich geöffnet, wir stehen unter dem Einfluss anderer Kulturen und wir müssen lernen, mit ihnen zusammen zu leben. Die Situation wird noch aktueller nach dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik in die Europäische Union, wenn die Migration möglicherweise noch stärker wird. Bürger müssen mehr Informationen bekommen, denn dies ist der Weg zu einem besseren Zusammenleben, egal ob im Rahmen der Europäischen Union oder außerhalb."

Das Projekt "Unlesbare Ausländer" wird allen Interessierten in dem gleichnamigen Buch, das auf Tschechisch und Englisch herausgegeben wurde, vorgestellt:

"Das Buch "Unlesbare Ausländer" präsentiert die Zusammenfassung des ganzen Projektes. Der Leser findet hier die Hauptschlüsse der durchgeführten Analyse und dann auch Beiträge einiger Ausländer, damit die Leser eben auch die andere Seite des Problems kennen lernen. Wir wollen das Buch unter Journalisten verbreiten, damit sie auch über ihre Arbeit ein bisschen nachdenken. Wir glauben, dass es nicht so schwierig ist, die Ausländer zu kontaktieren. Das ist nämlich das Hauptargument der Journalisten, warum sie die Ausländer nicht kontaktieren, sondern nur die offiziellen Personen."

Weiter sei die Publikation für Organisationen bestimmt, die sich mit Minderheiten beschäftigen, um ihnen dabei zu helfen, der Frage nachzugehen, wie und warum sie die Journalisten kontaktieren sollen. Die Organisationen sollen versuchen, die Journalisten mit Themen zu versorgen, die brennend sind, und in der Gesellschaft debattiert werden sollten. Dann ist die Publikation selbstverständlich für die breite Öffentlichkeit bestimmt. Dazu verlaufen parallel Kurse für Professoren, in denen ihnen die Schwierigkeiten, die mit dem Thema verbunden sind, vermittelt und erklärt werden. Das Multikulturelle Zentrum weist auf die linguistischen Schwierigkeiten hin, die bei der Behandlung des Themas auftreten. Dann werden auch die Hauptfakten über die zahlreichsten Minderheiten vermittelt. Diese Erziehung der Medien sei ein höheres Ziel des ganzen Projektes, schließt Frau Horavova ab.

Sie hörten eine neue Ausgabe des Medienspiegels, dass dem Thema der Berichterstattung über Ausländer in den Printmedien gewidmet wurde.