Regierung will gemeinsam mit Wirtschaft unternehmerisches Umfeld verbessern
Verliert der Investitionsstandort Tschechien an Attraktivität? Manche ausländische Investoren befürchten das. Veraltete und unübersichtliche Gesetze behinderten die wirtschaftliche Dynamik, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssten endlich reformiert werden, mahnte Ende Januar in Prag das Euro-Czech Forum - das ist die gemeinsame Interessensvertretung der Handelskammern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, der Niederlande und Schwedens. Wie die tschechische Regierung die Lage beurteilt, dazu unser heutiges Wirtschaftsmagazin von Sybille Korte.
Diskussionsstoff genug für ein Treffen von Vertretern der Regierung und der Wirtschaft vergangene Woche in Prag. Martin Turnovsky, Direktor der Abteilung Investitionsförderung im tschechischen Ministerium für Industrie und Handel, gehörte zu den Teilnehmern:
"Ich denke, dieses Treffen war im Ergebnis sehr erfolgreich. Denn der Minister stimmte mit den Vertretern des Euro-Czech Forums überein, dass wir in Zukunft zusammen arbeiten. Und zwar nicht nur mit dem Euro-Czech-Forum, sondern mit allen Vertretern von Unternehmen. Diese Zusammenarbeit gab es schon, aber nun soll sie flexibler und zielorientierter werden. Dazu haben wir einen neuen Rat für die Entwicklung des unternehmerischen Umfelds geschaffen."
Diesem neuen Gremium werden rund 20 Mitglieder angehören: Vertreter der verschiedenen Ministerien, die mit den Reformen befasst sind, der tschechischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie der ausländischen Investoren, etwa vom Euro-Czech Forum. Befürchtungen, dass dieser Rat nur zur weiteren Verdichtung des Behörden- und Gremiendschungels beiträgt, weist Turnovsky zurück:
"Ich möchte betonen, dass dieser Rat etwas Besonderes und anders als die bestehenden Räte und Kommissionen sein soll. Denn wir wollen dort individuelle Fragen diskutieren, wir wollen sie mit allen Interessierten diskutieren, nicht nur zwischen Ministerien, sondern mit Vertretern der Unternehmen, der Gewerkschaften, mit Vertretern bestimmter Regionen, vielleicht mit Vertretern des Parlaments. Wir wollen wirklich ganz von Anfang an diskutieren und auf der Ebene der Fakten, auf Arbeitsebene, nicht auf der politischen Ebene. Wir wollen einen faktischen Konsens von Anfang an erreichen."
Dringende Probleme möglichst rasch unterhalb der politischen Ebene zu lösen, das gehört zur jetzigen Strategie der Regierung. Denn im politischen Streit versanden Reformversuche allzu leicht. Im Oktober ist gerade wieder ein Anlauf zur Reform des Handelsregisters gescheitert. Nach wie vor müssen neue Unternehmen in Tschechien monatelang warten, um endlich im Handelsregister eingetragen zu sein und ihre Arbeit aufnehmen zu dürfen. Inzwischen gibt es im Parlament einen neuen Versuch zur Reform dieses umständlichen Verfahrens, von Abgeordneten der oppositionellen bürgerlich-demokratischen Partei. Dazu erläutert Turnovsky:
"Die Regierung sagte, wir können diese Abgeordneteninitiative teilweise akzeptieren. Denn wir wollen die Situation sehr schnell loesen. Ich denke, die Einnahme dieser neutralen Position gegenüber der Abgeordneteninitiative ist sehr wichtig. Denn sie zeigt uns, dass die Regierung versucht, die verbleibenden Hindernisse im unternehmerischen Umfeld schnell zu beseitigen."
Wenn die Initiative der Abgeordneten im Parlament durchkommt, könnte das Verfahren zur Registrierung neuer Unternehmen in einigen Monaten deutlich verkürzt sein, sagt Turnovsky. Geplant sei eine Reduzierung der Frist auf fünf Tage. Doch das Handelsregister ist nur ein Punkt, den die ausländischen Investoren kritisiert haben. Ein anderer: Die Handelsgerichte lassen mit ihren Entscheidungen in Streitfällen zu lange auf sich warten. Die Behebung dieses Problems ist jedoch eng mit der Reform des tschechischen Justizsystems verknüpft, erläutert Turnovsky:
"Das ist keine Angelegenheit, die in wenigen Monaten gelöst werden kann. Dazu müssen Gesetze verabschiedet werden, die das tschechische Justizsystem betreffen. Viele Gesetze müssen geändert werden. Diese Angelegenheit kann nicht sofort gelöst werden, zum Beispiel im Rat für die Entwicklung des unternehmerischen Umfeldes. Wir sind jetzt bereit, individuelle und sehr dringende Fragen des unternehmerischen Umfeldes zu lösen. Aber eine so komplexe Angelegenheit wie die Reform des gesamten tschechischen Justizsystems muss auf politischer Ebene ausgehandelt werden. Und dort muss die Entscheidung fallen."
Es gibt bei den notwendigen Reformen viele Verzögerungen, räumt der Abteilungsleiter für Investitionsförderung im Industrieministerium ein. Aber Turnovsky führt auch Beispiele für Fortschritte an, die schon auf den Weg gebracht worden sind:
"Was die Gleichbehandlung von ausländischen und einheimischen Investoren betrifft: In diesem Bereich ist schon viel getan worden. So stärkt das neue Gesetz zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Prinzipien der Gleichbehandlung. Das bedeutet: Nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union wird es keine Bevorzugung inländischer Unternehmen mehr geben. Generell werden ausländische und einheimische Investoren auch im System der staatlichen Investitionshilfen gleich behandelt. Das sind zwei Beispiele der Gleichbehandlung. Viel ist schon getan worden in diesem Bereich, aber ich denke, viel ist auch noch zu tun."
Turnovsky betont, die Regierung arbeite auf verschiedenen Ebenen an Verbesserungen des unternehmerischen Umfelds. Das Parlament habe beispielsweise auch eine Änderung des Arbeitsrechts beschlossen, die mehr Flexibilität in den Beziehungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einführe. Die Regierung beschließe zudem viele Maßnahmen, die nicht Gesetzesform hätten. So unterstütze sie den Aufbau von Industriezonen.
"Ich würde sagen, dass die Tschechische Republik immer noch sehr attraktiv für ausländische Investoren ist. Die Zahl neuer Investoren ist wirklich sehr hoch. Auch die Zahl der Investoren, die mit Anreizen unterstützt werden, ist sehr hoch. Was das Problem des rechtlichen Umfelds in der Tschechischen Republik angeht, so stimme ich mit allen Kritiken in diesem Bereich überein. Aber jetzt machen wir uns daran, sehr dringende Probleme dieses Umfeldes zu lösen. Denn wir wollen die Attraktivität der Tschechischen Republik für die kommende Periode erhalten. Wenn ich die Priorität der Regierung in der zweiten Phase der Finanzreform zusammen mit den Aktivitäten des Ministeriums für Industrie und Handel betrachte, können wir, denke ich, auf vielfältige Weise erfolgreich sein."
Eines dürfte allen klar sein: Mit dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union am 1. Mai wird der Reformdruck noch größer.