Resolution zu den Benes-Dekreten/ Regierung sagt der Korruption den Kampf an

Unterzeichnung der Benes-Dekrete

In der vergangenen Woche beschäftigten die tschechischen Zeitungen im wesentlichen zwei Themen. Zum einen dreht sich in der heimischen Innenpolitik nach wie vor alles um die s.g. Benes-Dekrete und die Folgen, welche die Beibehaltung dieser Normen aus dem Jahr 1945 für den EU-Beitritt Tschechiens haben könnte. Doch darüber später mehr. Das zweite große Thema, welches in den vergangenen Tagen die tschechischen Gazetten füllte, war der jüngste Vorstoß der Regierung, ihren Kampf gegen die Korruption in Tschechien zu verschärfen.

In der vergangenen Woche beschäftigten die tschechischen Zeitungen im wesentlichen zwei Themen. Zum einen dreht sich in der heimischen Innenpolitik nach wie vor alles um die s.g. Benes-Dekrete und die Folgen, welche die Beibehaltung dieser Normen aus dem Jahr 1945 für den EU-Beitritt Tschechiens haben könnte. Doch darüber später mehr. Das zweite große Thema, welches in den vergangenen Tagen die tschechischen Gazetten füllte, war der jüngste Vorstoß der Regierung, ihren Kampf gegen die Korruption in Tschechien zu verschärfen. Das Kabinett von Milos Zeman hat beschlossen, auch vom Einsatz von verdeckten Ermittlern Gebrauch zu machen. Dass es sich bei der Korruption in Tschechien um ein schwerwiegendes Problem handelt und das Land somit in verschiedenen Studien über den Stand der Korruption in der Welt ganz oben angeführt wird, weiß man schon seit Jahren. Doch erst, als im vergangenen Jahr die Organisation Transparency International in ihrem Bericht Tschechien in puncto Korruption an dritter Stelle in Mitteleuropa, gleich hinter der Ukraine und der Slowakei einreihte, ging eine Art Aufschrei durch die heimische Politik. In diesem Kontext ist somit auch die jüngste Initiative der Regierung zu verstehen.

In den tschechischen Zeitungen fanden sich dazu in der vergangen Woche überweigend kritische Kommentare, deren Autoren es zwar auf der einen Seite begrüßten, dass nun endlich gegen die Korruption vorgegangen wird, auf der anderen Seite jedoch davor warnten, dass in Tschechien s.g. polizeiliche Sonderermittlungsmethoden, sprich verdeckte Ermittler, das Abhören von Wohnungen zum polizeilichen Alltag werden könnten. Das deutete etwa der Kommentator Martin Hekrdla in der Tageszeitung Právo in seinem Beitrag unter dem Titel "Die gesteuerte Provokation, ein ungesteuerter Schuss" an:

"Die Existenz von Korruption im Land steht völlig außer Zweifel. Sicher ist auch, dass es sich um keinen Schöhnheitsfehler in unserer sonst so gesunden Gesellschaft handelt. Nein, die Korruption ist allgegenwärtig und ähnelt eher einem Krebsgeschwür mit vielen Metastasen, gegen die man ankämpfen muss. Das Ganze hat jedoch einen großen Haken: Der Staat will zwar mit Hilfe von Provokateuren seine Rolle und Präsenz in der Gesellschaft im Kampf gegen die Korruption stärken, obwohl er etwa im Wirtschaftsbereich auf Grund von Privatisierungen und Deregulierungen freiwillig immer mehr an Einfluss verliert. Unter diesen Umständen kann aus der gesteuerten Provokation leicht ein ungesteuerter Schuss werden."

Aus allen Studien und Analysen, die sich mit dem Stand der Korruption in Tschechien befassen geht hervor, dass korruptes Verhalten von vielen Tschechien nach wie vor als eine Art Kavaliersdelikt gesehen wird, oder als etwas, was eben zum normalen Leben dazugehört. Viel spielt dabei auch die Erfahrung aus der Zeit vor der Wende mit, wie der Kommentator der Tageszeitung Hospodáøské noviny Martin Denemark im Gespräch mit Radio Prag erläutert:

"Vor allem sollte man sagen, dass es in Tschechien schon immer Korruption gab, insbesondere während der Zeit des Kommunismus. Die Träger der Korruption damals waren z.B. Gemüsehändler oder Metzger - eben alle, die Zugang zu Waren hatten oder Dienstleistungen hatten, die entweder gar nicht oder nur begrenzt vorhanden waren. Das Problem ist, dass aber auch heute noch immer wieder Menschen von sich aus z.B. in Arztpraxen kommen und eine Flasche Wein, ein Päckchen Kaffee oder eine andere ähnliche Kleinigkeit mitbringen. Wenn sie dann gefragt werden, warum sie das tun, wenn das niemand von ihnen forderte, wird entweder mit den Achseln gezuckt, oder es kommt die Antwort, dass das eben so üblich sei."

