Vor 90 Jahren, am 4. Juli 1930 kam Otto Popper in Prag zur Welt. Später wurde er als Ota Pavel bekannt, ein Schriftsteller, Journalist und Sportreporter. Bis heute werden seine Erzählungen gelesen, in denen seine Familie, die Natur, der Fluss Berounka und das Angeln, aber auch der Sport zentrale Themen sind.
Es kommt nicht selten vor, dass Künstler in ihren Werken an die Orte ihrer Kindheit zurückkehren. Vor allem in Zeiten, in denen sie durch die Prüfungen des Lebens gehen. Ein Beispiel dafür liefert der Schriftsteller Ota Pavel mit seinen Erzählbänden.
Ota Pavel, mit bürgerlichem Namen Otto Popper, wurde 1930 als jüngster Sohn eines jüdischen Handelsreisenden in Prag geboren. Als er sechs Jahre alt war, zog die Familie nach Buštěhrad in Mittelböhmen um, wo die Großeltern väterlicherseits lebten. Seine Kindheit wurde vom Zweiten Weltkrieg überschattet.
Slávka Kopecká ist Herausgeberin der Erzählungen von Ota Pavel und eine enge Bekannte der ganzen Familie:
„Meine Großmutter und seine Großmutter waren Nachbarinnen in Buštěhrad. Ota hat dort prägende Momente seines Lebens erfahren. Viele Mitglieder seiner jüdischen Familie wurden in Konzentrationslager gebracht – die Großmutter, der Großvater, der Vater, die Brüder. Der kleine Ota war 12 Jahre alt und durfte mit der christlichen Mutter bleiben. Das ist aus seinen Erzählungen bekannt. Als Zwölfjähriger hat er das alles wahrgenommen. Er erlebte die ersten Traumata, die sich in seiner Seele widerspiegelten.“
Erinnerungen an Kinderjahre
Sowohl der Vater als auch die beiden Brüder überlebten glücklicherweise die Konzentrationslager und kehrten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Hause zurück.
Der junge Ota interessierte sich am meisten für Sport. Daher wurde er später auch Sportreporter beim Tschechoslowakischen Rundfunk. Er verfasste zudem Beiträge für die Sportpresse und veröffentlichte seine ersten literarischen Texte, ebenfalls über den Sport. Sein erstes Buch erschien 1964. In den darauffolgenden Jahren publizierte er – unter dem Namen Ota Pavel – mehrere kürzere Texte und Erzählsammlungen. Darin beschäftigte er sich neben dem Sport vor allem mit der Natur und seinen autobiografischen Erlebnissen.
Hören Sie nun die einzige Aufnahme seiner Stimme, die im Archiv des Tschechoslowakischen Rundfunks erhalten geblieben ist:
„Ich habe den Sport aus zwei Gründen gewählt. Ich liebe ihn sehr. Und ich würde sagen, dass ich einige Sportbereiche gut verstehe, weil ich selbst ein aktiver Sportler war. Ich habe Eishockey gespielt für Sparta Prag und während des Krieges auch Fußball für den Sportverein SK Buštěhrad. Ich bin der Meinung, dass ein Schriftsteller erstrangig über Sachen schreiben sollte, die er kennt und versteht. Und ich denke, dass die Sportthematik ein noch ziemlich unberührter Boden ist. In der Sportliteratur lässt sich also noch Manches tun. Es wurde noch nicht durchforscht, wie man über Sport schreiben sollte. Deswegen interessiert es mich sehr.“
Sport
„Dukla unter den Wolkenkratzern“ (Dukla mezi mrakodrapy) oder „Der Sohn des Selleriekönigs“ (Syn celerového krále) sind die bekanntesten Bände Ota Pavels aus der Sportwelt. Als Reporter besuchte er viele Länder. Er begleitete unter anderem die tschechische Fußballmannschaft der Armee in die USA, zudem besuchte er die Sowjetunion, Frankreich, Jugoslawien, die Schweiz und Österreich. Während der Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck erkrankte er schwer an einer manisch-depressiven Psychose. Daraufhin suchte er Trost in der Natur und beim Angeln, und trotz seiner Krankheit widmete er sich weiter der Literatur.
