Pressethemen: Obama-Mania und Grünen-Politiker auf verlorenem Posten

Barack Obama (Foto: Štěpánka Budková)

Die Presseschau mit einer breiten Mediennachlese zu der Rade von US-Präsident Barack Obama in Prag hat diesmal Katrin Materna gestaltet. Weitere Themen sind Grünen-Politiker, die nicht wissen, was Biomasse ist und ein Blick über die Landesgrenzen in die benachbarte Slowakei.

Barack Obama  (Foto: Štěpánka Budková)
Moderator: Tschechien blickt ja auf eine ganz schön turbulente Woche zurück. Den Auftakt bildete natürlich „das“ historische Ereignis am Wochenende, der Besuch Barack Obamas in Prag. Am Sonntag konnte man morgens kaum öffentliche Verkehrmittel benutzen, weil so viele Leute den US-Präsidenten live sehen und natürlich hören wollten…

K. Materna: Ich selbst habe mir das Spektakel natürlich auch nicht entgehen lassen und war erstaunt, dass ich im Publikum im Grunde nur positive Reaktionen auf Obamas Rede zu hören bekam. Und dass, obwohl er ja das leidige Thema Radarabschirmanlage aufgegriffen hat, mit dem Resultat: Das Radar wird gebaut, es sei denn, von Iran geht künftig keine Bedrohung mehr aus. Auch in den Kommentaren fand sich überwiegend Wohlwollendes, vor allem der Satz „Die USA werden diesem Land niemals den Rücken kehren“ wurde honoriert, aber auch die Tatsache, dass Obama auf die tschechische Geschichte eingegangen ist. Dennoch habe ich natürlich auch kritische Stimmen gefunden: Einige Journalisten sind überzeugt, dass es ungeschickt war, sich ausgerechnet Prag für das Thema atomare Abrüstung auszusuchen. Petr Kamberský begründet in der „Hospodářské noviny“ das folgendermaßen: „In allen anderen Städten, die Obama erwähnt hat, Islamabad, Moskau, Tel Aviv und Tokio, wäre das Thema besser angekommen. Schließlich sind die Tschechen weder Atommacht noch Opfer.“

Barack Obama und Nicolas Sarkozy  (Foto: ČTK)
Ähnlich bewertet das Martin Weiss von der Zeitung „Lidové Noviny“. Er glaubt, dass diese Pläne in Prag zu verkünden unlogisch war, denn hier wird die atomare Abrüstung als Angelegenheit der Großmächte betrachtet. Ein Thema, bei dem Tschechien nichts zu sagen hat. Weiss schreibt wörtlich weiter: „Die Vision vom atomaren Abrüsten hätte einen Tag früher, in Straßburg nämlich, erklingen sollen. Das wäre interessanter gewesen. Es liegt nämlich auf der Hand, was Präsident Sarkozy dazu gesagt hätte: Es soll keiner damit rechnen, dass Frankreich seine Atomwaffen aufgibt.“ Die Zeitung „Právo“ greift das Thema Radar heraus und kritisiert Obama dafür, dass er die Pläne für die Anlage an Iran gekoppelt hat, anstatt sie von der Meinung der tschechischen Bevölkerung abhängig zu machen, die die Anlage zu 70 Prozent ablehnt.

Moderator: Kaum war Obama weg, machten die hiesigen Politiker aber wieder aus innenpolitischer Sicht von sich reden. Die Regierungsverhandlungen wurden fortgesetzt, mit dem Ergebnis, dass ein gewisser Jan Fischer der neue Regierungschef und somit auch EU-Ratspräsident ist. Ich muss zugeben, als ich den Namen des neuen Regierungschefs am Sonntagabend gehört habe, musste ich scharf nachdenken, wer dieser Jan Fischer eigentlich ist.

Jan Fischer und Václav Klaus  (Foto: ČTK)
K. Materna: Ich fürchte, das ging vielen anderen auch so. Auch in den hiesigen Zeitungen wird der bisherige Chef des Statistikamtes No-Name gehandelt, dessen Kompetenz für die große Aufgabe, Europa zu führen, vielfach stark angezweifelt wird. Daran ändert auch der Hinweis seiner Befürworter nichts, er habe gute Kontakte ins Ausland. Bisherigen Meldungen zufolge beschränken sich seine Auslandserfahrungen auf sein Engagement in Osttimor. Tomáš Němeček von der Tageszeitung „Hospodářské Noviny“ urteilt: „Der farblose Vorsitzende des Amtes für Statistik ist ausgewählt worden, weil er keine eigenen Ambitionen und Vorstellungen hat. Die Wahl von Mister ´größter gemeinsamer Nenner´ sollte außerdem verhindern, dass Klaus schneller ist und die Variante ins Spiel bringt, die als die schlimmste erscheint: ein ´Burg-Kabinett´. Deshalb hat man sich auf die zweitschlimmste Variante geeinigt: einen Premier, der von den Verhandlungen im Europäischen Rat keinen Schimmer hat und den keiner der anderen Regierungsoberhäupter Europas kennt.“ Němečeks Zeitungskollege Petr Kamberský findet sogar noch deutlichere Worte: „Eine Regierung, an dessen Spitze der korrekte Statistiker Jan Fischer steht, wirkt wie ein peinlicher und schlechter Scherz.“

