Politiker zum AKW Temelín
Wie wir Sie in unseren Sendungen bereits informiert haben, haben sich Tschechien und Österreich im Streit um das AKW Temelin vorläufig auf einen Kompromiss geeinigt. Nach langen Verhandlungen vereinbarten der tschechische Premier Milos Zeman und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in der Nacht zu Mittwoch in Melk, dass das Atomkraftwerk unter EU-Aufsicht auf seine Umweltverträglichkeit geprüft werden soll. Tschechische Politiker sind -im Unterschied zu Umweltschützern - trotz bestimmter Einwände mit der Vereinbarung meistens zufrieden. Martina Schneibergova fasst zusammen:
Tschechische Parlamentarier haben den von den beiden Regierungschefs vereinbarten Kompromiss begrüßt. Einige von ihnen erinnerten auf bestimmte Mängel des Übereinkommens, zu denen ihrer Meinung nach eine Verzögerung der kommerziellen Inbetriebnahme des AKWs gehört. Andere Abgeordnete betonten, die tschechische Seite hätte der Überprüfung der Umweltverträglichkeit des AKWs schon früher zustimmen sollen. Dadurch hätte man sich Komplikationen in den Beziehungen zu Österreich ersparen können, meinten einige Parlamentarier. Abgeordnetenchef Vaclav Klaus ließ verlauten, dass alle Analysen beweisen werden, dass die Auswirkungen des AKWs auf die Umwelt unbedeutend seien. Andere Parlamentarier würdigten die Vereinbarung, da sie ihren Worten zufolge eine große Hilfe für die tschechisch-österreichischen Beziehungen darstellt. So erklärte beispielsweise Pavel Svoboda, Mitglied der oppositionellen Freiheitsunion, diese Übereinkunft hätte mit weniger Aufwand und Mühen erreicht werden können. Er stellte weiter die Frage, warum Tschechien eine solche Lösung nicht von Anfang an zulassen wollte. Ähnlicher Meinung ist auch der Christdemokrat Libor Ambrozek, der feststellte, dass bei den Verhandlungen im Grunde genommen Zeman erfolgreich gewesen sei, da er Schüssel etwas versprochen habe, was eigentlich ganz selbstverständlich gewesen wäre.
Umweltminister Milos Kuzvart brachte die Meinung zum Ausdruck, dass es unmöglich ist, die Umweltverträglichkeit des AKWs bis Mai 2001 zu überprüfen. Die Vertreter seines Ressorts wurden zu den Verhandlungen nach Melk nicht eingeladen und Informationen über die Resultate erhielt das Umweltministerium erst am Mittwoch Nachmittag.
Die konservative Tageszeitung Lidove noviny stellt in ihrer Donnerstagsausgabe im Kommentar zu der Vereinbarung von Melk fest, es entspreche dem Sprichwort, "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Denn sowohl die Gegner als auch die Befürworter des AKWs finden daran etwas, was ihnen in den Kram passt.
Abgesehen von dem Kompromiss in Melk und dessen etwaiger Bedeutung für die gegenseitigen Beziehungen weist der Historiker Miroslav Kunstat darauf hin, dass man die andauernden bilateralen Animositäten aus der Zeit nach dem Zerfall der k. u. k. Monarchie nicht unterschätzen dürfe. Diese durch die kommunistische Ära gestärkten Feindbilder dürften auch in dem Streit um das AKW Temelin nicht unbedeutend sein. Dazu der Historiker: