Papier, Metall, statisch oder mechanisch: Weihnachtskrippen Ostböhmens
Ausgedehnte Öffnungszeiten muss jedes Jahr vor Weinachten das Museum der Krippen in Třebechovice pod Orebem anbieten. Zwar kann man das Museum auch das ganze restliche Jahr über besuchen, doch zieht es die Besucher vor allem in dieser Zeit dorthin. Die Krippen aus Třebechovice sind sehr bekannt, aber nicht die Einzigen in Ostböhmen – ein Besuch bei den Bastlern von Weihnachtskrippen.
Christbaum, Kerzen, Reisig oder bunte Lichter gehören für uns heute zu Weihnachten dazu. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts waren es zudem Weihnachtskrippen. Im ostböhmischen Ústí nad Orlicí und in seiner Umgebung wurden diese Krippen aus Papier gebastelt. Einige Menschen halten die Tradition weiter aufrecht, so auch Jaroslav Herain. Er schildert, wie er beim Basteln vorgeht:
„Auf das Papier überträgt man eine Grundform, zum Beispiel eine Birke. Das Papier muss hart sein, ein Karton zum Beispiel. Man schneidet die Form dann aus, trägt die Grundfarbe auf und malt anschließend die helleren Nuancen und Details aus. Dann muss man noch einen kleinen Keil ankleben, damit man die Form in der Krippe aufstellen kann.“
So entsteht eine Weihnachtskrippe aus Papier. Jaroslav Herain malt auch Vorlagen für Papierkrippen, die gedruckt und im Handel verkauft werden. Er arbeitet zudem an größeren Werken. Genauso wie seine Urahnen:
„Früher gab es an Weinachten Krippen in jedem zweiten Haus. Es könnten so ungefähr 200 Krippen in ganz Ústí nad Orlicí gewesen sein. Manche Krippen waren bis zu sechs Meter groß. Die Leute hatten sie in ihrem Schlafzimmer aufgebaut, sie haben darunter sogar geschlafen. In den heutigen Plattenbauten lassen sich die klassischen Krippen nicht mehr aufbauen. Laut dem Städtischen Museum gibt es aber trotzdem noch etwa 40 Familien, die solche Krippen haben.“
Auch wenn sie aus Papier waren, wurden die Krippen nach Weihnachten nicht weggeschmissen, sondern von Generation zu Generation weitervererbt. Dennoch verschwanden die Krippen nach und nach, denn viele Leute verkauften sie ins Ausland. Deswegen ist in Ustí nad Orlicí nur ein Teil der Papierkrippen erhalten geblieben.
Wir sind nun in Třebechovice pod Orebem. Im Haus der Keramikerin Soňa Toucová riecht es gut. Es duftet nach Teig. Doch essen sollte man nicht, was sie vorbereitet hat. Es ist Visowitzer Teig, und der ist dem Lehm sehr nah. Das Rezept ist kein Geheimnis:
„Ich nehme ein halbes Kilo glattes Mehl und 270 Milliliter lauwarmes Wasser. Das verarbeite ich zu einem Teig. Den lasse ich sechs Stunden ruhen und danach kann ich schon die einzelnen Figuren ausstechen. Dann wird das gebacken, oder besser gesagt getrocknet: drei bis vier Stunden bei 50 Grad. Die größeren Formen brauchen bis zu sechs Stunden. Vor dem Backen muss man die Formen noch mit Eigelb bestreichen, damit sie eine goldene Farbe bekommen“, so beschreibt Soňa Toucová eine untraditionelle Art der Herstellung von Weihnachtskrippen. Třebechovice pod Orebem ist indes weltweit eher bekannt wegen des Krippenspiels von Probošt. Dabei handelt es sich um eine mechanische Weihnachtskrippe mit beweglichen Figuren. Sie stammt von Anfang des 20. Jahrhunderts. Drei Bastler - Josef Probošt, Josef Kapucián und Josef Friml - haben 40 Jahre lang an diesem Werk gearbeitet. Erwähnenswert ist die Größe der Krippe: Sie ist sieben Meter lang, drei Meter breit und zwei Meter hoch. Heute steht sie unter Denkmalschutz. Im Jahr 1967 wurde das Krippenmonstrum sogar bei der Weltausstellung in Montreal gezeigt. Allerdings in langestreckter Form, obwohl es eigentlich ums Eck gebaut wurde. Warum die Form geändert wurde, erklärt Sylvie Hlaváčková, Direktorin des Krippenmuseums in Třebechovice pod Orebem.„Die Änderung der Krippenform sollte den Transport während der Reisen auf verschiedene Ausstellungen erleichtern. Der Autor Josef Probošt selbst hat den Umbau noch vorgenommen. Zum ersten Mal hatte er die Krippe im Jahr 1906 in Chrast bei Chrudim ausgestellt. Und er stellte fest, dass die Eckform für den Transport untauglich ist. Die Eckform ist typisch für die Region am Adlergebirge. Sie zieht den Zuschauer in das Geschehen hinein.“Um diese Krippe kümmert sich der Restaurator Kamil Andres, der auch andere mechanische Krippen repariert. Seine Arbeit ist für ihn zugleich sein großes Hobby.
