Rückblick auf das Internationale Filmfestival Karlovy Vary/Karlsbad 2005
Das Internationale Filmfestival von Karlovy Vary (Karlsbad) ist im Laufe seines 40-jährigen Bestehens zu einem Begriff in der Kinowelt geworden. Es gehört zu den elf Filmfestspielen der Kategorie "A" und ist unter ihnen eines der ältesten. Am 9. Juli ging der Jubiläumsjahrgang des Karlsbader Filmfestivals zu Ende. Im heutigen Kultursalon macht Jitka Mladkova einen Rückblick auf diesen Event:
"Anlässlich des diesjährigen Festivaljubiläums sind tatsächlich sehr viele Stars gekommen, und vor allem viele Persönlichkeiten, die in der Kinobranche etwas bedeuten, seien es Schauspieler oder Regisseure. Darüber hinaus scheint es, dass auch die Zuschauer mit dem diesjährigen Filmangebot zufrieden waren. Zumindest haben mir das viele gesagt, denen ich begegnet bin. Nicht selten sprachen sie in diesem Zusammenhang in Superlativen!"
Auf die Frage, ob es viel Mühe gekostet hat, international bekannte Weltstars nach Karlsbad zu holen, sagt Eva Zaoralova:
"Das ist selbstverständlich immer schwierig. In diesem Jahr jedoch ist es uns außergewöhnlich gut gelungen. Nachdem Robert Redford und Liv Ullmann zugesagt hatten, bot sich auch die Möglichkeit, Sharon Stone wenigstens für einen Tag einzuladen. Außer diesen Stars sind, wie Sie ganz bestimmt selbst gesehen haben, auch viele Schauspieler der jüngeren Generation nach Karlsbad gekommen, die sich mittlerweile einen guten Namen gemacht haben."
Kurz: Die künstlerische Festivaldirektorin, Eva Zaoralova, ist zufrieden. Nach zwölf Jahren Arbeit in dieser Position ist in Zusammenarbeit mit dem gesamten Vorbereitungsteam eigentlich ihr Wunsch in Erfüllung gegangen."Mich freut, dass uns genau das gelungen ist, was ich mir immer gewünscht habe. Und zwar, dass Schauspieler nach Karlsbad kommen aus Filmen, die wir für die Festivalpräsentation ausgewählt haben, und nicht umgekehrt. Das ist uns in den zurückliegenden zwölf Jahren Gott sei Dank nur ein- oder zweimal passiert, dass ein großer Hollywoodstar kam und wir einen Film nehmen mussten, der meiner Meinung nach überhaupt nicht zu unserem Festival passte."
Beinahe enthusiastisch hörten sich die Worte an, mit denen wiederum die Programmdirektorin, Julietta Zacharova, den Festivalverlauf aus ihrer Sicht zusammenfasste:
"Wir sind sehr zufrieden mit dem Festivalverlauf. Das Publikum war exzellent und die meisten Filmemacher begeistert. Fast nach jeder Filmvorstellung gab es eine Diskussion zwischen dem Publikum und dem Regisseur des jeweiligen Films oder mit einem der Hauptdarsteller usw. Es freut uns, dass nicht nur die Pressekonferenzen, sondern auch die Podiumsdiskussionen mit Zuschauern gut ankommen. Sie wissen ja, dass wir in diesem Jahr eine neue Wettbewerbssektion betitelt East of the West eingeführt haben, um eine Begegnung von Filmen zu ermöglichen, die in Ost- und Westeuropa entstehen. Und so kommen nach Karlsbad nicht nur diejenigen, die vor allem tschechische oder Wettbewerbsfilme sehen wollen, sondern auch solche, die in Ländern des ehemaligen Ostblocks gedreht werden. Diese Gelegenheit bietet kein anderes Filmfestival in Europa."
Otto Reiter arbeitet für verschiedene Festivals in Österreich, z.B. für die Viennale. Das ist ein Filmfestival, das alljährlich im Herbst in der österreichischen Hauptstadt stattfindet, oder für das erst seit zwei Jahren existierende Festival Crossing Europe. In Karlsbad hielt er Ausschau nach Filmen, die bei den genannten Festivals gezeigt werden könnten.
