Prager Forum: Tschechien und Sachsen müssen bei Infrastruktur an einem Strang ziehen
Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) ist nicht nur vom Namen her eine Institution zur Förderung des bilateralen Wirtschaftsaustauschs. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH hat sie am Dienstag in Prag zum bereits zehnten Male das Tschechisch-Sächsische Wirtschaftsforum ausgerichtet.
„Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Tschechien und Sachsen sind traditionell gut. Sachsen und Böhmen verbindet ja eine alte Industriegeschichte, die schon über 200 Jahre währt. Zudem liegt die Wiege des Maschinenbaues in Böhmen und in Sachsen“, sagt Bernard Bauer, der Geschäftsführer der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Prag. Beide Wirtschaftsräume leben aber nicht nur von der Tradition, sondern zeigen auch in der Gegenwart ihren guten Zusammenhalt, so Bauer: „Das bilaterale Handelsvolumen wurde im Jahr 2008 noch einmal enorm gesteigert. Es hat den Rekord von vier Milliarden Euro erreicht.“
Was sich hinter dem Handelsvolumen von vier Milliarden Euro verbirgt, macht Petr Šimůnek, der Chefredakteur der tschechischen Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“, mehr als deutlich: „Der tschechische Export nach Sachsen ist fünfmal höher als der tschechische Export nach China. Der Export nach Sachsen ist ebenfalls höher als der tschechische Export nach Russland.“
Für Sachsen ist die Tschechische Republik damit die Nummer eins unter den Importeuren. Beim sächsischen Export wiederum liegt Tschechien an 7. Stelle.
Zahlen und Fakten also, die klar belegen, wie gut und eng die Wirtschaften Tschechiens und Sachsens auch heute noch miteinander kooperieren. Das kommt jedoch nicht von ungefähr. Längst haben die Wirtschaftskapitäne beider Staaten das Tschechisch-Sächsische Wirtschaftsforum gegründet, um sich vielfältig auszutauschen und die wirtschaftlichen Beziehungen in Schwung zu halten. In Prag fand am Dienstag die bereits zehnte Tagung des Wirtschaftsforums statt. Dazu wurden drei Workshops durchgeführt. Beim Workshop Photovoltaik haben tschechische Vertreter der Branche mit Experten von Forschung und Entwicklung in Sachsen und mit Vertretern sächsischer Netzwerke mögliche Kooperationen und gemeinsame Projekte erörtert. Der Workshop Maschinen- und Anlagenbau war gleichzeitig der dritte Teil des Kooperations- und Absatzförderprojekts „Maschine Tschechien 09“. Das Projekt hat Unternehmen beider Seiten dazu angestachelt, im Laufe des Jahres vertiefte Beziehungen miteinander einzugehen. Den Workshop der Ernährungswirtschaft wiederum haben besonders die sächsischen Hersteller genutzt, den tschechischen Importeuren der Branche ihre Produkte zu präsentieren und daraufhin mögliche Geschäftsbeziehungen zu knüpfen.
