Pačinek Glass: Traditionelles Handwerk und moderne Glaskunst
In Kunratice u Cvikova / Kunnersdorf wird Glas noch auf traditionelle Weise mundgeblasen. In der Manufaktur von Jiří Pačinek können Interessierte die Glasmacher bei ihrer Arbeit beobachten und ihre Kunst in einem zauberhaften Glasgarten sowie einer Galerie in der sogenannten Kristallkirche bewundern.
Jiří Pačinek ist einer der bedeutendsten tschechischen Glaskünstler der Gegenwart. In seiner Hütte schafft er Skulpturen von Pferden, Vögeln, Fischen und weiteren Tieren und Pflanzen sowie andere, nicht nur von der Natur inspirierte Objekte. Seine Werke werden in der ganzen Welt ausgestellt. Ein von ihm hergestelltes Reliquiar aus Glas wurde vergangenes Jahr im Vatikan sogar Papst Franziskus geschenkt. Jiří Pačinek:
„Ich finde Inspiration in der Natur. Mich selbst betrachte ich als keinen großen Künstler. Ich habe an keiner Kunsthochschule studiert, sondern das Handwerk erlernt. Ich mag die Arbeit mit dem Material und mit der Pfeife. Ich mache daraus einfach, was mir Spaß macht und was auch anderen Menschen gefällt.“
Inspiration in der Natur
Nordböhmen ist eine Region, in der seit Jahrhunderten Glas hergestellt wird. Die Tradition wird heute in mehreren großen und kleineren Glashütten fortgesetzt und weiterentwickelt. In der Familie von Jiří Pačinek hat das Handwerk aber keine lange Tradition. Von entscheidender Bedeutung für den heute 50-Jährigen war eine Schulfahrt im Kindesalter. Nach dem Besuch der Glashütte in Nový Bor / Haida entschloss er sich, Glasblaser zu werden. 1990 schloss Pačinek die Lehre ab und startete seine Laufbahn als Glasmacher und Glaskünstler. Er arbeitete mit den führenden Glashütten hierzulande zusammen und sammelte auch Erfahrungen im Ausland. 2007 gründete er seine eigene Marke Pačinek Glass:
„Ich betrieb damals eine kleine Glaswerkstatt in meinem Haus in Lindava. Dort hatte ich meinen ersten Schmelzofen. Mehrere Jahre lang lief die Arbeit gut, und ich habe viele Aufträge bekommen.“
Künstler, Designer, Architekten und Firmen aus dem In- und Ausland wandten sich mit ihren Bestellungen an Pačineks Atelier. Seine Kapazität reichte schon nach wenigen Jahren nicht mehr aus, um der ständig wachsenden Nachfrage nachzukommen. Der Glaskünstler tat dann einen weiteren Schritt und gründete eine Glasmanufaktur:
„Mehrere junge Glasmacher sprachen mich an und fragten, ob ich sie beschäftigen könnte, weil ihnen meine Arbeit gefalle. Ich verfügte also über Mitarbeiter und Glasmacher, dank den damaligen Erfolgen auch über genug Geld. Die Nachfrage nach unserem Glas war hoch. Ich habe mir gesagt, es fehle nur noch ein Ort, an dem ich eine Glashütte errichten könnte.“
Aufträge von Künstlern und Firmen
Die Wahl fiel auf Kunratice u Cvikova, eine Gemeinde etwa drei Kilometer von Lindava / Lindenau entfernt. Dort stand das Gebäude einer ehemaligen Traktoren-Station leer:
„Ich war oft in Kunratice unterwegs und wusste von diesem Gebäude, das damals eigentlich eine Ruine war. Das Haus ist weit genug entfernt vom dortigen Bach, so dass keine Überflutungen drohen. Gleich daneben gibt es eine Gasleitung – das ist für eine Hütte optimal. Der Bürgermeister hat mir ermöglicht, das Gebäude von der Gemeinde zu kaufen. Danach haben wir es mit meinem Bruder und anderen Kollegen instandgesetzt und ausgebaut. Inzwischen habe ich noch weitere Glasmacher angestellt. Wir produzieren hier Glas schon acht Jahre lang.“
Die Glashütte ist in Kunratice seit 2015 in Betrieb. Jiří Pačinek setzt fort:
„Insgesamt arbeiten hier 17 Personen. Davon sind sechs Glasmacher. Zudem gibt es Glasschleifer und Glasschmelzer, die in der Nacht arbeiten. Eine Frau arbeitet im Büro, eine im Imbiss. Zudem haben wir einen Manager, und ich bin Besitzer und Glasmacher in einem. Jeder macht, was gerade nötig und gewünscht ist, und trägt mit seinem Können bei.“
Jiří Pačinek lädt in seine Werkstatt ein.