„Ich bin froh, dass ich diese Arbeit habe. Wenn die Figuren anfangen sich zu bewegen, das ist schwer zu beschreiben. Oft bleibe ich im Schlafanzug die ganze Nacht hindurch in meiner Werkstatt. Das spricht schon für sich.“
Jana Jarkovská stellt Krippen aus Maisstroh her. Diese Technik stammt aus der Südslowakei.
„Mein Opa wohnte in der Südslowakei, wo es in jeder Hütte üblich war, alle möglichen Dinge aus Maisstroh zu fertigen. Man machte daraus Brotkörbe, Taschen und Figürchen für die Kinder. Heute ist es von Vorteil, dass man zum Beispiel auch Drähte benutzen kann, um die Krippe bessere zu formen. Diese Technik habe ich von meiner Tante gelernt“, so Jarkovská.
Weitere Hilfsmittel sind zum Beispiel Wolle, Zwirne oder Klebstoffe. Natürlich lassen sich Weihnachtskrippen auch komplett aus anderen Stoffen herstellen: aus Glas, Lehm, Kürbissen, wie zum Beispiel in Rychnov nad Kněžnou, aus Wollvlies oder Textil. Beim Material gibt es wenig Beschränkung, man muss nur seine Phantasie walten lassen. Eine ganz traditionelle Art ist aber Holz. Jan Hrnčiř ist Holzschnitzer:
„Man braucht viel Geduld. Man muss immer nachdenken, wie das Holz gewachsen ist, in welcher Richtung die Jahresringe gehen, damit die Beinchen oder Ärmchen nicht abbrechen. Eine Figur dauert bei mir so durchschnittlich vier oder viereinhalb Stunden. Und wenn ich eine größere Krippe machen soll, bedeutet das Arbeit für sehr viele Stunden.“
Krippenspiele lassen sich zudem thematisch unterscheiden. In Rychnov nad Kněžnou steht zum Beispiel eine Tuchmacherkrippe. Was es damit auf sich hat, beschreibt Jan Tydlitát, der in Rychnov eine Krippenausstellung leitet:
„Es ist so eine Art Lexikon der Tuchmacherei. Jarmila Haldová hat hier alle Phasen der Tucherzeugung gezeigt: von der Schafzucht über die Wollverarbeitung, die Weberei, das Färben und Tränken bis hin zum Schneidern und später dem Verkauf. All diese Phasen werden dort gezeigt. Es ist also eigentlich ein Stück Bildung.“
Doch bleiben wir bei den Weihnachtskrippen. Viele von ihnen werden heute in Museen und Kirchen ausgestellt. In der Stadt Králíky am Adlergebirge wurden Krippen für den Export in die ganze Welt erzeugt, aber auch im Riesengebirge. Aus dieser Region ist am bekanntesten Metelkas Krippe. Sie spielt eine ganze Reihe von Melodien und 142 Figuren machen dazu 350 Bewegungen. Diese Krippe ist im städtischen Museum von Jilemnice ausgestellt. Weitere wichtige Gegenden in Tschechien, die bekannt für ihre Krippen sind, nennt der Vorsitzende der tschechischen Krippenvereinigung, Radko Weigner.
„Třebíč beispielsweise, aus Holz geschnitzte Krippen gibt es unter anderem in Třešť, Příbram und in der Umgebung von Frenštát in der Walachei.“
Auch dort kann man wirklich viele interessante Krippen sehen. Auf Wiederhören und frohe Weihnachten.