Osterlamm – vom christlichen Symbol zur Leckerei

Osterlamm (Foto: Eva Turečková)

Auch in Tschechien wird es gebacken: das Osterlamm. Wobei man hierzulande eher einen Oster-Widder aus dem Ofen holt, im Tschechischen „beránek“. Im Folgenden erfahren Sie mehr über die Geschichte dieses Brauches, und Sie lernen eine Sammlerin von Backformen kennen.

Osterlamm  (Foto: Eva Turečková)

Marcela Adamcová  (Foto: Eva Turečková)
Marcela Adamcová rührt einen Teig an. Sie betreibt eine kleine Konditorei im Ort Vysoká in Mittelböhmen.

„Für das Osterlamm macht man meist einen Rührteig. Dazu muss man Butter oder Margarine geschmeidig rühren, dann gibt man Eier und Mehl dazu. Oder man nimmt nur Eier und fügt dann langsam Mehl dazu. Manch einer hat aber auch ein Hausrezept, bei dem man zum Beispiel Sahne verwendet. Oder man nutzt Lebkuchenteig und fügt Lebkuchengewürz hinzu“, so die Konditorin.

Damit der Rührteig gelingt, empfiehlt die Konditorin, die Butter oder die Margarine zu einem Drittel leicht zu zerlassen. Der Rest aber sollte fest sein. Außerdem müsse man auf die Temperatur der Zutaten achten. So sollte das Mehl etwa gleich warm sein wie das Fett. Deswegen erhitze sie das Mehl ein bisschen in der Mikrowelle, sagt Adamcová.

„Die Form mit dem Teig sollte dann auf jeden Fall in den vorgeheizten Ofen kommen. Die Backzeit richtet sich nach der Größe des Lamms. Aber in jedem Fall kann man den oberen Teil der Form leicht anheben, um mit einem spitzen Gegenstand zu prüfen, ob der Teig schon durchgebacken ist.“

Hat man das Osterlamm aus dem Ofen genommen, und es ist bereits abgekühlt, bestreut man es noch mit Puderzucker. Dann binde sie noch eine Schleife um den Hals, nehme Rosinen für die Augen und stecke ihm einen kleinen grünen Zweig in den Mund, erklärt die Konditorin Marcela Adamcová.

Jüdische Herkunft

Martin Franc  (Foto: Eva Turečková)
Selbst wenn man es nicht selbst backt, darf das Osterlamm in diesen Tagen nicht fehlen auf den Tischen in tschechischen Haushalten. Martin Franc beschäftigt sich als Historiker unter anderem mit Alltagsgeschichte:

„Der Brauch hat seinen Ursprung im Judentum. Bei den Feiern zum Passahfest, mit dem an die Flucht aus Ägypten erinnert wird, essen Juden Lamm- oder Hammelfleisch. Damit drücken sie aus, dass sie sich selbst zugehörig fühlen zur Herde Gottes, für die dieser der Hirte ist. Dies ist auch in den christlichen Glauben übergegangen, wobei das Lamm aber Jesus Christus symbolisiert, der sich für die Menschheit geopfert hat. Jesus galt als unschuldiges Lamm, er war ohne Sünde, also das Lamm Gottes oder Lateinisch Agnus Dei.“

Während das Schlachten des Lamms bei den Juden zum Passahfest dazugehört, fällt ein Teil des christlichen Osterfestes noch in die Fastenzeit. Das heißt, es musste ein Ersatz her für das gebratene Lamm. So entstand das aus Teig gebackene Osterlamm. Und das habe eine lange Tradition, wie Historiker Franc von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften weiter erläutert:

Kochbuch von Bavor Rodovský z Hustiřan
„Es gibt Urkunden vom Ende des 16. Jahrhunderts, die belegen, dass schon damals Osterlämmer gebacken wurden. Im Kochbuch von Bavor Rodovský z Hustiřan aus dem Jahr 1591 befindet sich ein Rezept. Das ist aber enorm schwierig nachzuahmen, weil man nicht nur das Lamm backen muss, sondern auch den Eindruck erwecken sollte, dass dieses auf einer Wiese steht. Das heißt, es hat eine dekorative Funktion. Aber natürlich hat auch immer Lammfleisch zum christlichen Osterfest gehört, allerdings erst nach den Fastentagen.“

Erst in der frühen Neuzeit wurde aber erstmals die Herstellung beschrieben. Dabei sei in den Epochen davor das Fasten noch ernster genommen worden, meint Franc. Deshalb sei das Osterlamm meist etwas magerer gewesen.