„Es ist ein schönes Handwerk. Wir haben unsere Öfen selbst gebaut, sie sind sehr lärmarm. Zumeist läuft das Radio, und die Atmosphäre ist sehr gemütlich. Wir fühlen uns hier wie im Wohnzimmer und machen eine angenehme Arbeit.“
Werkstatt mit gemütlicher Atmosphäre
In der Werkstatt gibt es zwei Schmelzöfen. In einem brennt gerade ein Feuer, aus dem ein Glasmacher glühende Glasschmelze auf einer langen Pfeife herausholt und diese mit einer Schere zu einem zarten Blatt formt. Jiří Pačinek:
„Es sieht einfach aus, so ein Blatt zu formen. Der Glasmacher hat es schon im Griff, weil wir 600 Stück davon herstellen müssen. Trotzdem ist es nicht so leicht. Man muss zunächst mit dem Material spielen und einen Weg suchen. Ein Glasmeister weiß aber genau, was zu tun ist.“
Die Glasmanufaktur beherbergt das ganze Jahr über Glaskünstler, Designer und Architekten aus der gesamten Welt, die Glasprodukte für ihre Projekte in Auftrag geben. Sie ist aber auch für die breite Öffentlichkeit geöffnet:
„Wenn die Touristen hierherkommen, können sie in unmittelbarer Nähe des Glasmachers stehen und die Atmosphäre der Glashütte aufsaugen. Dies ist mir sehr wichtig, darin steckt der Zauber. Das Erzeugnis ist zwar an sich schön, aber noch interessanter ist es, wenn man direkt vor Ort dessen Entstehung beobachten kann. Die Besucher begreifen, dass das Stück nicht von einer Maschine produziert wurde, sondern wirklich durch Handarbeit entsteht. Wir machen Führungen, bei denen die Begleiterinnen über die Geschichte der Glashütte, der hiesigen Kirche und der Gemeinde erzählen. Man kann aber auch direkt bei den Glasmachern nachfragen. Sie erzählen über ihre Arbeit, und das ist für die Besucher ein Erlebnis.“
In der Glasmanufaktur gibt es neben der Glashütte auch eine Schleiferei und Lagerräume. Im oberen Stockwerk befindet sich eine Galerie, in der man die Produkte von Jiří Pačinek besichtigen und kaufen kann:
„Die Gegenstände, die oben ausgestellt werden, entstanden nach meinen eigenen Entwürfen und Ideen. Wir fertigen aber auch Produkte für andere Firmen und Künstler an. Die modernen Designer haben oft ganz neue Perspektiven, das macht unsere Arbeit interessant.“
Im magischen Glasgarten
Ein besonderes Erlebnis bietet der Spaziergang durch den sogenannten Glasgarten hinter der Hütte. Herba crystallus, Serpenta multichroma oder Kunraticia lucida sowie Dutzende weitere Blumen und Pflanzen aus Kristallglas „wachsen“ im Tal, das ein Bach durchfließt und, das das ganze Jahr über frei zugänglich ist. Einen Höhepunkt des Besuchs in Kunratice bietet dann die Besichtigung der Kristallkirche in der Nachbarschaft der Hütte. Seit zwei Jahren dient sie als Galerie, in der mehr als 300 Glasobjekte aus der Werkstatt von Jiří Pačinek zu sehen sind. In diesem Jahr finden zudem Ausstellungen mehrerer tschechischer Glaskünstler in der Kirche statt. David Sobotka, Manager der Glashütte, ergänzt:
„Den Hauptraum im Kirchenschiff bestücken aktuell Glasobjekte von Bořek Šípek. Ab dem 9. Juni planen wir eine Ausstellung des Ehepaars René Roubíček und Miluše Roubíčková. Sie würden in diesem Jahr jeweils ihren 100. Geburtstag feiern. Und ab September veranstalten wir eine Ausstellung von Arne Čančík, einem renommierten tschechischen Glasgraveur. Wir haben in der Kristallkirche mit einer kleinen Pačinek-Ausstellung angefangen, die mit der Zeit immer größer wurde. Inzwischen haben wir einen ambitionierten Ausstellungsplan mit großen Persönlichkeiten der tschechischen Glaskunst und Freunden von Jiří Pačinek.“
