Rembrandt & Co.: eine der renommiertesten Sammlungen holländischer Malerei
Die Prager Nationalgalerie besitzt eine umfangreiche Sammlung holländischer Kunst, die weltweit geschätzt wird. Fünf Jahre lang wurde diese Sammlung restauriert und katalogisiert, um sie nun der Öffentlichkeit in vollem Glanz vorzustellen. Unter dem Titel „Rembrandt & Co.“ wurde am vergangenen Mittwoch im Palais Sternberg auf dem Hradschin eine Ausstellung eröffnet, in der mehr als 130 Gemälde und 80 Radierungen holländischer Meister zu sehen sind. Martina Schneibergová hat kurz vor der Vernissage mit der Kuratorin der Ausstellung, Anja Ševčík, gesprochen.
„Als wir vor 5 Jahren damit begonnen haben, den Gesamtbestand holländischer Malerei in der Sammlung der Nationalgalerie zu analysieren, mit dem Ziel, einen Bestandskatalog zusammenzustellen, bekamen wir sofort die Idee, dass die Schätze hier eigentlich so kostbar, so wertvoll und interessant sind, dass es schade wäre, wenn die ganzen Bilder in einem Buch verbleiben würden. Deshalb haben wir frühzeitig damit begonnen, die Ausstellung vorzubereiten, um der Öffentlichkeit auch den ästhetischen Reiz dieser Schätze vorzuführen.“
Wie kann man es sich denn erklären, dass damals im 17. Jahrhundert so viele Gemälde in Holland entstanden sind und so viele Künstler tätig waren?
„Es ist in der Tat eine der großen Überraschungen, wenn wir auf die nördlichen Niederlande zum Beginn des 17. Jahrhunderts schauen: Die nördlichen Provinzen haben sich losgesagt von den spanisch regierten Niederlanden, es war in Europa eigentlich eine Zeit der Kriege, eine Zeit der wirtschaftlichen Rezession. Aber die junge holländische Republik fand einen wunderbaren Nischenplatz, viele Innovationen, die erste Weltbörse zum Beispiel wurde in Amsterdam gegründet, die erste Aktiengesellschaft geht auf die Holländer zurück, nämlich die ostindische Kompanie. Viele Mechanismen wurden mit großer Kreativität und Effizienz entwickelt, die dazu führten, dass nach wenigen Jahren Amsterdam zum größten Zentrum nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Kultur in Europa wurde. Deshalb müssen wir den Holländern eigentlich dankbar sein, dass sie einen Großteil ihres Geldes in Kunst investiert haben. Wir wissen, dass etwa 600-700 Maler in der Republik tätig waren, die jährlich natürlich zahlreiche Bilder schufen und diese auch unter die Leute brachten. Es gibt Reiseberichte, die mit Erstaunen feststellen, dass auch in einer Bäckerei oder Schusterwerkstatt Ölgemälde hängen, welche in Vorzeiten eigentlich ein Privileg der reichen Schichten waren. Das alles erklärt diesen Boom ein bisschen, aber die Überraschung und das Wunder bleiben. Und dass so viele Bilder gerade in Prag erhalten blieben sind, verdankt sich eben dem Reiz der Bilder, ihrem Erzählreichtum, dem Farbreichtum, den wunderbaren ästhetischen Momenten, die man vor ihnen erlebt, und die auch schon frühzeitig die böhmischen Sammler faszinierten und eine Kontinuität in der Sammlungstätigkeit ergeben hatten, die wir heute noch genießen dürfen.“Die Prager Sammlung in der Nationalgalerie gehört also wirklich zu den höchstgeschätzten Sammlungen dieser Art?„Es ist von der Anzahl und der Zusammensetzung sicherlich eine der renommiertesten Sammlungen in Europa. Ich denke, dass auch die Veröffentlichung des Bestandskataloges die Sammlung noch weiter bekannt machen wird. Viele Bilder waren bislang überhaupt nicht publiziert, waren auch unter unseren Kollegen, den Spezialisten nicht bekannt und ich hoffe sehr, dass durch diesen Katalog unter dem tschechischen Publikum, aber nicht nur unter dem tschechischen, der Stolz auf diese Sammlung geweckt wird.“
Die Bilder von der Nationalgalerie stellen also den Kern der Ausstellung dar. Aber man kann hier nicht nur diese Bilder bewundern – mit wem arbeiteten sie bei der Ausstellungsvorbereitung zusammen?
