Pilsen: Kulturhauptstadt ohne Haus der Kultur?
Dům hrůzy u Radbuzy - so schimpften, schön gereimt, die Bürger der westböhmischen Stadt Plzeň / Pilsen jahrzehntelang den vielkantigen Klotz gleich neben der denkmalgeschützten Altstadt: Haus des Grauens am Fluss Radbuza. Jetzt soll es nach dem Willen des Investors einem riesigen Einkaufszentrum weichen. Die Pilsener Bürgergesellschaft schlägt Alarm.
„Der Vorteil ist, dass sich ein Neubau an diesem Ort nicht an das anpassen muss, was hier schon steht“, sagte im Februar Ladislav Severa von Amadeus Real.
Das sieht die 28-jährige Veronika Z. anders. Sie lebt erst seit zwei Jahren in Pilsen, und als sie das Kulturhaus zum ersten Mal sah, bekam auch sie einen Schrecken. Aber:„Mittlerweile ist das für mich eine eigene Phase der Architektur. Und in Anbetracht der Tatsache, was hier an dieser Stelle geplant ist, denke ich, dass das Kulturhaus hier in renovierter Form stehen bleiben sollte. Vielleicht adaptiert in ein neues Konzept. Aber ein neues großes Einkaufszentrum an dieser Stelle – nein. Das würde auch die umliegende Architektur der 1930er Jahre stören.“
Der rund 50-jährige Pavel D. hat da eine ganz andere Meinung:
„Das Kulturhaus ist architektonisch ein Unfall, das hat mir schon damals nicht gefallen, als man es gebaut hat. Ein neues Einkaufszentrum an dieser Stelle ist sicher interessanter und auch sinnvoll, da der Bahnhof nicht weit entfernt liegt.“
Pavel D. ist mit seiner Ansicht eher in der Minderheit, scheint es, wenn man die Pilsener befragt. František S. zum Beispiel kann dem Kulturhaus architektonisch auch nichts abgewinnen, innen hält er es aber für einigermaßen funktional. Und wenn es um den Bau eines Einkaufszentrums an dieser Stelle geht, dann winkt der Mittfünfziger ganz klar ab:
„Nein, das ist absolut überflüssig. Wir sind überall von Einkaufszentren umgeben. Wenn man da etwas Neues hinsetzt, dann vielleicht etwas Kleineres, Erdgeschossartiges. Aber nichts Gigantisches, davon haben wir hier genug.“
Frau M. ist rund 60 Jahre alt und hat schon einige Abschlussfeiern der Universität und auch ein paar kulturelle Veranstaltungen im Kulturák besucht. Das Gebäude sei hässlich, sagt auch sie. Dennoch:„Auf gar keinen Fall ein Einkaufszentrum! Das Kulturhaus könnte man erhalten, wenn man es instand setzt oder in irgendein anderes Konzept einbezieht, damit man es nicht mehr Haus des Grauens am Fluss Radbuza nennen muss.“
Die Petition der Bürgervereinigung „Kultura(k) vítězí!“, die dem Bau des Einkaufszentrums Arena Einhalt gebieten soll, haben schon fast 10.000 Menschen unterschrieben. Die Initiatoren, junge Pilsener Architekten, schmeißen dem Investor nun Knüppel zwischen die Beine, wo es nur geht, und sind bereit, auch vor Gericht zu ziehen. Den Protestlern geht es dabei gar nicht so sehr um den Erhalt des Kulturhauses. Wirklich schön findet es niemand. Kultur statt Kommerz fordert die Bürgerinitiative. Außerdem – und das ist ihre Hauptwaffe – befürchtet sie einen unerträglichen Anstieg des Autoverkehrs und der ohnehin schon grenzwertigen Emissionen. Dennoch hat vor wenigen Tagen das Kreisamt die Umweltverträglichkeitsprüfung (EIA) des geplanten Einkaufszentrums durchgewinkt. Damit kann der Investor an seinem Vorhaben festhalten. Den Medien gegenüber gibt der Investor Amadeus keine Auskunft, und auch der Magistrat hält sich zurück. Es handle sich – von einigen Auflagen abgesehen – um eine Privatangelegenheit des Investors, hieß es schon im Sommer von Seiten des Bürgermeisters Martin Baxa. Das verärgert vor allem die Vertreter der Bürgervereinigung „Kultura(k) vítězí“:„Wir haben den Stadträten die ganze Zeit über die Tür offen gehalten, um eine Entscheidung zu treffen, wie sie bereits 9000 Bürger fordern, die alle unsere Petition unterschrieben haben. Der Magistrat hat keinen Schritt auf uns zugemacht, obwohl wir sogar eigene Vorschläge vorgelegt haben. Also haben wir uns entschieden, ein Referendum anzustrengen, um den Stadtrat zu binden, den Willen der Bürger zu respektieren“, so Martin Marek von „Kultura(k) vítězí“ bereits im Oktober gegenüber dem Tschechischen Rundfunk.
Ein paar Tausend Stimmen fehlen der Bürgervereinigung noch, um ein Referendum beantragen zu können, aber die Chancen stehen nicht schlecht. Martin Marek:„Wir brauchen 13.500 Unterschriften für unseren Antrag auf ein Referendum. Unterschreiben dürfen alle Bürger, die volljährig sind und ihren dauerhaften Wohnsitz in Pilsen haben. Wenn wir diese Unterschriften zusammen haben, dann legen wir unseren Antrag dem Stadtrat vor. Der muss darüber innerhalb von 90 Tagen entscheiden, und innerhalb von 90 Tagen muss er auch über die Ausrufung eines Referendums an sich entscheiden.“
Ursprünglich sollte die Einkaufs-Arena schon Ende 2013 stehen. Wie auch immer der Kampf ausgeht, dieser Termin ist wohl nicht mehr einzuhalten. Und im Jahr 2015 wird Pilsen als Europäische Kulturhauptstadt im Rampenlicht stehen. Was also dem Besucher dann an der Americká-Straße ins Auge fällt – das alte Haus des Grauen, ein weitläufiger Park oder doch ein megalomanes Einkaufszentrum –, das ist vielleicht noch lange nicht entschieden.