Prag schuftet und wienert für die anstehende Kanuslalom-WM
Prag liegt zwar in keinem Canyon, dennoch ist die tschechische Hauptstadt dem Kanusport sehr gewogen. Im Jahr 2006 feierte die Metropole an der Moldau sogar eine doppelte Premiere: Sie richtete erstmals eine Weltmeisterschaft im Kanuslalom aus und wurde damit nach Nottingham die zweite Stadt, die neben dieser WM auch eine Kanurennsport-Weltmeisterschaft ausgerichtet hatte. Jetzt, sieben Jahre später, werden sich die weltbesten Kanuslalom-Sportler vom 11. bis 15. September erneut in Prag ein Stelldichein geben. Um ein Haar hätte die WM allerdings kurzfristig abgesagt werden müssen. Der Grund: Das starke Juni-Hochwasser hat die Kanusportanlage im Stadtteil Troja arg beschädigt.
Die Sportanlagen im Stadtteil Troja sind derzeit ein von emsiger Arbeit geprägter Schauplatz mit zwei Gesichtern – in dem einem erkennt man unzählige Bauarbeiter, die mit Baggern, Hacken und Schaufeln das Gelände säubern und instandsetzen; in dem anderen sieht man Dutzende von Kanusportlern aus dem In- und Ausland bei ihrem täglichen Training.
„Der Wildwasserkanal ist bestens präpariert und man kann schon wieder gut trainieren“, versichert der Tscheche und olympische Silbermedaillengewinner von London im K1, Vavřinec Hradilek. Und die zweifache Olympiasiegerin in der gleichen Disziplin der Frauen, Štěpánka Hilgertová, ergänzt:
„Die Wettkampfstätte als solche funktioniert zu 100 Prozent und ohne Einschränkung. Was uns ein wenig fehlt, ist das Bootshaus sowie der Komfort im Umfeld einschließlich des Umkleidebereichs. Dieser Bereich wird aber momentan ohnehin nur teilweise oder auch gar nicht benutzt.“
Zudem weiß die Top-Athletin diesen Widrigkeiten zu begegnen:
„Ich gehe einfach aufs Wasser und paddle los. Für uns Sportler genügen eine intakte Slalomstrecke und ein Zelt als persönliches Domizil.“So wie Hilgertová aber denkt nicht jeder Kanute oder Sportfunktionär, erst recht nicht im Hinblick auf die bevorstehende Weltmeisterschaft. Von daher kennt WM-Organisationschef Jiří Rohan auch die Stellen, wo es noch klemmt:
„Es gibt noch viel zu tun, aber alles wieder optimal herzurichten werden wir nicht schaffen. Unser größtes Augenmerk richten wir auf das Bootshaus, das immer noch etwas feucht ist. Wir wollen es so gut wie möglich trocknen und sanieren, und damit haben wir noch viel Arbeit. Ich hoffe es gelingt uns, die Sanierung bis kurz vor WM-Beginn abzuschließen, um das Bootshaus wieder nutzen zu können. Es ist einfach unangenehm, dass uns weiterhin noch nicht alle Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, die wir für die WM bräuchten.“
Während die Sanierungsarbeiten in der Prager Kanusportanlage also noch in vollem Gange sind, bereitet sich eine Großzahl der Wildwasser-Kanuten gegenwärtig intensiv auf die anstehenden Titelkämpfe vor. Allen voran die unverwüstliche Štěpánka Hilgertová, die ihre geliebte Sportart schon seit 33 Jahren (!) betreibt. In dieser Zeit hat die gebürtige Pragerin neben ihren zwei Olympiasiegen (1996 in Atlanta, 2000 in Sydney) zudem 10 WM- und 14 EM-Medaillen gewonnen, darunter sind fünf Weltmeistertitel. Bei solch einer Visitenkarte ergibt sich zwangsläufig die Frage: Wie ist es möglich, in dem harten Profisport weit über 20 Jahre lang Erfolg zu haben?
