Pumpen, Filter und Aussichtsterrasse: Wasserwerk in Podolí
Industriearchitektur und verschiedenste technische Sehenswürdigkeiten gewinnen in den letzten Jahren immer mehr an Popularität. Auch die tschechische Hauptstadt hat in diesem Bereich einiges anzubieten. In der Sendereihe „Spaziergang durch Prag“ haben wir Sie beispielsweise schon durch die unterirdischen Kollektoren oder die historische Kläranlage von Bubeneč geführt. Seit dem vergangenen Donnerstag haben Bewunderer der Industriearchitektur die Möglichkeit, noch eine weitere technische Sehenswürdigkeit in Prag zu besichtigen: ein Wasserwerk.
Wer eine Dampfschifffahrt auf der Moldau Richtung Vyšehrad unternimmt, kann das große weiße Gebäude am rechten Moldauufer nicht übersehen. Für die Prager ist es die „podolská vodárna“ – das Wasserwerk von Podolí. Denn wenn ein Prager nur von der „vodárna“ spricht, dann meint er wiederum ein anderes Gebäude: das einstige Wasserreservoir im Stadtteil Vinohrady.
Das Wasserwerk in Podolí wurde in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre nach dem Entwurf des Architekten Antonín Engel erbaut. Bestandteil des technologischen Komplexes war auch ein Maschinenraum mit Wasserpumpen, ein Bürogebäude sowie eine Filterstation. Für die damalige Zeit war es ein verhältnismäßig großes Projekt. Die Leistung des Wasserwerks betrug 35.000 bis 40.000 Kubikmeter Wasser pro Tag. Das Moldauwasser wurde zuerst gefiltert und dann belüftet. Danach wurde es nochmals gefiltert und desinfiziert. Das auf diese Weise aufbereitete Trinkwasser wurde durch die Wasserleitung nach Vinohrady geleitet, wo unweit der Straßenkreuzung Flora zwei Wasserspeicher errichtet wurden. Von dort aus wurde das Wasser in weitere Stadtteile geleitet. Die technische Einrichtung des Wasserwerks ist seit seiner Inbetriebnahme einige Mal erneuert worden.
Bis 2002 sei das Wasserwerk ununterbrochen im Betrieb gewesen, erzählt Jiří Dejmek. Er leitet das Archiv der Prager Wasserwerke und kennt sich im Labyrinth der Flure im Wasserwerk sehr gut aus. Wer sich die Architektur vom Innen anschauen will, muss zuerst den ein wenig versteckten hinteren Eingang finden und eine Wendelstufe hinaufklettern. Von dort kommt man in einen langen verglasten Gang, aus dem man in eine riesengroße Halle schauen kann. Jiří Dejmek:„Jetzt befinden wir uns in dem älteren Teil des Gebäudekomplexes. Der Bau wurde 1930 beendet. Hier ist die Filterhalle. Nachdem das zweite Gebäude in den 1960er Jahren erbaut wurde, wurde die chemische Vorbehandlung des Wassers dorthin übertragen. Hier wird seitdem nur noch die Wasserfiltration durchgeführt.“
Das Wasserwerk in Podolí dient heute nur noch zur Reserve. Ihr Trinkwasser erhalten die Prager aus zwei weiter entfernten Wasserwerken. Aber bis Hochwasserkatastrophe von 2002 lief Podolí noch im Normalbetrieb.„Das Wasserwerk wurde vom Hochwasser nicht direkt betroffen. Aber die Qualität des Moldauwassers war so schlecht, dass man das Wasser nicht aufbereiten konnte. Bei diesem Ausfall während der Hochwasserkatastrophe hat es sich gezeigt, dass die Kapazität der Wasserwerke in Káraný und am Fluss Želivka, wo auch Trinkwasser für Prag aufbereitet wird, ausreicht. Es war nicht mehr notwendig, ein drittes Wasserwerk ständig im Betrieb zu haben. Zudem ist der Wasserverbrauch in Prag seit 1989 um etwa ein Drittel gesunken.“
Der niedrigere Wasserverbrauch hat zum Teil finanzielle Gründe. Ein Kubikmeter Trinkwasser kostete 1989 nur 80 Heller, was umgerechnet etwa 3 Cent entsprechen würde. Heutzutage zahlt man jedoch mehr als 50 Kronen für den Kubikmeter, also etwa zwei Euro. Zudem sind viele der Industriebetriebe, die Großverbraucher waren, inzwischen aus der Hauptstadt verschwunden.Im älteren Gebäude des Wasserwerks ist das Prager Museum der Wasserversorgung untergebracht. Das Museum ist während der Jahre dank passionierter Technikfreaks entstanden. Ursprünglich waren die Exponate in den Räumlichkeiten des Direktoriums der Prager Wasserwerke an der Národní-Straße im Stadtzentrum ausgestellt. Erstmals zugänglich gemacht wurden die Sammlungen 1952, sagt Jiří Dejmek und ergänzt.
