Regierungsverhandlungen in tschechischen Kreisen: Oppositionspartei Ano in starker Position

Das STAN-Verhandlungsteam im Kreis Mittelböhmen. In der Mitte die derzeitige Hauptfrau Petra Pecková

Die Wahlen zu den Kreisparlamenten in Tschechien haben einen klaren Sieger hervorgebracht: die Oppositionspartei Ano. Gegenüber den Regionalwahlen vor vier Jahren konnte die politische Gruppierung des Ex-Premiers Andrej Babiš bei den Mandaten deutlich zulegen. Was bedeutet das nun?

Bei den Regionalwahlen am Freitag und Samstag ist die Partei Ano in zehn der insgesamt 13 tschechischen Kreise die stärkste Kraft geworden. Das war auch schon vor vier Jahren so. Doch Parteichef Andrej Babiš wies am Samstagabend auf den großen Unterschied zu den Regionalwahlen 2020 hin und zeigte sich daher äußerst zufrieden mit dem Ergebnis:

Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Wir sind erfreut, dass wir gewonnen haben. Unser Stimmenzuwachs ist riesig im Vergleich zu 2020 – obwohl diesmal die Wahlbeteiligung niedriger lag.“

Auf insgesamt 292 Sitze in den Kreisparlamenten kommt die oppositionelle Partei Ano nun – und hat damit 114 Mandate hinzugewonnen. Das bedeutet einen sehr großen Vorsprung vor den Bürgerdemokraten als zweitstärkste Kraft – die Partei von Premier Petr Fiala holte 106 Sitze und gewann dabei nur sieben hinzu. Insgesamt aber verloren die Regierungskräfte deutlich an Mandaten, vor allem weil die Piraten von 99 Sitzen auf nur noch drei eingebrochen sind. Babiš sah dies auch als Votum gegen das aktuelle Kabinett an…

„Aus unserer Sicht waren die Wahlen wichtig. Das Ergebnis spiegelt unsere sehr intensive Arbeit in der Opposition im Abgeordnetenhaus“, so der Milliardär.

Den Wahlsieg von 2020 wandelte Babišs Partei damals nur in drei Posten eines Kreishauptmanns um. Das dürfte sich aktuell ändern. Die Ano-Spitzenkandidaten könnten sogar die meisten Hauptleute im Land stellen, glaubt der stellvertretende Parteivorsitzende Karel Havlíček:

Karel Havlíček | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

„Wir haben in vielen Kreisen jetzt mit solch einem Vorsprung gewonnen, dass es schlichtweg nicht möglich sein wird, uns zu übergehen. Wir werden also stärker sein als damals und letztlich fünf, sechs oder sieben Hauptleute stellen. Selbst ein achter Hauptmann ist real.“

In zwei Regionen erreichte die Partei Ano sogar die absolute Mehrheit im jeweiligen Parlament. Während sie im Kreis Karlovy Vary / Karlsbad trotzdem eine Koalition anstrebt, könnte sie im Kreis Mährisch-Schlesien die bisherigen Partner übergehen und allein die Regierung übernehmen.

„Wir müssen noch mit Kreishauptmann Josef Bělica sprechen, aber ehrlich gesagt sehe ich in diesem Moment keinen Grund, mit irgendeiner anderen Partei in Koalitionsverhandlungen zu treten. Bei dem starken Mandat denke ich, dass wir die Regierung alleine stellen“, sagte Havlíček.

35 der 65 Sitze im Kreisparlament in Ostrava / Ostrau hat die Partei Ano errungen.

Martin Kuba | Foto: Jitka Cibulová Vokatá,  Tschechischer Rundfunk

In nur drei tschechischen Kreisen gewann eine andere politische Kraft, die jeweils zum Regierungslager gehört. Wie der Politologe Aleš Michal von der Prager Karlsuniversität für den Online-Auftritt des Tschechischen Rundfunks analysierte, konnten dort jeweils starke Kreishauptmänner und ihre Parteien die Wähler hinter sich vereinen. Ganz besonders trifft dies auf den Bürgerdemokraten Martin Kuba zu, der im Kreis Südböhmen seiner Partei ODS die absolute Mehrheit im Parlament beschert hat.

Insgesamt aber zeigte sich der bürgerdemokratische Parteichef und Premier Fiala nicht glücklich über das Wahlergebnis:

„Dort, wo die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind, müssen wir über die Gründe nachdenken. Wir haben keinen zentralen Wahlkampf geführt, sondern sind unterschiedliche Typen an Wahlkoalitionen eingegangen. Wir müssen nun auswerten, was geklappt hat, was nicht und warum das so war. Aber glücklicherweise ist dafür ja Zeit.“

Bei der Frage der Zeit spielte Fiala auf die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus an, die im Herbst kommenden Jahres abgehalten werden.

Hingegen zufrieden nach den Kreiswahlen zeigten sich neben der Partei Ano noch die Kommunisten (KSČM). Seit 2021 ist Kateřina Konečná deren Vorsitzende, nachdem die Partei aus dem tschechischen Abgeordnetenhaus geflogen war. Zusammen mit zwei linken Splitterparteien gründete sie die Wahlkoalition Stačilo! (Es reicht!), die bereits bei den Europawahlen im Juni einen ersten Erfolg feierte.

„Mit der Wahlkoalition Stačilo! sind wir nun in fast alle Regionalparlamente zurückgekehrt“, sagte Konečná in der Nacht nach den Kreiswahlen.

Tatsächlich verzeichnete die KSČM die zweithöchsten Zugewinne an Mandaten aller Parteien – und zwar 19, sodass sie insgesamt auf 32 Sitze kommt.

Kateřina Konečná | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

Zeitgleich mit den Kreiswahlen erfolgten am Freitag und Samstag auch Teilwahlen in den Senat. Ein Drittel der Sitze in der oberen Parlamentskammer wurde neu besetzt, wobei das Mehrheitssystem gilt. In fünf der 27 Wahlkreise erreichte bereits ein Kandidat oder eine Kandidatin in der ersten Runde die absolute Mehrheit der Stimmen, das war ein neuer Rekord seit der Einführung der Senatswahlen 1996. In den restlichen Fällen treten die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen am Freitag und Samstag in einer Stichwahl gegeneinander an. Auch in der ersten Runde der Teilwahl zum Senat war die Partei Ano die erfolgreichste politische Kraft mit zwei direkt erreichten Sitzen und 20 Bewerbern in der Stichwahl.

Unklar ist, inwieweit die Kreis- und Senatswahlen bereits ein Test waren für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus in einem Jahr. Außer dass sicher andere Themen wichtig sein dürften als in den Regionen, liegt dann traditionell auch die Wahlbeteiligung fast doppelt so hoch. An den Kreiswahlen jetzt nahmen nur knapp 33 Prozent der Berechtigten teil, bei den Parlamentswahlen 2021 waren es hingegen aber 65 Prozent.

Autor: Till Janzer | Quelle: Český rozhlas
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