Ökumene und interreligiösen Dialog aus Prag mitgenommen: Äbtissin Francesca Šimuniová

Francesca Stanislava Šimuniová (Foto: Bohumila Reková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die Benediktinerinnenabtei Venio ist an zwei Orten beheimatet: in München und seit 2007 auch am Weißen Berg in Prag. Seit einigen Wochen hat die Ordensgemeinschaft eine neue Äbtissin, die tschechische Schwester Francesca Šimuniová. Sie trat 2008 der Kommunität bei und lebte bis vor kurzem in Prag, wo sie viele ökumenische Aktivitäten initiiert hat. Ab 2003 war Šimuniová Landesbeauftrage der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ in Tschechien. Mittlerweile hat Schwester Francesca ihren Hauptwohnsitz in München, im Rahmen ihrer Arbeit wird sie aber öfters auch Prag besuchen. Martina Schneibergová hat mit der neuen Äbtissin vor Ostern ein Gespräch geführt.

Reinhard Marx  (Foto: Karued92,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

Schwester Francesca, am 13. Februar haben Sie in München von Kardinal Reinhard Marx den Stab, Ring und die Ordensregel erhalten und wurden zur Äbtissin der Gemeinschaft Venio geweiht. Gewählt wurden Sie schon Anfang Januar. Haben Sie nach dieser offiziellen Amtseinführung bestimmte Ziele formulieren müssen?

„Ich wurde natürlich danach gefragt, aber für mich persönlich war wichtig, hier in der Gemeinschaft in München wieder anzukommen. Ich muss mich an den Alltag, an die üblichen Abläufe wieder gewöhnen, weil ich hier für eine längere Zeit zum letzten Mal vor zehn Jahren war. Was ich aus Prag mitgenommen habe, das waren die Ökumene, die Offenheit für andere Kirchentraditionen sowie der interreligiöse Dialog. Dieser begleitet die Gemeinschaft in München sowie in Prag schon lange, das war nichts völlig Neues, was ich herbringen musste.“

Einige Benediktinerinnen der Gemeinschaft Venio leben im Kloster am Weißen Berg in Prag, mehrere in München. Die Schwestern haben vermutlich alle einen Zivilberuf. Worin besteht die Aufgabe von Venio?

Abtei Venio in München  (Foto: CineAmigo,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

„So, wie das in der Regel des Heiligen Benedikt steht, dass die Brüder mit der Arbeit der eigenen Hände für den Unterhalt sorgen sollen (Damals wurde sie nur für Männer formuliert, Anm. d. Red.). So hat das auch die Gründergeneration von Venio verstanden: Junge Frauen, die aber berufstätig waren, fühlten sich von der Liturgie und der Lebensform der Benediktiner angezogen. Sie wollten es versuchen, beides miteinander zu verbinden. Das ist ihnen gelungen in der Form, wie wir jetzt leben.“

Zum ersten Mal habe ich Sie vor etwa 15 Jahren bei der Aktion Sühnezeichen getroffen, wo Sie gearbeitet haben. Damals waren Sie Mitglied der evangelischen Kirche. Wie war Ihr Weg von der evangelischen Kirche in ein katholisches Kloster?

Illustrationsfoto: Gerd Altmann,  Pixabay / CC0

„Das ist eine gefährliche Frage, denn die lässt sich nicht nur mit ein paar Sätzen beantworten. Ich versuche das trotzdem. Ich würde sagen, der Weg war eigentlich sehr spannend, sehr wechselvoll und schön für mich. Ich hatte nie das Gefühl, dass es große Brüche oder Revolutionen dabei gegeben hätte, sondern dass sich das natürlich ergeben hat und dass ich mich fühlte, von Gott geführt zu werden. Obwohl es nicht einfach war, den Menschen von der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder zu sagen, wie das kommt, dass ich konvertiere und eine katholische Nonne werde. Dabei war ich in meiner evangelischen Kirche aktiv. Ich habe jedoch erlebt, dass es die Leute akzeptiert haben – und ich habe mich dabei gut und authentisch gefühlt.“

Haben Sie länger in Deutschland gelebt? Denn Sie sprechen ziemlich gut Deutsch…

„Eigentlich nicht so sehr lange. Ich war mit 24 Jahren - nach dem Studium der Sonderpädagogik an der Karlsuniversität – etwa 15 Monate lang mit Unterbrechungen in Deutschland. Dort habe ich erst richtig die Sprache gelernt. Seit 2003 habe ich bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste gearbeitet, wo Deutsch meine Arbeitssprache war.“

Muss man für das Leben in einer Gemeinschaft wie Venio eine bestimmte Begabung haben?

„Bestimmt nicht. Sonst könnte keiner hier in der Kommunität leben. Es handelt sich nicht um eine Gemeinschaft der Auserwählten. Das Grundlegende ist die Sehnsucht nach einem Leben in einer Gemeinschaft mit Gott, wir freuen uns über alle Begabungen, die da zusammenkommen oder auch nicht zusammenkommen…“

Illustrationsfoto: Dieter_G,  Pixabay / CC0

Wie läuft das Leben in einem Kloster, in dem alle einen Zivilberuf haben? Kommen sie nur einmal am Tag zum Gebet oder bei einem Gottesdienst zusammen?

