Präsident Zeman setzt Inlandsgeheimdienst unter Druck
Ein neuer Vorstoß von Präsident Miloš Zeman sorgt für Irritationen in der tschechischen politischen Szene. Das Staatsoberhaupt hat vom Chef des Inlands-Nachrichtendienstes eine Namensliste der russischen Spione angefordert, die seinen Erkenntnissen nach auf tschechischem Boden operieren. Dieser Schritt gilt als unkonventionell und ruft scharfe Kritik hervor.
Man kann sich fragen, ob Michal Koudelka von Zemans Vorgehen ebenso überrascht ist wie die tschechische Öffentlichkeit. Der Präsident macht aus seinen Vorbehalten gegenüber dem Chef des Inlands-Nachrichtendienstes (Bezpečnostní informační služba, BIS) kein Geheimnis. Wiederholt hat er sich geweigert, Koudelka zu befördern und in den Rang eines Generals zu erheben. Vor zwei Wochen übergab Zeman außerdem Premier Andrej Babiš (Partei Ano) eine Akte, die angeblich Koudelkas Fähigkeiten als Manager in Frage stellt.
Nun will Miloš Zeman vom BIS-Chef also die Namen aller russischen Spione im Land erfahren. Der Präsident fordert zudem Informationen darüber ein, an welchen Operationen sie beteiligt und wer ihre tschechischen Kontaktpersonen sind. Darüber berichtete am Montag der Tschechische Rundfunk. Dessen Recherchen stützen sich auf drei hochrangige Quellen, die mit dem Vorgang direkt vertraut sind. Sofort wurde Empörung laut. Petr Zeman etwa, der ehemalige Direktor des Amtes für internationale Beziehungen und Informationen, hält die Forderungen des Präsidenten für sehr ungewöhnlich:
„Ich war bei den Nachrichtendiensten vieler Länder zu Gast. In den 30 Jahren, die ich mich damit befasse, habe ich nie gehört, dass ein Verfassungsorgan auf diese Weise eine solche Information eingefordert hätte. Das ist ein ungeheurer Vorgang.“
Präsidenten-Sprecher Jiří Ovčáček gab an, von keiner solchen Anfrage zu wissen. Zugleich betonte er auf Twitter aber vorsorglich, dass sich das Staatsoberhaupt und sein Büro an die Gesetze hielten. Dessen Kanzler Vratislav Mynář verwies zudem auf das Recht des Präsidenten, dem BIS im Rahmen des zuständigen Gesetzes Aufgaben zu erteilen.
Das allerdings muss in Kenntnis der Regierung geschehen. Inwiefern sie über die aktuelle Anfrage informiert war, ist bisher unklar. Babiš hat den Vorgang mit Verweis auf die Gesetzeslage bisher nicht kommentiert. Vizepremier Jan Hamáček (Sozialdemokraten) reagierte kurz angebunden. Für gewöhnlich gelte, dass die Exekutive oder Kontrollorgane nicht in laufende Fälle eingriffen, so der Innenminister.
Alles sieht nach einem Versuch Zemans aus, den Geheimdienst vorzuführen und Druck aufzubauen. Über die Offiziere des Nachrichtendienstes hat er sich in Vergangenheit schon mehrfach spöttisch geäußert. Der Rundfunkbericht rief am Montag dann auch eine Welle deutlicher Kritik hervor, hauptsächlich aus den Reihen der Opposition. Für den Abgeordneten der Christdemokraten Jan Bartošek sind die BIS-Kontakte hochsensible Sicherheitsdaten und ihre Herausgabe schlicht undenkbar. Vít Rakušan, Vorsitzender der Bürgermeisterpartei Stan, sprach sogar von einem „Krieg“, den Zeman gegen den BIS führe:
„So etwas ist in einem zivilisierten Land ohnegleichen. Das Begleichen persönlicher Rechnungen, das uns die eigene Sicherheit kosten kann, gehört einfach nicht in ein fortschrittliches Land.“
Auch der bürgerdemokratische Abgeordnete Pavel Žáček sieht den internationalen Ruf des Nachrichtendienstes gefährdet:
„Die Forderungen, die an den BIS gestellt werden, können die laufende Abwehr von ungesetzlichen Aktivitäten der russischen Nachrichtendienste gefährden. Falls der BIS diesem ungeheuren Aufruf entspricht, würde uns das vor den Partnern der Nato und der Europäischen Union kompromittieren.“
Die Kommunisten der KSČM und die Rechtsaußenpartei SPD begrüßen hingegen den Vorstoß Zemans. Der KSČM-Abgeordnete Zdeněk Ondráček sagt, dass ein gewisses Maß an Kontrolle schlicht notwendig sei:
„Der Präsident ist der Befehlshaber aller bewaffneten Kräfte im Land, und er ist auch der Adressat für die Berichte des BIS. Und das ohne Einschränkung. Die Kontrolle sollte sich nicht nur auf russische Spione beziehen, sondern auf die gesamte Tätigkeit des BIS zum Wohle Tschechiens. Dafür bezahlen wir ihn schließlich.“
Im Zusammenhang mit dem Vorgang weisen Oppositionspolitiker und Medien zudem auf eine Reise Martin Nejedlýs nach Russland hin. Der Berater von Miloš Zeman soll sich dort den Berichten der Zeitung Denik N zufolge mit einem Berater Wladimir Putins getroffen haben, ohne dafür mit einem diplomatischen Mandat ausgestattet zu sein.
Bisher ist nicht bekannt, wie Michal Koudelka auf die Forderungen Zemans reagieren will. Am Donnerstag kommt zunächst die Kontrollkommission des BIS zu Beratungen zusammen. Danach wird sich der Sicherheitsausschuss im Abgeordnetenhaus mit dem Fall beschäftigen. Jan Lipavský von den Piraten fordert außerdem, dass sich der Senat des Themas annehmen soll. Im Tschechischen Fernsehen brachte er sogar die Möglichkeit ins Spiel, nach der gegen Miloš Zeman eine Anzeige wegen Landesverrats erhoben werden könnte.