Petr Kotyk ist Archivar und Literaturforscher beim tschechischen Museum für nationales Schrifttum. In einem Sonderprogramm über Ota Pavel sagte er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:
„Ich denke, dass sein gesamtes Schaffen der Versuch war, seine Verlegenheit zu verschleiern, in die ihn sein Schicksal gebracht hat. Sein Leben begann auf eine äußerst schwierige Weise: Er erlebte den Krieg als ein Mischling, der möglicherweise zur Liquidierung / Ermordung bestimmt war. Dann kam das Jahr 1948 mit dem Kommunismus, den Ota Pavel begrüßte, aber teilweise auch mit der Rückkehr des Antisemitismus. Es war für ihn nicht einfach, sein Wesen erneut zu verbergen. Er musste immer wieder seine Maske wechseln. Das hat meiner Meinung nach später zum Ausbruch der Krankheit geführt, die in jedem verborgen sein kann. Man ist nicht imstande, seine Masken ständig zu wechseln. Ota Pavel war sehr empfindlich und war sich dessen auch bewusst.“
„Wie ich den Fischen begegnete“ ist wohl sein bekanntestes Werk. Ota, sein Vater und seine beiden Brüder waren begeisterte Angler. Sie verbrachten nahezu jeden freien Moment am Wasser. Hören Sie noch einmal den Autor selbst:
„Jetzt arbeite ich am Buch, das den Titel ‚Wie ich den Fischen begegnete‘ trägt. Das ist sozusagen eine Autobiographie. Ich schreibe über mich selbst und darüber, wie ich es genossen habe, den Fluss entlang zu gehen. Ich schreibe nicht über Angler, die am Ufer sitzen, sondern von den umherziehenden Anglern. Ich möchte mit dem Buch dokumentieren, dass der Angelsport, bei dem man an Bächen und Flüssen entlang geht und angelt, sehr anspruchsvoll ist. Als Sportler habe ich schwere Begegnungen im Eishockey erlebt. Von daher kann ich sagen, dass ich nach einer etwa zehn Kilometer langen Wanderung zu den Forellen im Böhmerwald viel mehr erschöpft war, als nach einem Eishockeymatch.“
Familie und Fische
Das Schreiben war für Ota Pavel sehr mühsam und schwer. Andererseits aber fühlte er sich in der Welt der Literatur am wohlsten. Seine besten Bücher entstanden laut Kotyk nach 1968. Ota Pavel musste sich damals mit der Emigration seines besten Freundes, des Schriftstellers Arnošt Lustig auseinandersetzen.
Seine zwei bekanntesten Bücher, „Der Tod der schönen Rehböcke“ (Smrt krásných srnců) und „Wie ich den Fischen begegnete“ (Jak jsem potkal ryby), wurden in den 1970er Jahren von Elisabeth Borchardt ins Deutsche übersetzt. Es sind geschriebene Erinnerungen an seine Jugend und seine Erlebnisse beim Angeln, kontrastiert mit späteren Ereignissen in seinem Leben. Petr Kotyk:
„Die Energie, die er in seinen Kinderjahren im Berounka-Tal aufgesogen hatte, hat ihm vierzig Jahre lang ausgereicht. Er hatte in der Kindheit so schwere Schläge erlitten, dass es ein Wunder ist, dass er zu einem so hervorragenden Journalisten und später auch Schriftsteller wurde. Ohne diesen inneren Code, zu dem er immer wieder zurückkehren konnte, hätte er aus der Irrenanstalt nicht zum alltäglichen Leben zurückkehren können. Er brauchte einen Anker. Und das war für ihn – in einer sich wandelnden Welt – eben die Zeit der Kinderjahre, der Familie, des Vaters und des Berounka-Tals.“
Laut der Herausgeberin und Familienfreundin Slávka Kopecká gibt es auch heute noch viele Gründe, die Erzählungen von Ota Pavel zu lesen:
„Seine Texte sind wahrheitsgetreu und können einen rühren. Heute liest man oft Lügen, die keinen echt bewegen. In Pavels Erzählungen steckt etwas Einzigartiges. Ihre Meisterschaft beruht in der einfachen Erzählform und einem tiefen menschlichen Inhalt.“
Ota Pavel starb mit nur 42 Jahren an einem Herzinfarkt. Viele seiner Texte erschienen erst nach seinem Tod. Einige seiner Erzählungen wurden erfolgreich verfilmt.