Teil des Forums war eine Podiumsdiskussion, bei der sich auch Politiker aus Prag und Dresden dazu äußerten, welche Rolle dem Staat bei der Verzahnung und Weiterentwicklung beider Wirtschaften zukomme. Der sächsische Staatsminister für Finanzen, Georg Unland, beschrieb diese Rolle so:
„Ich sehe die Aufgabe des Staates in zwei Dingen. Das erste ist die Infrastruktur, und zwar die sächliche Infrastruktur. Ich spreche hier vor allem über den Straßenbau und den Schienenausbau. In diesen Bereichen gibt es ebenso zwei große Projekte, an denen meines Wissens nach Sachsen und Tschechien gemeinsam arbeiten sollten. Das zweite ist eine informelle Infrastruktur, und da spreche ich die Menschen an. Ich glaube, das ist ohnehin der Schlüssel zum Erfolg.“
Im Straßenbau gelte es, neben der schnellstmöglichen Fertigstellung der Autobahn Prag – Dresden vor allem die beiderseitigen Verkehrsanbindungen im unmittelbaren Grenzgebiet zu verbessern, sagte Unland und ergänzte:
„Was allerdings vielleicht ein noch größeres Projekt in Zukunft sein könnte, das ist die große Eisenbahn-Verbindung zwischen der Nord-/Ostsee und Südosteuropa. Das ist längst angedacht und sollte von beiden Ländern intensiv befördert werden. Denn das könnte eine weitere wichtige Entwicklungsachse Europas werden neben der so genannten Rheinschiene.“
Unland sprach von einem Eisenbahnkorridor, der von Stockholm über Berlin, Dresden und Prag bis hinunter in die südlichen EU-Länder Bulgarien und Griechenland führen sollte. Ein riesiges Infrastruktur-Projekt also, das die darin eingebundenen Wirtschaftsräume jedoch enorm beleben würde. Der tschechische Staatsvertreter an der Diskussion – ein Abteilungsleiter aus dem Ministerium für Regionalentwicklung – konnte leider keine verbindlichen Aussagen dazu machen, inwieweit Prag ein solches Projekt unterstützen würde. Staatsminister Unland wurde deshalb deutlich:
„Es ist bis heute noch nicht festgelegt, welche Trasse genommen wird. Es wird aber diese Trasse geben. Wir müssen nur aufpassen, dass die Trasse nicht an Sachsen und Tschechien vorbeigeht. Und wenn wir jetzt nicht an einem Strang ziehen, dann kann es sehr schnell passieren, dass diese Trasse letzten Endes nur parallel zu unseren beiden Ländern verläuft.“
Eine Mahnung, die auch der kaufmännische Geschäftsführer der Siemens AG in Tschechien, Radomír Šimek, unterstützt. In seiner Begründung verwies er noch auf einen weiteren Gesichtspunkt:
„Hier gilt es zu beachten, dass die Tschechische Republik im Jahr 2013 aller Voraussicht nach von einem Empfänger der Gelder aus den EU-Infrastrukturfonds zu einem Zahler dieser Mittel wird. Es wäre deshalb eine große Sünde, wenn man jetzt die Chance verpassen würde, mit Hilfe der EU-Fonds diesen Korridor zu bauen.“
Trotz anhaltender Wirtschafts- und Finanzkrise, die auch an Tschechien und Sachsen nicht vorbeiging, seien die Chancen durchaus gut, um mit gezielten Investitionen auf beiden Seiten die Entwicklung des zentraleuropäischen Wirtschaftsraums Tschechien/Sachsen weiter voranzutreiben. Mit ihrer Einschätzung zur Krise bestätigte das Mitglied der Geschäftsleitung der Commerzbank AG in Prag, Jutta Walter, den Minister in dieser Auffassung:
„Wir sind sehr zufrieden mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hier in Tschechien. Sicher, infolge der Krise hat es auch hierzulande einen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit sowie Probleme in der Liquiditätsbeschaffung der Banken gegeben. Der Unterschied zu vielen anderen mittel- und auch osteuropäischen Ländern aber ist der, dass alle diese Probleme von einem Ausmaß sind, das weit von einem Katastrophenszenarium entfernt ist.“Um ein solches Szenarium auch zukünftig auszuschließen, ist jetzt vor allem wirtschaftspolitisches Handeln gefragt. Eine offene Aufforderung des Podiums an die tschechische Politik, nun endlich auch Nägel mit Köpfen zu machen. Die bilateralen Projekte müssen jetzt energisch angepackt werden, strich Staatsminister Unland abschließend heraus:
„Die nächsten paar Jahre sind politisch entscheidend. In diesen wenigen Jahren müssen wir zeigen, dass wir Prag und Dresden auf eine neue zusätzliche Entwicklungsschiene in Europa bekommen.“