„Seit 1997 ist das Museum im Wasserwerk untergebracht. Damals wurde das Wasserwerk gründlich in Stand gesetzt, und wir wollten der Öffentlichkeit wenigstens gelegentlich ermöglichen, die wunderbare Architektur von Antonín Engel zu besichtigen. Das Museum war ein guter Grund dafür, hier ab und zu Führungen zu organisieren. Dies soll sich jetzt ändern: Von nun an können die Interessenten jeden Donnerstag das Wasserwerk besuchen. Die Führung müssen jedoch zuvor auf der Webseite der Prager Wirtschaftskammer reserviert werden.“An Tagen der offenen Tür oder zu anderen besonderen Gelegenheiten hat sich gezeigt, dass großes Interesse herrscht an der Besichtigung des Museums. Im vergangenen Jahr haben insgesamt rund 8000 Menschen das kleine Museum besucht. Die Mitarbeiter der Prager Wasserwerke bemühen sich, die Ausstellung ständig zu erweitern. Es komme sogar vor, so Jiří Dejmek, dass Besucher selbst eine historische Armatur oder einen anderen geeigneten Gegenstand nach Podolí mitbringen:
„Das interessanteste Exponat ist die wahrscheinlich einzige erhaltene Pumpmaschine vom Modell Renaissance. Sie wird so genannt, weil sich die Bauart der Maschinen von der Renaissancezeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht geändert hat. Die Maschine stammt natürlich nicht aus der Renaissancezeit, sondern wurde 1830 in Klatovy / Klattau hergestellt. Ähnliche Maschinen waren aber schon im 15. Jahrhundert in den Prager Wasserwerken im Betrieb. Sie wurden von einem Wasserrad betrieben. Mit dem technischen Fortschritt wurden diese Maschinen durch neuere ersetzt, und die alten wurden leider verschrottet. Heutzutage kann man sie meist nur noch auf Fotos sehen.“Nicht nur technische Originalstücke aus der Geschichte der Wasseraufbereitung kann man im Museum besichtigen. Die weniger technisch Begabten können dort auch mehr über die Anfänge der Wasserversorgung in Prag erfahren – in Bild und Wort:
„Die erste öffentliche Wasserleitung wurde 1348 in der Neustadt installiert. Das Wasser wurde an dem Ort geschöpft, der heute Na Rybníčku heißt. Durch eine hölzerne Wasserleitung wurde das Wasser in zwei Brunnen geleitet, dorthin, wo sich heute der Wenzelsplatz und der Karlsplatz befinden. Ein Beweis dafür, dass es diese Wasserleitung gab, ist erhalten geblieben. Auf dem Wenzelsplatz wurde vor etwa 50 Jahren bei den Bauarbeiten ein Sockel dieses mittelalterlichen Brunnens gefunden. Die Quelle am Ort Na Rybníčku gibt es bis heute, aber sie ist kaum noch ergiebig. Auf dem Gebiet von Prag gab es mehrere solcher Wasserquellen, die die Bewohner nutzten. Um die Wasserqualität haben sich die Menschen früher nicht gesorgt. Praktisch bis 1914 floss in den Prager Wasserleitungen Wasser, das ohne jedwede Aufbereitung direkt aus der Moldau geschöpft wurde.“ Vom Trinkwasser kann man also in Prag erst seit 1914 sprechen, als die Wasserleitung vom Wasserwerk in Káraný errichtet wurde. Nachdem 1922 Groß-Prag entstanden war, stellte sich jedoch heraus, dass die Kapazität dieses Wasserwerks nicht mehr für die Hauptstadt ausreicht. Die Stadtväter entschieden damals über den Bau des Wasserwerks in Podolí, das Prag mehr als 80 Jahre lang ununterbrochen mit Wasser versorgt hat.Die Tore des Wasserwerks in Podolí sind von nun an jeden Donnerstag auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Die Teilnahme an einer Führung durch das Wasserwerk müssen die Interessenten jedoch vorher auf der Webseite www.prahatechnicka.cz reservieren. Es ist zudem möglich die Karte für die Besichtigung auch bei der Prager Wirtschaftskammer am Franz-Kafka-Platz zu kaufen. Der Besuch des Wasserwerks lohnt sich allein schon wegen des einzigartigen Blicks auf ganz Prag, den man von der Terrasse des Gebäudes hat.
In der heutigen Sendung war über den Ort Na Rybníčku in der Prager Neustadt die Rede. In der Straße Na Rybníčku steht übrigens eine der romanischen Rotunden, die in Prag erhalten geblieben sind. Falls Sie wissen, wem diese Rotunde geweiht ist, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien. Die richtige Antwort auf die Quizfrage vom März lautet: Das Schloss Troja wurde im 17. Jahrhundert erbaut, ein Buch geht diesmal an Martin Brosche aus Schwäbisch Gmünd.Fotos: Autorin