Religionsbilder aus den Sammlungen des Jüdischen Museums

0:00
/
0:00

"Wer auf das Bild sieht, sündigt nicht" - so heißt die Ausstellung, die vor kurzem vom Prager Jüdischen Museum eröffnet wurde. In die Robert Guttmann-Galerie laden Sie Martina Schneibergova und Andrea Fischer im folgenden Spaziergang durch Prag ein.

Eine Auswahl von jüdischen Religionsbildern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die aus den Sammlungen des Prager Jüdischen Museums stammen, kann man zum ersten Mal in einer Ausstellung sehen, die in diesen Tagen in der Robert Guttmann-Galerie stattfindet. Die Ausstellung bietet einen Blick in die Welt des traditionellen Judentums mit seiner reichen Symbolik. Über die Beweggründe für die Ausstellung der Religionsbilder sagte ihre Kuratorin Olga Sixtova:

"Ich betreue diese Gegenstände in den Museumssammlungen. In den letzten Jahren stellte ich einen neuen Katalog dieser Bilder zusammen. Auf die Idee, sie auszustellen, kam ich bei meiner Arbeit. Denn es handelt sich wirklich um einzigartige Sachen, die wenig bekannt sind. Es sind verhältnismäßig sehr intime Angelegenheiten. Die Schiwiti sind kaum verständlich, wenn man darüber nichts weiß. Sie stellen ein aus Buchstaben zusammengestelltes kompliziertes Bild dar. Ich meine, dass es weniger bekannte Beispiele der jüdischen Synagogen- bzw. der Religionskunst sind."

 Olga Sixtova  (Foto: Autorin)
Die ausgestellten Gegenstände aus jüdischen Haushalten und Synagogen stellen keine von der Religion vorgeschriebene Angelegenheit dar. Die Bilder bzw. aus Texten zusammengestellte Darstellungen entstanden als ein Ausdruck der Volksfrömmigkeit am Rande der Religionsrituale und sind mit der Zeit zu deren Ergänzung geworden. Mit Worten und Symbolen weisen sie auf eine bestimmte Religionspflicht hin, manchmal sollten sie vor Katastrophen und Not schützen. Das bedeutendste und oft auch das einzige künstlerische Ausdrucksmittel, das die Schöpfer der Bilder benutzten, ist die hebräische Schrift. Im Judentum wird sie gemeinsam mit der hebräischen Sprache für heilig gehalten und außerdem mit schöpferischen Fähigkeiten verbunden. In der Ausstellung kann man verschiedene Arten von Bildern bewundern, die die Form von unterschiedlich großen Wandtafeln oder auch von kleineren Papierblättern haben, die man ins Gebetsbuch legte. Die Kuratorin der Ausstellung, Olga Sixtova:

"Es handelt sich um zwei verschiedene Gruppen von Bildern. Die so genannten ´Schiwiti´ stammen vorwiegend aus Synagogen. Meistens sind es kaligrafische Bilder, die in der Synagoge vor dem Pult des Kantors platziert waren. Diese kaligrafischen Bilder sind aus biblischen Texten oder anderen hebräischen Texten - wie dem Talmud, der Mischna oder kabbalistischen bzw. anderen Gebeten zusammengestellt. Die Bilder sollen dem Kantor helfen seine Gedanken beim Gebet besser zu sammeln. Es ist eine mystische Angelegenheit. Zur anderen Gruppe von Bildern gehören Gegenstände aus den Haushalten. Es handelt sich um die so genannte ´Misrah´ - eine Tafel, die an die Ostwand des Raums gehängt wird, um die Richtung des Gebets zu bestimmen - also Richtung Jerusalem mit dem Tempel. Weiter kann man hier die so genannten ´se ha-schulchan´ besichtigen. Das ist eine Tafel, die den Tisch schmückt und an den Segen erinnern soll, den man vor und nach dem Essen ausspricht."

Shiwiti für un Gebetsbuch,  Böhmen und Mähren,  18.Jhdt.
Für die Bilder wurden am häufigsten Pergament oder Papier benutzt, seltener findet man Glasmalereien oder Stickereien. Bei der Herstellung der Tafeln kamen vorwiegend zwei spezifische Techniken zur Geltung - die so genannte ´Mikrografie´ und der Scherenschnitt. Die Mikrografie beinhaltete die Zusammenstellung von Ornamenten, Symbolen und Figuralmotiven aus Texten, die mit einer sehr kleinen Schrift geschrieben wurden. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts waren Scherenschnitte aus Pergament oder Papier im jüdischen Milieu beliebt. Wer hat diese feinen Bilder bzw. Scherenschnitte hergestellt? Waren es speziell ausgebildete Künstler oder war es üblich, solche Religionsbilder selbst zu produzieren? Dazu die Kuratorin der Ausstellung:

Zeh ha-shulhan,  Böhmen,  2.Hälfte des 18.Jhdts.
"Diese Schiwiti wurden meistens von professionellen Schreibern hergestellt, die die Thorarollen, die Mezuzah sowie die kleinen Rollen in die Gebetsriemen einzeichneten. Die Scherenschnitte waren mehr verziert. Wir wissen, dass sie von Studenten der Religionsschulen oder auch von Rabbinern hergestellt wurden. Immer wurden diese Bilder von Männern produziert. Bei der Stickerei, die hier ausgestellt ist, wissen wir nicht, von wem sie gestickt wurde. Es musste bestimmt ein professioneller Sticker bzw. eine Stickerin sein."

Die Wandtafeln bzw. Blätter, die in die Gebetsbücher gelegt wurden, sollten die Frömmigkeit der Gläubigen fördern. Einige Gegenstände davon sollten die Gläubigen beschützen wie zum Beispiel das Haus oder ein Neugeborenes. Die Mehrheit der Tafeln aus den Sammlungen des Jüdischen Museums ist ein Votivgeschenk einer Synagoge. Über die Herkunft der Bilder sagte Olga Sixtova:

"Das alles stammt aus den Sammlungen des Jüdischen Museums - bis auf ein einziges Exponat. Das ist ein Gebetsbuch - der so genannte ´Siddur´ - mit Gebeten für den ganzen Tag. Im Gebetsbuch lag ein kleines privates Schiwiti. Das Buch gehörte zur Sammlung des Rabbiners Alexander Kisch, der Rabbiner in der Maisel-Synagoge in Prag war. Er starb 1917. Es ist interessant, dass das Buch vor etwa drei Monaten in einem Antiquariat in den USA gekauft und hierher gebracht wurde. Man hat es dann der Bürgerinitiative ´Respekt und Toleranz´ aus Lostice geschenkt. Nach einer langen Zeit kehrte das Buch nach Böhmen zurück. Zudem ist es wirklich ein schönes Buch."

Der Titel der Ausstellung "Wer auf das Bild sieht, sündigt nicht" ist ein Zitat von einem der ausgestellten Gegenstände. Die Ausstellung bringt den Besuchern die verschwundene jüdische Welt mit ihrer Symbolik näher. Sie wird nur sechs Wochen lang dauern, weil viele der Exponate sehr empfindlich sind und nicht länger ausgestellt werden dürfen. Die Auswahl der jüdischen Religionsbilder kann man in der Robert Guttmann-Galerie besichtigen. Die Ausstellung dauert bis zum 28. August.