„In München sowie in Prag ist es üblich, dass wir dreimal am Tag beten, am Morgen gibt es das Morgenlob oder Laudes, dann gibt es ein Mittagsgebet und die Vesper. Schwestern, die außerhalb des Klosters arbeiten, kommen nicht zum Mittagsgebet. Die Regel ist, dass alle Schwestern kommen, die keine anderen Verpflichtungen haben, am Morgen zum Gebet und am Abend zur Vesper erscheinen. Wir haben unter uns auch Ärztinnen und Krankenschwestern, die in Schichten arbeiten. Da ist klar, dass sie nicht am Morgen und Abend zu Hause sind. Heute zum Beispiel musste eine der Schwestern früher weggehen, weil sie Lehrerin ist und in der Schule gebraucht wurde.“

Ist es etwas Besonderes für das Kloster, dass eine Tschechin zur Äbtissin gewählt wurde? Denn die Mehrheit der Schwestern stammt aus Deutschland.

Kardinal Marx weiht Sr. Francesca Šimuniová zur Äbtissin der Benediktinerinnenabtei Venio  (Foto: YouTube Kanal des  Erzbistums München und Freising)

„Die Gemeinschaft hat 21 Mitglieder, darunter sind fünf Tschechinnen. Als die Wahl der Äbtissin stattfand, waren wir acht Schwestern, die gewählt werden konnten, die also entsprechend alt waren und bestimmte Voraussetzungen hatten. Von diesen acht Mitgliedern stammten vier aus Tschechien.“

Haben Sie, als Sie vor einigen Monaten nach München reisten, schon geahnt, dass Sie Äbtissin werden könnten? Oder war eine Art Schock für Sie?

„Ja, ein Schock war das in jedem Fall. Andererseits habe ich bereits etwas geahnt, weil sich einige Schwestern zuvor bei mir gemeldet und gefragt haben, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich konnte mir das nicht vorstellen. Aber in der Zeit zwischen diesen Gesprächen und der Wahl ist im geistlichen Bereich noch Einiges passiert, es war Weihnachten – und ich bin mit diesen Gedanken im Gebet umgegangen. Denn ich musste wissen, ob ich das Amt annehme oder nicht. Das war meine Verantwortung, und ich habe mich ernsthaft damit auseinandergesetzt. Trotzdem war es ein Schock, denn bis es dann so weit ist, besteht Unsicherheit.“

Foto: YouTube Kanal des Erzbistums München und Freising

Jetzt haben Sie vermutlich zusätzliche Pflichten, die Sie vorher nicht hatten. Ich habe keine Ahnung, worum sich eine Äbtissin beispielsweise auch im Verwaltungsbereich kümmern muss. Lernen Sie dies jetzt sozusagen inmitten des Geschehens?

„Ja, klar. Eine Äbtissin muss sich eigentlich um alles kümmern. Ich bin die statutarische Vertretung und für alle Sachen nach außen und nach innen zuständig. Zusätzlich habe ich aber Schwestern um mich, die verschiedene Ämter haben und ihre Aufgaben selbständig und kompetent erfüllen. Es ist mein Team, und gleichzeitig sind es meine Schwestern, für die ich auch geistlich und menschlich verantwortlich bin.“

Ich kenne Sie eigentlich nur in Jeans und T-Shirt. Kann auch eine Äbtissin heutzutage Zivilkleidung tragen?

Francesca Stanislava Šimuniová  (Foto: Archiv der Abtei Venio)

„Natürlich, das muss sie sogar. Da gab es eigentlich keine Einwände dagegen. Ich muss sagen, ich wäre da in diesem Bereich nicht so sehr beeinflussbar. Dafür bin ich schon zu alt oder erwachsen, sodass ich meine Vorstellung davon habe, was ich anziehe.“

Hat Sie in letzter Zeit, seit Sie im Amt sind, etwas überrascht? Etwas, womit Sie gar nicht gerechnet haben?

„Eine spannende Frage! Ich muss zugeben, dass mich fast jeden Tag irgendetwas überrascht. Aber wahrscheinlich Folgendes: Nachdem ich geweiht worden war, wurde mir gesagt, dass ich als Äbtissin auch Hebdomadarin bei Hochfesten werden soll. Das bedeutet, dass ich beim Gebet vorne stehe und als Solo Teile aus der Liturgie vorsinge. Davon wusste ich vorher nicht, weil meine zwei Vorgängerinnen im Amt nicht gesungen haben. Seit 30 Jahren gab es das nicht, und ich habe es auch nie erlebt. Aber jetzt wurde mir gesagt: ‚Du singst dann bitte schön, das ist deine Aufgabe.‘ Jetzt hatten wir eine Art Feste: den hl. Joseph, den hl. Benedikt und dann die Verkündigung – also drei Hochfeste. Da habe ich mit dem Vorsingen angefangen. Es ist eine Herausforderung, aber es war zuvor eine echte Überraschung.“