Martin Komárek, Kommentator der „Mladá Fronta Dnes“ spricht von einer ´Regierung von Handlangern´, die das Land weder nach vorne bringen noch lenken wird. Jana Machálková von der Zeitung „Lidové Noviny“ beschäftigt sich als eine von wenigen mit der Tatsache, dass Fischer in den 80er Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei war. Sie schreibt: „Wer 1981 der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei beigetreten und 1989 wieder ausgetreten ist, ist ein Karrierist. Sehr wahrscheinlich hat er auf den Parteitagen nur herumgesessen, Loyalität ausgestrahlt und den Sozialismus zum Schein mit aufgebaut. Aber damit war er Teil der Staffage, die das damalige Regime benötigte.“

José Manuel Barroso und Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Milan Vodička von der „Mladá Fronta Dnes“ wiederum geht mit Tschechien insgesamt hart ins Gericht. In seinem mit dem Satz „Warum uns die Welt völlig egal ist“ übertitelten Kommentar schreibt er: „Wir sind ein Land, das nicht begreift, dass auf der anderen Seite der Berge ebenfalls eine Welt existiert und diese oftmals wichtiger ist als die unsrige. Aber Europa kann beruhigt sein, denn der euroskeptische Präsident Václav Klaus hat ja dem Kommissionspräsidenten Barroso in dieser Woche versichert, er würde das Schiff zur Not schaukeln...“

M: Also die Ratspräsidentschaft schaukeln. In der vergangenen Woche wurde vielfach die Hoffnung laut, dass einige der bisherigen Minister die Scharade überleben.

K: Das stimmt. Im Zuge der Schadensbegrenzung hätte vielen Experten zufolge vor allem Außenminister Karel Schwarzenberg bleiben sollen. Inzwischen ist aber klar, dass auch er seinen Posten abgeben muss. Tomáš Němeček von der Tageszeitung „Hospodářské Noviny“ schreibt dazu: „Aus der bisherigen Regierung darf niemand bleiben. [Oppositionsführer]Jiří Paroubek legt nicht ein Fünkchen Großzügigkeit an den Tag.“

M: Beim Stichwort Großzügigkeit fällt mir ein, wie steht es um die Vize-Vorsitzende der Grünen? Kateřina Jaques konnte bekanntlich in einer Talkshow die Frage nicht beantworten, was Biomasse ist.

K: Ja, und das, obwohl sie ständig dazu aufruft, beim Heizen auf Biomasse umzustellen. Josef Havránek schlägt deshalb in der „Mlada Fronta Dnes“ vor, Kateřina Jacques und den Vorsitzenden der Grünen, Martin Bursík, einem Lügendetektortest zu unterziehen. Das würde seiner Meinung nach interessante Informationen über deren tatsächliche Haltung zur Atomenergie und dem Umweltschutz offenbaren. Havránek schreibt: „Der Fernseh-Auftritt der Grünen-Abgeordneten in besagter Talkshow hat ihre eklatanten Wissensdefizite aufgezeigt. Zumindest wird daran deutlich, wie leicht es ist, bestimmte Modethemen zu nutzen, um Macht und Prestige zu gewinnen.“

M: Die politische Lage hierzulande wird uns sicher noch eine Weile beschäftigen. Schauen wir aber kurz über die Landesgrenzen hinweg, in die Slowakei nämlich. Dort wurde am „Obama-Wochenede“ schließlich der Präsident gewählt, auch wenn diese Meldung fast untergegangen wäre im Obamafieber.

Ivan Gašparovič  (Foto: ČTK)
K: Ja, die Betonung liegt auf Präsident, denn Ivan Gašparovič ist es wieder geworden und nicht eine Präsidentin, denn die Kandidatin der Opposition, Iveta Radičová hat das Rennen nicht gemacht. Die Tageszeitung „Lidové Noviny“ zieht hier eine Parallele zur Präsidentenwahl in Tschechien vor einem Jahr. Denn, so heißt es hier, ebenso wie Mirek Topolánek damals Václav Klaus zum Sieg verholfen hat, ist Gašparovič dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico zu Dank verpflichtet. Ohne ihn wäre er, so wörtlich, eine „politische Leiche“. Und weiter: „Im Gegensatz zu Topolánek, der mit der Unterstützung von Klaus´ Wiederwahl politischen Selbstmord begangen hat, muss Fico jedoch nichts befürchten. Gašparovič wird weiter Hockey gucken gehen und er wird nur selten von sich hören lassen, denn im Gegensatz zu Klaus, hat er keinerlei Ambitionen.Und in fünf Jahren, wenn erst mal die Machtbefugnisse des Präsidenten ausgeweitet worden sind, werden die Slowaken Fico selbst zum Staatsoberhaupt machen, nicht nur seinen Lakaien.“