Prager Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX feiert ersten Geburtstag

Seit Herbst 2008 ist Prag um einen interessanten Ausstellungsort reicher. Im ehemals industriell geprägten Stadtteil Holešovice, der sich seit einigen Jahren zu einem Kultur- und Szeneviertel wandelt, hat das Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX eröffnet. Das Besondere an der modernen Ausstellungshalle ist, dass sie auf die Initiative privater Investoren hin errichtet wurde. Aus Anlass des ersten Geburtstags hat Daniel Kortschak mit dem Gründer und Leiter des DOX, Leoš Válka, gesprochen.

Es liegt zwar ein wenig verborgen im Stadtteil Holešovice, drei U-Bahn-Stationen nördlich der Prager Altstadt, und ist dennoch kaum zu übersehen: Das Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX besteht aus mehreren in hellen Grau- und Weißtönen gehaltenen modernen Hallen sowie aus Teilen der ehemaligen Industriebauten aus dem späten 19. Jahrhundert. Entworfen hat den dank großer Glasflächen luftig und hell wirkenden Komplex der tschechische Architekt Ivan Kroupa.

Gegründet hat das DOX Leoš Válka, der 1981 die Tschechoslowakei verließ, um in Australien in der Baubranche aktiv zu werden. 1995 kehrte Válka in seine alte Heimat zurück und hat inzwischen sein Tätigkeitsfeld um die Bereiche Innenarchitektur und Design erweitert. Auch hierzulande ist er im Bau- und Immobiliengeschäft tätig. Als er nach Prag zurückgekehrt sei, habe er schnell bemerkt, dass in Prag eine moderne Ausstellungshalle internationalen Formats fehle. Zunächst habe er auf entsprechende Initiativen des Staates oder der Stadt Prag gehofft, doch die Nationalgalerie / Národní galerie und die Galerie der Hauptstadt Prag / Galerie Hlavního města Prahy seien jahrelang hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt gewesen, so Válka. Daher habe er gemeinsam mit einigen Freunden beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. 2003 begannen die Arbeiten zur Errichtung des DOX, fünf Jahre später wurde eröffnet. Nun, gut ein Jahr später, blickt Leoš Válka im Gespräch mit Radio Prag auf die erste Saison zurück.

„Für uns war diese erste Saison sehr erfolgreich. Dabei gilt gerade das erste Jahr als besonders kritisch: Da zeigt sich, ob die neue Institution vom Publikum akzeptiert wird oder nicht und wie die Öffentlichkeit reagiert. Schon die Eröffnungsausstellung war unserer Meinung nach sehr interessant, weil wir einige monumentale Installationen gezeigt haben. Solche Dinge sind technisch wahnsinnig aufwändig und waren deshalb bisher in Tschechien kaum zu sehen. Nehmen Sie zum Beispiel die Konstruktion ‚Sediment’: Die war zehn Meter hoch, 35 Meter lang und wog stolze 30 Tonnen. Eine Installation in dieser Dimension können Sie in einer herkömmlichen Galerie natürlich nicht zeigen. Auch die weiteren Ausstellungen waren im internationalen Kontext gesehen sehr spannend, etwa die von Douglas Gordon, die wir in diesem Herbst gezeigt haben. Da sind Namen von Weltrang dabei.“

Ebenfalls auf großes Publikumsinteresse gestoßen ist David Černýs von Politikern und Medien skandalisiertes Kunstwerk „Entropa“, das nach seiner wegen der Regierungskrise vorgezogenen Rückkehr aus dem Brüsseler EU-Ratsgebäude seit dem Sommer im Hof des DOX zu sehen ist.

„Entropa ist ein umstrittenes und mittlerweile sehr populäres Kunstwerk. Das ist ein richtiger Publikumsmagnet, der sich sehr positiv auf unsere Besucherzahlen auswirkt. Viele Leute, die sonst mit zeitgenössischer Kunst nicht so viel anfangen können und die sich eine komplexere, kompliziertere Installation wahrscheinlich nicht ansehen würden, kommen wegen Entropa.

Entropa
Aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachtet ist das einfach ein hochinteressantes Kunstwerk. Seien es seine Ausmaße, seien es die umstrittenen Darstellungen der einzelnen EU-Länder oder die beweglichen Teile: Es tut sich etwas in der Installation, es bewegt sich, es ist einfach witzig. Wir haben auch eine Umfrage dazu laufen. Wir wollen von den Besuchern wissen, ob ihnen Entropa gefällt oder nicht und warum. Viele schreiben ihre Kommentare auch ins Gästebuch. 99,9 Prozent der Besucher gefällt Entropa.“

Die – wohl nicht ganz ernst gemeinte – Befürchtung des Entropa-Schöpfers David Černý, die Prager könnten ihrer Wut an seinem Kunstwerk freien Lauf lassen, ob mit Steinen oder einer Atombombe, hat sich jedenfalls bisher nicht bestätigt, sagt DOX-Gründer Leoš Válka:

„Nein, das kann ich mir auch nicht vorstellen, dass… Natürlich, möglich ist alles. Aber ich glaube nicht, dass noch etwas passiert. Denn die größte Welle der Aufregung und Begeisterung rund um Entropa ist mittlerweile vorüber“, so Leoš Válka, der „sein“ Zentrum DOX als Ort des Dialogs zwischen der heimischen und der internationalen zeitgenössischen Kunst sieht. So finden neben internationalen Stars auch heimische Künstler ihren Platz im DOX und auch Themen mit eindeutigem Tschechien-Bezug kommen nicht zu kurz. Zurzeit läuft etwa eine dreiteilige Ausstellungsreihe zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes. Teil eins, der im Oktober und November zu sehen war, zeigte unter dem Titel „Morgen beginnt gestern“ / „Zítřek začíná včera“ verschiedene künstlerische Auseinandersetzungen mit der Samtenen Revolution vor 20 Jahren und den seither stattfindenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen. Bis Ende Februar ist nun die Installation „Evidenz der Personen von Interesse für die Staatssicherheit“ / „Evidence zájmových osob StB“ zu sehen, die das kontroverse Thema des Zuganges zu den Archiven der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit aufgreift.

Gleichzeitig sind noch bis zum 6. Januar die Arbeiten der Finalisten im Wettbewerb um den Jindřich-Chalupecký-Preis zu sehen, der seit 1990 die beste Arbeit eines tschechischen Nachwuchskünstlers auszeichnet. Doch das DOX ist nicht einfach eine Kunsthalle, sondern versteht sich als Ort des multikulturellen Austauschs: mit Lesungen, Workshops, Symposien, Performances und Diskussionen. Als eines seiner internationalen Vorbilder nennt Válka in diesem Zusammenhang des Wiener MAK, das Museum für Angewandte Kunst. Doch all diese Aktivitäten haben ihren Preis. Wie finanziert sich das Zentrum DOX eigentlich? Dazu Leoš Válka:

Foto: Štěpánka Budková
„Wir bekommen Subventionen vom Kulturministerium, für die wir natürlich sehr dankbar sind. Und auch die Hauptstadt Prag unterstützt uns finanziell und hilft uns damit sehr. Aber unsere Ansprüche sind hoch. Wir haben alleine 6000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. So eine Institution kostet furchtbar viel Geld. Wir haben auch eine Menge Begleitveranstaltungen und Vermittlungsprogramme und veranstalten zwölf Ausstellungen pro Jahr. Das sind große Ausgaben, die sich mit denen anderer großer europäischer Ausstellungshallen vergleichen lassen. Unser Jahresbudget geht in die Euro-Millionen. Die Subventionen decken nicht einmal zehn Prozent unserer Ausgaben. Das ist sehr bedauerlich, und wir hoffen, dass sich das bald ändert.“

Neben den Eintrittsgeldern versucht das DOX aus der Vermietung der Räume für Veranstaltungen, dem Betrieb des Cafés und des Museumsshops weitere Einnahmen zu generieren. Dennoch, auch damit lassen sich die Ausgaben nicht zur Gänze decken. Woher kommt also das Geld? Leoš Válka klärt auf:

„Na ja, das ist die witzigste und zugleich wohl traurigste Seite des Ganzen: Es kommt immer noch von den Leuten, die das DOX gegründet haben. Die haben in dieses Zentrum investiert… Was heißt investiert. So etwas bringt ja kein Geld. Also diejenigen, die den Bau des DOX finanziert haben, die haben nun auch den Betrieb im ersten Jahr unterstützt und sie werden ihn auch im zweiten Jahr unterstützen müssen. Und dann sehen wir weiter. Ich hoffe, es finden sich weitere Interessenten und Geldgeber.“

Die langfristige Finanzierung des DOX ist also, so wie bei vielen anderen Kulturinitiativen in Tschechien auch, alles andere als sicher. Dies wirkt sich natürlich auch auf den Ausstellungsbetrieb aus, sagt DOX-Gründer Válka:

„Großausstellungen von internationalem Format haben für gewöhnlich eine Vorbereitungszeit von mehreren Jahren. Aber mit unserem kleinen Team und einer Menge Improvisation schaffen wir es dennoch, gute Ausstellungen zu machen. Wofür andere zwei, drei Jahre brauchen, benötigen wir oft nur fünf Monate, ein halbes Jahr. Aber klar, länger als ein Jahr vorauszuplanen ist angesichts der Finanzierungssituation auch gar nicht möglich. Das trifft indes nicht nur uns, sondern auch andere Institutionen wie zum Beispiel die Galerie Rudolphinum. Das gehört wohl einfach zu unserer heutigen Zeit: Nirgendwo gibt es noch finanzielle Sicherheit.“

Ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung von Ausstellungen bedeutender Künstler ist die internationale Zusammenarbeit. Vielfach handelt es sich dabei um jahrzehntelange Kooperationen weltberühmter Häuser. Hat da ein Newcomer wie das Prager DOX überhaupt eine Chance mitzureden?

„Wir haben verschiedenen Kooperationen mit Galerien, Kunsthallen und privaten Sammlern im In- und Ausland. Das variiert je nach Ausstellung, wir haben also keine fixen Partnerschaften. Aber wir sind in der glücklichen Lage, dass wir uns im internationalen Ausstellungsbetrieb schon einen guten Namen gemacht haben“, so der Gründer und Leiter des Prager Zentrums für zeitgenössische Kunst DOX, Leoš Válka, im Gespräch mit Radio Prag.

Alle Informationen zum Programm, den Öffnungszeiten und den Eintrittspreisen finden sie auf den Internetseiten des DOX: www.doxprague.org/en/homepage