Pressestimmen zur Affäre Cunek und zur Präsidentenrede vom 28.10.

Im Mittelpunkt der heutigen Ausgabe von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag, stehen Pressestimmen zum aktuellen Zeitgeschehen.

Nach den zwei Tage dauernden Herbstferien in der letzten Woche und dem Staatsfeiertag am Sonntag, dem 28. Oktober, sind in der tschechischen Medienwelt wieder Normalität und Alltag eingekehrt - mit ihren erfreulichen wie auch etwas weniger erfreulichen Nachrichten.

Zur ersten Kategorie gehört wohl die Meldung, dass es im gerade erst zu Ende gegangenen Monat Oktober bedeutend weniger Verkehrstote gab, als ursprünglich befürchtet wurde und mit 87 Opfern deren Zahl nach vier Monaten in Folge erstmals unter 100 geblieben ist. Ob sich diese positive Entwicklung auch in den nächsten Wochen bestätigen und die immer noch viel zu hohe Zahl der Verkehrsopfer weiter sinken wird, muss laut den Medien wie auch den vorsichtigen Schätzungen der Verkehrsexperten, noch abgewartet werden.

Foto: Štěpánka Budková
Ein anderer Trend steht hingegen seit mehreren Monaten fest und bekam am 1. November weiteren Auftrieb: Die Rede ist von den steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel, was den stets serviceorientierten tschechischen Medien natürlich eine Meldung auf den Titelseiten wert war. Neben Brot und Bier soll es vor allem bei Milchprodukten zu einem empfindlichen Preissprung kommen.

Der Nachricht, dass das Bier teuerer werden soll, konnten sich auch die tschechischen Boulevardblätter nicht entziehen, ansonsten schienen sie aber weiterhin in ihrer eigenen Welt zu leben. Das heißt in erster Linie, dass minutiös die Entwicklungen im tschechischen Showgeschäft wie auch in den gerade laufenden Reality-Shows verfolgt wurden.

Präsident Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Blickt man auf das politische Geschehen in Tschechien, so lässt sich eines feststellen: Das Land befindet sich auf der Suche - vor allem immer noch nach einem geeigneten Gegenkandidaten, der im Februar kommenden Jahres Amtsinhaber Vaclav Klaus bei der Präsidentenwahl herausfordern und besiegen könnte. Und auch die Suche nach einem neuen Bildungsminister ist noch immer nicht abgeschlossen. Wer konnte aber Anfang der Woche ahnen, dass an deren Ende ein weiterer Posten in der Regierung frei werden würde?

Jiri Cunek  (Foto: CTK)
Die jüngste Vakanz im Kabinett betrifft den Posten des Ministers für regionale Entwicklung und stellvertretenden Premiers: Jiri Cunek, der dieses Amt innehatte, ist über seine zahlreichen Affären gestolpert und hat seinen Rücktritt angekündigt. Als ihm im Frühjahr vorgeworfen wurde noch in seiner Zeit als Bürgermeister der ostmährischen Stadt Vsetin / Wesetin Schmiergeld angenommen zu haben, konnte er sich noch retten, weil ihn seine Partei stützte und die Staatsanwaltschaft den Fall einstweilen ad Acta legte. Doch nun, als die Meldung veröffentlicht wurde, dass Cunek vor einigen Jahren trotz Millionenbeträgen auf seinen damaligen Konten zusätzlich von staatlichen Sozialleistungen Gebrauch machte, war sein Verbleib in der Regierung unhaltbar geworden.

In der Internetzeitung "Neviditelny pes" wird in diesem Zusammenhang nicht nur der Umgang von Regierungschef Mirek Topolanek mit den Affären seines Stellvertreters an der Regierungsspitze kritisiert, sondern auch auf die Rolle der Medien bei der Aufdeckung dieser Skandale verwiesen:

Premier Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
"Das Schlimmste ist eigentlich der Mechanismus, mit dem das alles eigentlich offiziell vertuscht werden sollte. Doch jemand hat das Gesetz des Schweigens gebrochen und die Sache an die Medien herangetragen. Es fehlte an jeglichem politischen Willen etwas zu unternehmen, denn Premier Topolanek fürchtete um den Fortbestand seiner Koalition. Somit trägt Topolanek die gleiche Mitverantwortung für Cunek wie die Sozialdemokraten für Stanislav Gross. Auch sie standen damals wie ein Mann hinter dem damaligen Premier und beklagten sich über vermeintliche Medienkampagnen. Auf gewöhnlichem Wege hätte sich nichts machen lassen - die Untersuchungen gegen Cunek waren offizielle beendet, die Augen waren zugeklebt und die Hände gebunden. Ein Hinweis an die Medien war der einzig mögliche Weg. Im Grunde ist das an der ganzen Sache das Peinlichste, wobei dabei die Latte schon ziemlich niedrig angesetzt ist!"