„Selbstverständlich setzt sich der größte Teil aus den Werken der Sammlung zusammen, die es auch einfach verdient haben, endlich mal gezeigt zu werden. Viele Bilder sind natürlich im Depot, was nicht heißt, dass sie keine Qualität haben. Denn das Depot ist für uns eine verschlossene Schatzkammer, die heute dank der Ausstellung und des gesamten zweiten Stockwerks, das den Holländern gewidmet ist, endlich an die Öffentlichkeit tritt. Aber was uns eben auch vorher schon fasziniert hat, sind die Beziehungen, die diese Bilder aus Prag zu Bildern aus anderen Sammlungen haben. Wir sind sehr froh und dankbar, dass viele Institutionen genauso fasziniert waren von der Idee, hier Bilder zusammen zu führen, die ursprünglich einmal gemeinsam in der Werkstatt des Künstlers entstanden sind, die dann aber durch Vorlagen und verschiedene Sammlungstätigkeiten getrennt worden sind. Somit vereinigen wir hier nach Jahrhunderten sozusagen wieder eine Familie, einen Vater mit Tochter aus Prag mit Sohn und Mutter, die heute in Budapest sind; wir bringen hier zwei Genremalereien von Nicolas Verkolje zusammen: Ein Jäger, der um ein junges Mädchen wirbt, aus einer Berliner Sammlung trifft auf sein Gegenstück in Prag, das Gemälde eines jungen Rosenkavaliers. Solche Begegnungen finden hier statt. Ich hoffe, dass sie auch mit den Betrachtern in einen Dialog treten. Es ist also nicht nur die Prager Sammlung, die hier vorgeführt wird, sondern auch kostbare Leihgaben, die die Prager Sammlung besonders akzentuieren.“Wir stehen gerade in einem Saal, der „Schauplatz der Politik und Kriege“ heißt. Gibt es hier auch Gemälde, die nach Jahren so zu sagen hier zusammengeführt worden sind?„Natürlich war das 17. Jahrhundert alles andere als ein friedliches Jahrhundert! Schlachtenbilder sind hier ausgestellt, Bilder von Soldaten in ihren Wachstuben, die auf ihren Einsatz warten, Soldatenlager. Aber ein interessanter Aspekt ist auch eine politische Allegorie in diesem Raum, die auf die Hinrichtung von Johan van Oldenbarnevelt hinspielt, einem sehr einflussreichen Politiker der damaligen Zeit, der in gewisser Weise der Gegenspieler der oranischen Statthalter war. Der Hochverratsprozess entstand aus der Situation, dass Oldenbarnevelt eher für den Frieden mit Spanien war, um den Handel und die Wirtschaft nicht zu gefährden. Die Statthalter wollten die Unabhängigkeit jedoch mit kriegerischen Mitteln fortsetzen. Es gibt dazu eine Geschichte, die, wie gesagt, mit dieser Hinrichtung endete, die somit als Justizmord gilt. In der Prager Sammlung findet sich das Portrait eines älteren Herrn, der als Nicolaas Cromhout identifiziert werden konnte, und Herr Cromhout hatte die zweifelhafte Ehre, vorsitzender Richter im Hochverratsprozess gegen Oldenbarnevelt zu sein. Interessanterweise finden wir von diesem Prozess, der im Jahre 1618 stattfand, eine mehr als 40 Jahre später entstandene Darstellung des Rotterdamer Künstlers Cornelis Saftleven, der diesen Prozess als Tierallegorie malt: Wir sehen im Vordergrund die menschliche Gestalt des Oldenbarnevelt, umrundet von Tieren und Bestien, zähnefletschenden Bären und überragt von einem riesigen Elefanten mit einem Barett auf seinem Kopf. Außerdem findet man Zahlen auf dem Bild, die sich klar identifizieren lassen. Herr Cromhout, der Richter, ist der Elefant in dem Bild Saftlevens. Auf dem Bild sieht man den Reflex, der ehrenwerte Herr Oldenbarnevelt und der Richter in der Gestalt eines Elefanten.