"Es gibt hier sehr viel Interessantes zu sehen, u.a. auch Filme, die man bei anderen Festivals versäumt hat. Leider gibt es bei einem Festival der Kategorie A, wie diesem, auch einen Zwang zum Wettbewerb. Da gibt es in diesem Zusammenhang verschiedene Bedingungen, z.B. die, dass ein Wettbewerbsfilm zum ersten Mal hier in Karlsbad gezeigt werden muss. Das Publikum will aber vor allem gute, spannende, anregende und wichtige Filme sehen, die nicht unbedingt als Weltpremiere gezeigt werden. Es freut mich, dass z.B. der Film "Sonnenstaat" von Martin Sulik, eine tschechisch-slowakische Koproduktion, gezeigt wurde. Der Film hat mir sehr gefallen, weil er die nordmährische Stadt Ostrava zeigt, die nicht sehr bekannt ist. Alle sprechen von Prag, aber Ostrava hat viel zu tun mit ökonomischen Entwicklungen im negativen Sinne. Meistens wird nur das Positive gezeigt. Alle haben mehr Geld, mehr Einkünfte, aber da gibt es auch Menschen, die am Rande leben, und auch Städte, die wie Menschen am Rande leben. Schön, dass man wieder Arbeiter sieht und nicht nur die Neureichen."Wenn man das Karlsbader Festival mit anderen so genannten hochkarätigen Filmfestivals vergleicht, dann findet man hier verschiedene Programmsektionen, die es anderswo nicht gibt. Was sagen Sie dazu?
"Ich kann mich erinnern, als das Karlsbader Festival Anfang der 90-er Jahre wirklich in einem Tief war. Niemand hat gewusst, wie es weiter geht. Dann gab es hier Leute, die die Kategorie des so genannten unabhängigen Films ins Festivalprogramm integrierten. Es tauchte auch die Idee, dass man die Verbindung zum ehemaligen Osten nicht verlieren will. In aller Bescheidenheit kann ich sagen, dass es meine Idee war, der neuen Filmsektion den Namen East of the West (Im Osten des Westens) zu geben Das stimm nämlich, dass der so genannte Westen immer weiter nach Osten wandert - in einem kommerziellen Sinn, versteht sich. Gott sei Dank gibt es den Kalten Krieg nicht mehr, da wälzt sich aber alles auf und geht ineinander über - mit positiven und negativen Resultaten. Ganz wichtig ist, dass in dieser Reihe Filme gezeigt werden, die kein Publikum finden oder es immer noch sehr schwer haben.2
Was kann ein nicht kommerzieller Film Ihrer Meinung nach bei dem Zusammenwachsen des Westens mit den ehemaligen Ostblockländern bewirken?
"Im Rahmen eines solchen Festivals kann so ein Film Aufmerksamkeit wecken und Anerkennung erlangen. Es gibt nicht nur dieses Festival in Karlsbad, sondern z.B. auch das von Uherske Hradiste, das sich bescheiden Letni filmova skola / Sommerfilmschule nennt. Das ist dabei keine Schule, wo man etwas lernen muss, sondern eine Art Happening, wo junge Leute zusammenkommen und ganz ungezwungen Filme für sich entdecken können, die vor Jahren gelaufen sind, als sie noch zu jung oder klein waren."Was sagen Sie dazu, dass sowohl zum dem Karlsbader Filmfestival als auch zum dem in Uherske Hradiste so viele junge Leute pilgern? Ist es etwas Spezifisches für dieses Land?
"In diesem Ausmaß und in dieser Form ist es etwas Spezifisches. Wie jemand schon vor Jahren gesagt hat, das ist ein Woodstock, mit dem Unterschied, dass es nicht um Musik, sondern um Filme geht. Das ist das Außergewöhnliche und es gibt kaum ein anderes Festival, wo so viele junge Menschen, vor allem Studenten, mit ihren Schlafsäcken kommen und hier auch gute ökonomische Bedingungen finden. Sie müssen nicht betteln oder sich auf der Straße verkaufen, weil es für sie preismäßig erschwinglich ist. Das ist etwas gan ganz Wichtiges und ich merke auch, wie dankbar diese Menschen dafür sind. Die sind ja auch nicht dumm und wissen welcher Blödsinn im fernsehen gezeigt wird. Sie sehen bei diesen Festivals praktisch etwas, was im Fernsehen als verboten gilt. Nicht im politischen, sondern i kommerziellen Sinne".