Das größte Risiko bestehe aber laut Martin Denemark darin, dass die Korruption immer stärker die Staatsverwaltung und Bürokratie durchwächst und somit im wahrsten Sinne des Wortes den Charakter von organisierter Kriminalität erhält. Dann sei es nach der Meinung Denemarks legitim, wenn der Staat ebenfalls zu außerordentlichen Mitteln greife, wie etwa zu verdeckten Ermittlern oder eben Provokateuren.


Unterzeichnung der Benes-Dekrete
Nun aber zu dem zweiten, eingangs bereits kurz erwähnten Thema, den s.g. Benes-Dekreten. Das tschechische Abgeordnetenhaus hat dazu am Mittwoch einstimmig eine Resolution erklärt, welche unter anderem festlegte, dass die in letzter Zeit so oft zitierten Bene-Dekrete heute keine rechtliche Wirkung mehr haben und somit kein Hindernis auf dem Weg Tschechiens in die Europäische Union darstellen würden. Eine weitere Botschaft, welche die Abgeordneten mit der Verabschiedung dieser Resolution übermitteln wollten ist jene, dass die Eigentumsverhältnisse, welche nach 1945 entstanden sind, nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Natürlich fanden sich auch zu dieser Angelegenheit Kommentare in den tschechischen Tageszeitungen. Kritik an den Abgeordneten übte etwa Bohumil Doleal in der auflagenstärksten tschechischen Zeitung, der Mladá fronta dnes. Sein Kommentar trägt den Titel "Demonstration der nationalen Einheit":

"Der Text der Resolution wurde zwar zunächst offiziell für geheim erklärt, aber gleichzeitig, so wie in Tschechien üblich in allen Zeitungen nachgedruckt. (...) Die tschechischen Parteien, einschließlich der Kommunisten und der Scheinheiligen von der Freiheitsunion und der Christdemokratischen Volkspartei haben sich alle Parteien nebeneinander zum Kampf gegen den äußeren und inneren Feind gestellt: Der innere Feind ist die s.g. "fünfte Kolonne" , bestehend aus Teilen des universitären Bereichs und jener Medien, die in deutscher Hand sind. Die nationale Einheitsfront steht somit fest. Abweichler von der vorgegeben Linie gibt es leider keine - höchsten solche, denen selbst diese Resolution zu wenig deutlich war."

Kritisch setzt sich mit der verabschiedeten Resolution im Zusammenhang mit den Benes-Dekreten auch der Chefkommentator der Tageszeitung Lidové noviny, Petr Fischer auseinander. In einer Serie von Kommentaren bezog er diese Woche mehrmals zu diesem Thema Stellung. Radio Prag stellt ihm im folgenden einige Fragen:

Kann die verabschiedete Resolution eine Beruhigung im Wahlkampf bringen?

"Ich glaube, dass dies nicht eintreten wird und dafür gibt es auch einen ganz konkreten Grund. Vaclav Klaus, also der Chef der stärksten Oppositionspartei des Landes ist gleich nach der Abstimmung über die Resolution zu einer Wahlveranstaltung gefahren, wo er gedröhnt hat, dass er der wahre Vertreter der nationalen Interessen des Landes sei. Er ging dabei sogar so weit, dass er für den Fall, die Dekrete müssten auf Drängen der EU aufgehoben werden, seinen Wählern die Ablehnung des EU-Beitritts Tschechiens empfehlen würde."

Was passiert, wenn z.B. das Europaparlament weiterhin auf der Aufhebung der Dekrete bestehen würde? Würde dann dem Land ein neuer verbaler Krieg drohen, so wie es schon einige Male im Verhältnis zu Österreich war?

"Ich meine, dass dies schon längst eingetreten ist. Man braucht nur die Berichterstattung im deutschen Fernsehen oder in den führenden Zeitungen über die Sache zu verfolgen. Dort wird immer wieder beanstandet, dass Tschechien (bzw. die Politiker im Lande) immer noch nicht wahrnehmen wollen, dass jene Nachkriegsordnung, zu deren Beschützern sie sich immer emporstilisieren, längst der Vergangenheit angehört. Die Sache wird also auf jeden Fall weiterhin lebendig bleiben und es fragt sich, ob Tschechien letztendlich wirklich nicht diese Gesetze wird aufheben müssen. Also für Spannung im Zusammenhang mit den Benes-Dekreten ist weiterhin gesorgt."