„Dafür gibt es kein universelles Rezept, schon gar nicht in der heutigen Zeit. Hinter meinen Erfolgen steht nichts anderes als hartes Training und meine Auffassung, dass man es vermeiden sollte, sich schon früh in seinem Sport zu spezialisieren. Ich finde, man sollte im Gegenteil sportlich vielseitig sein und man darf die Regeneration nicht vernachlässigen.“Im gleichen Atemzuge aber fügt die 45-Jährige hinzu:
„Natürlich hat auch nicht jeder das Glück wie ich, von Verletzungen weitestgehend verschont zu bleiben. In dieser Richtung ist das also nicht mein Verdienst, sondern eher eine mir angeborene Eigenschaft. Von daher geht es mir gesundheitlich auch heute noch sehr gut.“
Und einmal ins Schwärmen geraten über ihre gute körperliche Konstitution und ihren ebenso erfreulichen Fitnesszustand verrät die tschechische Kanutin, dass sie durchaus noch große Ziele hat:
„Ich würde gern noch in einer weiteren Disziplin starten, und zwar im so genannten Extrem-Slalom, bei dem die Hindernisse, die es zu meistern gilt, auf acht bis zehn Slalomtore begrenzt sind. Das wäre eine zusätzliche Chance, eine Medaille zu gewinnen. Unserer Sportart würde das gut zu Gesicht stehen, denn bei ihr spielt der Zufall eine ziemlich große Rolle. Wenn nämlich jemand das einzige Rennen in seiner Bootsklasse verpatzt, dann hat er zumeist keine Chance mehr, sich für seine Trainingsarbeit zu belohnen und zu zeigen, was er wirklich kann.“
Štěpánka Hilgertová ist also weder müde noch bereit, um womöglich demnächst ihre Karriere zu beenden und das Paddel aus der Hand zu geben. Doch selbst wenn sie es täte, der Name Hilgertová wird so schnell nicht aus den Ergebnislisten verschwinden. Denn in Štěpánkas Schatten hat sich heimlich, still und leise inzwischen auch ihre Nichte Amálie zu einer hoffnungsvollen Nachwuchskanutin gemausert. Die 15-Jährige hat sich in dieser Saison in den sechs Rennen um den Tschechischen Pokal gleich viermal die Finalteilnahme erkämpft, in einem dieser Finalläufe belegte sie am Ende den 6. Platz. Mit ihrer Tante allerdings kann sie noch nicht mithalten, weiß Amálie:„Vor allem habe ich noch nicht soviel Kraft, daher rutsche ich eher über das Wasser als dass ich paddle. Mir fehlt es also noch an Dynamik und Ausdauer.“
Für das junge Alter von Amálie sind diese Defizite aber völlig normal. Ihre berühmte Tante ist daher überzeugt, dass Amálie eines Tages in ihre Fußstapfen treten könnte. Andererseits gibt sie zu bedenken:
„Amálie ist aber ebenso gescheit und vielseitig, daher könnte ich mir auch vorstellen, dass sie für längere Zeit studiert und im Sport etwas kürzer tritt. Doch ich denke, sie ist so geschickt, dass sie in ihrer Entwicklung ohnehin nichts überstürzen wird. Mit dem Leistungssport hat sie auch erst relativ spät begonnen, sie ist da ganz natürlich hineingewachsen. Von daher sehe ich ihre Perspektive ziemlich hoffnungsvoll.“
Große Vorschlusslorbeeren also für eine 15-Jährige, die schon jetzt einen berühmten Namen hat. Auf ihre prominente Tante aber möchte sie nach Möglichkeit nicht ständig angesprochen werden:„Bisher werde ich noch kaum mit ihr verglichen und ich hoffe, das bleibt so. Sich an ihr zu messen, das wäre nämlich momentan eine zu hohe Hürde für mich. Wichtig ist für mich, dass mir der Kanusport Spaß macht und ich ihn gern betreibe. Und wenn sich dann die ersten kleineren Erfolge einstellen sollten, dann wäre das umso schöner.“
Besser und schöner wird von Tag zu Tag auch die Kanusportanlage im Prager Stadtteil Troja. Bis zum Beginn der Weltmeisterschaft will man ihr noch ein wenig mehr Glanz verleihen.