Kommen wir noch auf den bekanntesten Maler zurück, also Rembrandt: Wie ist er hier vertreten?„Wir haben hier einen eigenen Saal für Rembrandt. Er wurde ´Rembrandt in Amsterdam´ benannt nach der Stadt, in der Rembrandt auf dem Höhepunkt seiner Karriere tätig war. Der Saal ist aber auch seinen Konkurrenten gewidmet. Rembrandt selbst ist hier durch zwei Ölgemälde vertreten, im graphischen Kabinett findet man noch einige seiner Radierungen, denn er war auch ein sehr innovativer und qualitätsvoller Graphiker. Wir haben hier jedoch auch zwei Bilder, die genau Rembrandts Signatur tragen. Das eine Bild hat eine authentische Signatur, jedoch wissen wir heute, dass es nicht von Rembrandt selbst gemalt worden ist, sondern von einem seiner Schüler, Willem Drost. Doch die Signatur ist identisch und wir wissen somit, dass dies ein Bild war, das Rembrandt in seiner Werkstatt als so gut erachtet hat, dass er es unter seinem Namen, unter seiner Handelsmarke verkauft hat. Das ist auch archivarisch belegt, dass Rembrandt sehr viel Geld mit der Arbeit seiner Schüler verdient hat. Das ist in etwa mit einem Modedesigner vergleichbar, der in seinem Atelier andere Leute hat, die für ihn arbeiten – es ist sozusagen eine gängige Praxis, aber Rembrandt war darin natürlich sehr erfolgreich. Das letzte Bild, von dem ich sprach, trägt jedoch eine gefälschte Signatur und ist ein Werk seines letzten Schülers Arent de Gelder, das wirklich einmal später mit Fälschungsabsicht mit dieser Unterschrift versehen wurde, denn ein richtiger Rembrandt hatte natürlich höhere Preise. Nichtsdestotrotz, das Bild stammt von seinem treuesten Schüler und zeigt in vielen Dingen die Züge von Rembrandts Stil und Auffassung. Weitere Werke sind jene Rembrandts Lehrers, Pieter Lastman, die den Ausgangspunkt von Rembrandts Kunst in gewisser Weise zeigen und weitere Werke stammen von seinen Schülers. Eine besondere Paarung stellt dabei Rembrandt selbst als Hirte als Gegenstück zu seiner Frau Saskia als Hirtin dar, diese Bilder kommen aus Amsterdam und Braunschweig und werden hier zusammengeführt. Sie stammen von einem der berühmtesten Schüler Rembrandts, Govert Flinck, der später auch die Werkstatt übernahm.“
Bis wann sind diese Einflüsse von Rembrandt in der holländischen Kunst zu finden, geht das noch bis in das 18. Jahrhundert hinein?„Ich denke, dass man wahrscheinlich in jedem Jahrhundert einen potentiellen Nachfolger finden kann; es gab natürlich immer gewisse Modewellen, schon in seiner eigenen Zeit galt Rembrandt als etwas altmodisch mit seiner Kunst, der französische Klassizismus mit seinen glatten, fröhlichen und farbigen Gemälden kam damals gerade auf. Aber sein Vermächtnis zeigt sich in jedem Jahrhundert, und ich denke, dass ist das Zeichen eines großen Künstlers, der nicht nur Anhänger hatte, aber bis heute wirklich zeitlos ist. Wir kennen Aussagen von Vincent van Gogh, der begeistert vor den Bildern von Rembrandt stand und sie als Mysterium betrachtete. Auch tschechische Künstler - wie beispielsweise Emil Filla - setzten sich mit Rembrandt auseinander. Ich glaube, das könnte eine sehr lange Liste werden.“
Aber wie kann man sich die Werkstatt von Rembrandt denn vorstellen. Hat er sich mit jungen Künstlern umgeben und die Begabtesten unter ihnen weiter gefördert?„Wir wissen heute, dass Rembrandt insgesamt mehr als 50 Schüler hatte, wobei es sich hier nur um jene handelt, die namentlich bekannt sind. Es gab natürlich auch Lehrlinge, die sich nur mit Zeichnen beschäftigt haben und von denen vielleicht kein Werk vorhanden ist. Was wir auch wissen, ist, dass Rembrandt durchaus eine gewisse Auswahl getroffen hat und es auch sehr teuer war, bei ihm zu studieren. Es war ja damals noch so, dass der Lehrling den Meister bezahlt hat und nicht umgekehrt. Rembrandt hat zum Teil 100 Gulden pro Jahr für die Ausbildung verlangt, und das war damals schon ein sehr hoher Preis. Um das Mal zu vergleichen, wir wissen, dass zur damaligen Zeit mit 200 Gulden pro Jahr eine vierköpfige Familie leben konnte. Dementsprechend gab es schon eine gewisse Auswahl. Und, das ist natürlich nur eine Theorie, aber ich denke, dass eigentlich nur solche Eltern in diese Ausbildung investiert haben, die wirklich vom künstlerischen Talent ihres Sohnes überzeugt waren. Der Verbleib in der Werkstatt Rembrandts war dann ganz unterschiedlich, denn es gab keine festen Lehrzeiten und es gab manche Künstler, die nur kurze Zeit in seinem Atelier verbrachten und dann weiterreisten. Aber man kann an den Zahlen ablesen, dass seine Anziehungskraft wirklich enorm war.“
Die Ausstellung im Prager Palais Sternberg ist noch bis zum 27. Mai dieses Jahres zu sehen und wird durch ein reichhaltiges Begleitprogramm ergänzt.