Prager Premiere: Oper Platée von Jean-Philippe Rameau

Marcel Beekman (Platée)

In der Prager Staatsoper erlebt eine neue Produktion der Oper „Platée“ des französischen Barockkomponisten Jean-Philippe Rameau ihre Premiere. Martina Schneibergová hat das Inszenierungsteam getroffen.

Die Oper „Platée“ von Jean-Philippe Rameau wurde am 31. März 1745 in Versailles uraufgeführt. Sie ist eine Komödie über eine hässliche Nymphe, die sich einreden ließ, dass Gott Jupiter sie liebe. Anlass der allerersten Aufführung war die Hochzeit von Louis, dem Sohn von König Ludwig XV., mit der spanischen Infantin Maria Theresia.

Marcel Beekman  (Platée) | Foto: Pavel Hejný,  Nationaltheater Prag

An der Prager Staatsoper ist „Platée“ nun ins Programm aufgenommen worden. Die Regie dieser Inszenierung haben Martin Kukučka und Lukáš Trpišovský übernommen. Musikalisch einstudiert wurde sie von Václav Luks. Sein Barockorchester Collegium1704 und der Chor Collegium Vocale 1704 wirken in der Inszenierung mit. Die Hauptrolle der Nymphe singt der niederländische Tenor Marcel Beekman.

Per Boye Hansen ist der künstlerische Leiter des Opernensembles an Prager Nationaltheater und Staatsoper. Im Interview für Radio Prag International sagte er, er habe eine Produktion von Platée Mal in Paris gesehen. Und weiter:

„Es war eine fantastische Inszenierung, das ist schon sehr viele Jahre her. Ich wollte das Stück immer auf der Bühne bringen und habe es bis jetzt nicht geschafft. Die Oper finde ich spannend, die Handlung ist unterhaltsam, frech, das Stück enthält viel Leidenschaft und viel Humor. Es ist so vielseitig und fast ein bisschen wie eine Operette, kann man vielleicht sagen. Ich dachte, es war wirklich an der Zeit, die Oper jetzt in Prag zu zeigen, denn sie ist noch nie hier aufgeführt worden.“

Hat es länger gedauert, bis Václav Luks und seine Musiker Zeit auch für diese Oper hatten?

Per Boye Hansen | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Ja, wir sind vor zwei, drei Jahren zum ersten Mal zusammengetroffen. Dann gab es ja die Corona-Zeit, und vieles musste verschoben werden. Es hat ein bisschen gedauert, aber ich glaube, die Wartezeit hat sich gelohnt. Es ist fantastisch, Václav Luks in unserem Theater zu haben. Er arbeitet mit unserem Orchester, mit unseren Sängern, dazu natürlich auch mit einigen Gästen zusammen und schafft eine großartige Atmosphäre. Und für ihn ist dies seine Musik, er kennt sie so gut, und es ist herrlich, bei den Proben dabei zu sein.“

Die Oper wird anderswo in Europa durchaus aufgeführt, aber hier wird sie vermutlich wirklich etwas ganz Neues für das Publikum sein. Es gibt hierzulande aber auch Musikbegeisterte, die Barockopern besonders mögen, doch sie müssen meist ins Ausland reisen, wenn sie solch eine Vorstellung live sehen wollen. Gibt es Pläne, auch weitere Barockopern aufzuführen?

„Schade, dass wir nicht in der Lage sind, viel mehr Barockmusik zu spielen. Wir haben viel Mozart in unserem Programm, aber die Musik von Anfang des 18. Jahrhunderts und aus dem 17. Jahrhundert ist bei uns vernachlässigt worden. Wir werden dies in Zukunft jedoch verbessern. Wir haben zudem weitere Pläne mit dem Repertoire aus dieser Zeit, und sogar aus dem 17. Jahrhundert.“

Können Sie da jetzt schon etwas verraten?

„Nein, wir wollen das erst im Februar auf unserer Pressekonferenz veröffentlichen.“

Oper Platée | Foto: Pavel Hejný,  Nationaltheater Prag

Mit Václav Luks, der „Platée“ musikalisch einstudiert hat, entstand zwischen den Proben folgendes Gespräch:

Herr Luks, wodurch unterscheidet sich Rameaus Musik, also die französische Barockoper, von der italienischen, die hierzulande vermutlich bekannter ist?

Václav Luks | Foto: Martin Balucha,  Tschechischer Rundfunk

„Wir sprechen über ganz andere Operndisziplinen. Die Vertreter der italienischen Barockoper, wie Vivaldi oder Georg Friedrich Händel, komponierten in einem Stil, im dem es eine ganz klare Struktur gibt, eine Folge von Da-Capo-Arien und Secco-Rezitativen. Und am Ende jeden Aktes tritt ein Chor auf. Das ist eine kodifizierte Struktur, die alle mitgemacht haben. Eine französische Oper dagegen ist eine ganz andere Welt. Seit Jean-Baptiste Lully, der eigentlich Italiener war und die Grundregeln für die französische Barockoper formulierte, handelt es sich eher um einen langgezogenen Bogen, in dem ganz genau notierte Rezitative, Ariosi und Arien übereinander kommen und in dem die Anschlüsse sozusagen ohne große Unterbrechung folgen. Der dramatische Zugang zur Oper war etwas ganz Neues und ganz spezifisch Französisches, das dann auch Jean-Philippe Rameau von seinen Vorgängern und von seinem Vorbild Lully übernommen hat.“

Was ist an dieser Oper einzigartig, auch was die Handlung anbelangt?