„Im Mittelalter wurden die Fastengebote noch strenger eingehalten. So wurden auch bestimmte Zutaten nicht verwendet, die später selbst zu Fastenzeiten akzeptiert wurden. Dazu gehörten zum Beispiel Eier und tierische Fette“, so der Historiker.

Säkularisiertes Tschechien

Heute gilt Tschechien als eines der atheistischsten Länder in Europa. Dennoch hat sich die Osterlammtradition gehalten, wenn auch ohne den ursprünglichen christlichen Hintergrund:

Foto: pasja1000,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED
„In den meisten Haushalten hierzulande kann man angesichts des hohen Maßes an Säkularisierung nur noch von einer Gewohnheit sprechen. Vielen Menschen dürfte nicht weiter bewusst sein, warum solch ein Lamm zu Ostern gebacken wird und warum es als Symbol dieses Festes gilt.“

Im Übrigen gebe es keinen bestimmten Zeitpunkt, zu dem das Osterlamm auf den Tisch komme, sagt der Historiker. Das sei eher von Haushalt zu Haushalt verschieden. Und beim Rezept – gibt es da etwa eine besonders ursprüngliche Form? Martin Franc muss verneinen:

„Beispielsweise das Rezept von Bavoran Rodovský z Hustiřan lässt sich schwerlich als Vorbild empfehlen, weil es eben so kompliziert ist. Auf der anderen Seite wird heutzutage sowohl Hefeteig als auch Rührteig verwendet. Das hängt von der privaten Vorliebe und von der Gewohnheit ab. Natürlich ist der Rührteig etwas anspruchsvoller, was die Zutaten anbetrifft. Beim jüdischen Passahfest, das ja mit den christlichen Ostern in Verbindung steht, wird allerdings Brot aus ungesäuertem Teig gegessen. Vielleicht ist unter diesem Aspekt der Rührteig nicht ganz die ideale Variante für das Osterlamm. Hintergrund ist jedoch, daran zu erinnern, dass die Juden bei der Flucht aus Ägypten keine Zeit mehr hatten, den Teig gehen zu lassen.“

Viele Formen für das Lamm

Foto: Eva Turečková
Um ein Osterlamm zu backen, braucht es natürlich auch eine entsprechende Form. Über 360 Stück von diesen hat Jaroslava Holínová bereits gesammelt. Sie lebt in der Gemeinde Libiš im Elbtal. Vor 29 Jahren wurde ihr sozusagen der Grundstein gelegt für ihr heutiges Hobby. Vor einiger Zeit sagte die Mutter zweier Söhne in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Meine erste Form habe ich von meiner Mutter bekommen. Aber meine Sammlung habe ich erst in späteren Jahren begonnen aufzubauen. Die ältesten Exemplare sind bis zu 200 Jahre alt.“

Allerdings hat Jaroslava Holínová längst nicht mehr alle ihre Sammlerstücke zu Hause. Der Großteil ist an das Regionalmuseum im nahen Mělník ausgeliehen. Aber auch so kann sie einige interessante Stücke noch zeigen – in verschiedenen Ausführungen und Größen.

Foto: Eva Turečková
„Die ältesten Formen sind meist deutlich größer. Sie haben Bürgerfamilien gehört. In den Dörfern wiederum hatte zum Beispiel die Pfarrei einige davon – oder der Müller. Und diese waren den Bedürfnissen der Familien angepasst. Die kleinen Formen entstanden aus dem Bedarf der Haushälterinnen heraus. Auch wenn die Töpfer angaben, dass ihre Ware etwa für acht Eier ausgelegt ist, blieb immer wieder Teig übrig. Schließlich sind die Eier unterschiedlich groß. Auf jeden Fall mussten die Teigreste irgendwie verbraucht werden, am besten im österlichen Sinn. Deswegen begannen die Töpfer, auch kleine und noch kleinere Muster herzustellen“, so die Sammlerin.

Etwas Variation gibt es auch bei dem Material…

Foto: Emilia Baczynska,  Pixabay / CC0
„Solche hier aus Blech wird es wohl immer geben. In meiner Sammlung habe ich aber vor allem Keramik, dazu solche aus Silikon. Zu einer gewissen Zeit waren auch Gusseisen-Formen in. Aber ich habe mir auch eine aus Emaille gekauft.“

Immer wieder würde sie an Ostern überlegen, welche ihrer Formen sie diesmal verwenden solle, sagt Jaroslava Holínová. Doch letztlich lande sie meist bei dem Erbstück von ihrer Mutter. Allerdings backe sie Osterlämmer das ganze Jahr über, gesteht sie noch zuletzt:

„Immer wenn ich eine neue Form erwerbe, die ich irgendwie interessant finde, möchte ich sie unbedingt und sofort ausprobieren…“

Autor: Till Janzer
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