Die "Mlada fronta Dnes", die auflagestärkste unter den seriösen Tageszeitungen, stellte ihren Lesern die rhetorische Frage, ob es denn überhaupt reicht, dass Cunek nun nach langem Hin und Her gegangen ist:

"Für den Fall Cuneks gilt das Gleiche, wie schon zuvor für Stanislav Gross mit seiner Affäre. Solange kein halbwegs vertrauenswürdiges Gericht ihre Unschuld feststellt, wird ihnen niemand glauben, dass sie unschuldig sind. Und ein solcher Gerichtsprozess ist leider nicht in Sicht. Auch wenn es gut ist, dass Cunek gegangen ist, hat eine Mehrheit der Tschechen nichts zu feiern."

Themenwechsel: Vergangenen Sonntag war in Tschechien Staatsfeiertag. Es wurde der Republikgründung vom 28. Oktober 1918 gedacht. Wie jedes Jahr hat sich auch diesmal aus diesem Anlass die Prominenz aus Politik und Gesellschaft auf der Prager Burg versammelt, es wurden Verdienstorden verteilt und der Hausherr - Präsident Vaclav Klaus - hielt eine Rede.

Die Kommentatoren waren sich nachher einig, dass diese Rede schon stark unter dem Einfluss der nahenden Präsidentenwahl stand. Der Präsident kritisierte, wie üblich, nicht nur die EU, sondern auch zwei Nachbarländer - Deutschland und Österreich. Der Kommentator der "Mlada fronta Dnes" meinte in diesem Zusammenhang:

Präsident Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
"Mit seiner Rede gab Klaus zu erkennen: Ich bin, was meine Positionen angeht, fest und stimme mit dem überein, was die Mehrheit der stolzen Tschechen denkt. Kein Wunder also, dass er sich gegen die österreichischen Versuche wandte, Temelin einzuschränken, sowie gegen die Tendenzen einiger politischer Kreise in Deutschland, die europäische Nachkriegsordnung in Frage zu stellen. Die Wahrheit ist aber, dass während Österreich tatsächlich Temelin abschaffen will, niemand Bedeutendes in Deutschland aber eine Änderung des Status quo nach dem Zweiten Weltkrieg fordert. Für seine Verhältnisse hat der Präsident gemäßigter als sonst die europäischen Experimente verurteilt. Im Übrigen ist er außenpolitisch weniger pro-amerikanisch und mehr pro-russisch und pro-chinesisch, als die Regierung. Der Debatte über die Radaranlage gibt er eine Chance. Denn mit allen außer den bösen Österreichern, aber einigen Deutschen und Eurokraten, lässt sich doch schön zusammenarbeiten."

Kritisch setzte sich mit der Präsidentenrede auch die Tageszeitung "Lidove noviny" auseinander:

"Klaus ziehen Worte wie Selbstverständlichkeit und Einzigartigkeit an, doch er geht damit auf seine, eine eigenartige Weise um. Dementsprechend einzigartig sind nach der Lesart des Präsidenten vor allem die guten Beziehungen mit der Slowakei und mit Polen. Warum? Haben wir denn irgendwann gegen die Slowaken und Polen einen Vernichtungskrieg geführt? Wenn es nämlich in unserer Nachbarschaft wirklich etwas Einzigartiges gibt, dann sind es die Beziehungen zu Deutschland. Denn ein Verbündeter Deutschlands sind wir in der ganzen Geschichte des Landes erstmals seit einem ganzen Jahrzehnt - seit dem Beitritt zur Nato und zur EU. Klaus stört, dass diese einzigartige Beziehung mit dem früheren Feind internationalen Charakter hat. Deshalb bezeichnet er Deutschland und Österreich als nationale und ganz konkrete Gefahren. Und im Gegensatz dazu muss man laut Klaus die Gefahr, die in der Errichtung einer Radaranlage in Tschechien liegen könnte, noch ausdiskutieren, damit niemand sich manipuliert fühlt. Weder Putin, noch die Linke im tschechischen Abgeordnetenhaus hätten dass besser formulieren können."