„Grundsätzlich kann man sagen, dass die Oper ,Platée‘ regelrecht revolutionär ist. Sie ist eine der ersten Buffo-Opern, also komischen Opern in Frankreich. In Italien waren diese schon längst bekannt. Und sie ist eine Parodie. Die Hauptperson, also die Platée, eine weibliche Figur, wird von einem hohen Tenor und nicht von einem Sopran gesungen. Das Stück ist voller Ironie und Sarkasmus. Und gleich zu Anfang der Oper wird gesagt: Niemand von euch – damit sind nicht nur wir auf der Bühne gemeint, sondern auch das Publikum – wird von unserem Sarkasmus, unserer Ironie und unserer Kritik ausgespart. Dies betraf damals die Vertreter des Hofs und der Kirche im Publikum. Man spürt diesen französischen Geist der Revolution, den französischen Rationalismus. Und mit welchem Humor und mit welcher Fantasie im Orchester, in der Instrumentierung, Rameau diese Geschichte vertont, ist einfach atemberaubend und in aller Hinsicht revolutionär.“

War das auch der Grund für den großen Erfolg? Die Oper wurde sehr lange gespielt, was damals nicht üblich war…

Oper Platée | Foto: Pavel Hejný,  Nationaltheater Prag

„Ganz bestimmt. Ich glaube, die Oper ist unglaublich zugänglich. Rameau hat sie nach der erfolgreichen Premiere in Versailles noch für die Pariser Vorstellung vier Jahre später bearbeitet. Und dann hat sich die Oper über 30 Jahre lang im Repertoire gehalten, was für das 18. Jahrhundert einzigartig ist. Eine erfolgreiche Oper wurde damals höchstens eine Spielzeit lang aufgeführt, aber ,Platée‘ hatte Hunderte von Reprisen. Der Prolog wurde als selbstständiges Werk wahrgenommen und ist mehr als 50 Mal selbstständig einstudiert worden. Ich glaube also, die Idee ist höchst artifiziell, intelligent und kunstvoll. Die Geschichte, die leicht verständlich und auch sehr menschlich ist, ist zudem sehr rührend. Das bedeutet eine Kombination, die das Publikum damals wie heute sehr berührt.“

In Prag ist es die erste Aufführung und insgesamt die zweite in Tschechien. Hängt das damit zusammen, dass es wahrscheinlich schwierig ist, den richtigen Sänger für die Titelrolle zu finden?

„Ganz bestimmt hängt das mit den Schwierigkeiten zusammen, diese Oper nicht nur in der Titelrolle zu besetzen, sondern einfach in allen Rollen. Aber es fehlt auch ein bisschen bei uns die Tradition, denn französische Musik wird generell nicht so oft hier gespielt und französische Barockmusik noch weniger. Eine große französische Oper zu inszenieren, ist zudem eine sehr anspruchsvolle und sehr teure Angelegenheit. Deswegen braucht man für eine erfolgreiche Inszenierung schon sehr viel Energie, Kraft und organisatorisches Potenzial. Es ist daher auch richtig, dass wir die Oper zusammen mit dem Nationaltheater einstudieren.“

Michaela Zajmi  (Juno) | Foto: Pavel Hejný,  Nationaltheater Prag

Ihr Ensemble Collegium 1704 wird durch Orchestermitglieder von der Staatsoper ergänzt. Wie funktioniert das?

„Die Idee war, dass man nicht nur eine schöne Inszenierung macht, sondern auch etwas für das Ensemble tut und den Musikern von der Staatsoper einen neuen Horizont eröffnet. Die Möglichkeit, dass sie mit unseren Musikern vom Collegium 1704 zusammenzuarbeiten, haben wir als Herausforderung verstanden. Es war ein Experiment, das meiner Meinung nach sehr gut geklappt hat. Und ich denke, es ist ein sehr sinnvolles Projekt. Ich bin sehr froh, dass wir diese wunderbare Musik den Musikern der Staatsoper auch vorstellen durften, die sonst natürlich meist oder ausschließlich das Standardrepertoire wie Wagner, Verdi, Puccini spielen. Jetzt öffnet sich aber eine ganz neue Welt für sie. Ich glaube, alle haben Freude daran.“

Die Premiere der Oper „Platée“ findet am 21. November in der Prager Staatsoper statt. Die Vorstellung fängt um 19 Uhr an. Es gibt noch Restkarten. Die zweite Premiere steht am 23. November auf dem Programm. Weitere Vorstellungen sind für 30. November, 6., 11. und 20. Dezember sowie 1. Juni kommenden Jahres geplant.

11
50.08051300048828
14.433015823364258
default
50.08051300048828
14.433015823364258