Offene Brüche und Schusswunden: Tschechen bilden ukrainische Soldaten in Erster Hilfe aus

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges unterstützt Tschechien die Ukraine – etwa durch die Lieferung von Waffen und Ausrüstung. Doch die Hilfe geht weiter. Direkt vor Ort im Einsatz sind auch tschechische Soldaten und Sanitäter, die die ukrainischen Kämpfer ausbilden – etwa in Erster Hilfe.

Foto: Martin Dorazín,  Tschechischer Rundfunk

In einem Wald in der Oblast Poltawa im Zentrum der Ukraine stehen einige Soldaten des angegriffenen Landes in Reih und Glied. Ein Kursleiter aus Tschechien erklärt zu Beginn einige Dinge auf Englisch. Was die Angehörigen der Streitkräfte nicht verstehen, verdolmetscht ihr Kommandant ins Ukrainische.

Seit Anfang April sind tschechische Soldaten in der Ukraine im Einsatz, um Schulungen durchzuführen. Was genau den Ukrainern beigebracht wird, erklärt vor Ort ein tschechischer Spezialist dem Korrespondenten des Tschechischen Rundfunks:

„Es geht vor allem um taktische Medizin und die Erstversorgung Verletzter. Seitdem wir hier in der Ukraine unterwegs sind, organisieren wir das meiste ad hoc. Wir passen uns dabei den Möglichkeiten der jeweiligen Einheit an, zu der wir fahren. Hier ist alles sehr dynamisch. Das ist ein vollwertiger Krieg, kein ‚low-intensity conflict‘ wie in Afghanistan. Alles entwickelt sich deshalb sehr schnell und unvorhersehbar.“

Foto: Martin Dorazín,  Tschechischer Rundfunk

Die Planung der Unterweisungen ist deshalb nicht immer problemlos… „Viele der Ausbildungseinheiten sahen so aus, dass 15 Menschen kommen sollten, am Ende waren es aber 150“, berichtet der Soldat. „Oder genau das Gegenteil: Wir sollten Soldaten aus zwei Einheiten ausbilden, am Ende kam aber nur eine, weil die andere Truppe Stellung beziehen musste.“

Trotzdem konnten bisher 2000 Menschen ausgebildet werden, sagt der tschechische Soldat, der aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen will.

Der Reporter des Rundfunks wirft einen Blick in den Medizinschrank der tschechischen Soldaten. Die Sanitäter sind gut ausgestattet für ihre Erste-Hilfe-Kurse. Unter anderem können schwerwiegende Verletzungen realitätstreu imitiert werden. Gerade wurde ein Mann fertig geschminkt. Zum Beispiel wurde ihm eine Wunde „aufgeklebt“…

Foto: Martin Dorazín,  Tschechischer Rundfunk

„Wir haben hier einen offenen Bruch, und natürlich kommt es auch zu einer Blutung. Diese ist aber nicht sehr massiv, wir haben das nur angedeutet durch aufgemaltes Kunstblut. Für die richtigen Übungen haben wir jedoch weitere Wundattrappen, aus denen mittels kleiner Schläuche permanent Blut fließt,“ sagt der Tscheche.

Das sei ja kein schöner Anblick, meint der Reporter. Doch der Soldat sagt dazu: „Das soll auch nicht schön sein. Denn dann würde es die Männer nicht darauf vorbereiten, was sie im realen Kampf erwarten kann. Das ist nämlich alles andere als schön. Hinzu kommt der Stress, der auch eine große Rolle spielt. Man muss sich sehr schnell orientieren können und dann die richtige Entscheidung treffen. Das ist sehr schwer, deshalb wollen wir in der Ausbildung möglichst reale Bedingungen schaffen. Auch solche abstoßenden Dinge gehören dazu.“

Autoren: Ferdinand Hauser , Martin Dorazín
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