Rusnok zu Diplomaten: Können nicht schweigen, nur weil wir keine gewählte Regierung haben

Foto: Robert Janás, Außenministerium der Tschechischen Republik

Stets zu Ende August treffen sich alle tschechischen Botschafter und Konsuln zu ihrer Jahrestagung in Prag. Auch diesmal beraten sie sich im Außenministerium über aktuelle Fragen und künftige Aufgaben. Die diesjährige Tagung steht allerdings unter keinem strahlenden Stern: Am Montag trafen die Diplomaten beispielsweise auf einen Premier und einen Außenminister, die ihre Ämter nur kommissarisch leiten. Die Regierungskrise in Tschechien ist auch auf dem internationalen Parkett angekommen.

Tomáš Dub,  Jiří Schneider,  Jiří Runsok,  Jan Kohout und Karel Borůvka  ( Foto: Robert Janás,  Außenministerium der Tschechischen Republik)
Auf den ersten Blick war die Atmosphäre beim Botschaftertreffen in Prag wie in den letzten Jahren: Die Diplomaten begrüßten einander herzlich, tauschten ihre jüngsten Erlebnisse aus und zeigten sich bester Laune. Doch die Begrüßung kam diesmal von jemandem Neuen: von Interimspremier Jiří Rusnok. Der Ministerpräsident scheidet nach den vorgezogenen Neuwahlen aus dem Amt. Dass Tschechien derzeit keine reguläre Regierung habe, bedeute aber für die Diplomaten nicht, sich in die Ecke zurückzuziehen, so Rusnok:

„Wir können unseren Partnern und Kollegen in Brüssel nicht sagen, dass wir momentan schweigen müssen, nur weil wir nicht wissen, wann wir eine neue Regierung haben werden und welche es sein wird.“

Foto: Robert Janás,  Außenministerium der Tschechischen Republik
In seiner Ansprache verwies Rusnok darauf, dass sein Kabinett der EU gegenüber mehr entgegenkommen wolle als die Regierung seines Vorgängers Petr Nečas. Zum Beispiel wolle er sich nicht so vehement gegen die mögliche Einführung der Transaktionssteuer stellen wie Nečas. Der Ex-Premier hatte Brüssel gegenüber nicht ausgeschlossen, dass Tschechien im Falle dieser Steuer vor den Europäischen Gerichtshof ziehen könnte. Andererseits werde sich seine Regierung nicht dem Fiskalpakt der EU anschließen oder für die Einführung des Euro in Tschechien stimmen – zu diesen grundsätzlichen Entscheidungen könne sich nur eine demokratisch gewählte Regierung äußern, betonte Rusnok.

Die Tatsache, dass Tschechien gegenwärtig nicht über solch eine Regierung verfügt, hat auch viele Botschafter des Landes in ihrem jeweiligen Gastland zum Teil in Erklärungsnot gebracht. Der scheidende Außenminister Jan Kohout würdigte folglich das Geschick der Diplomaten:

Foto: Robert Janás,  Außenministerium der Tschechischen Republik
„Ich verstehe, dass Ihre Aufgabe im Ausland, die aktuelle politische Situation in Tschechien erklären zu müssen, nicht einfach war. Aber Sie haben das gut gemeistert.“

Dem Ruf des Landes zweifellos geschadet, so Kohout, habe die monatelange Auseinandersetzung zwischen Staatspräsident Miloš Zeman und seinem Vorgänger im Ressort, Karel Schwarzenberg, um die Neubesetzung einiger Botschafterposten. Vornehmlich ging es um die Festlegung der neuen Botschafter in Russland und in der Slowakei, Zeman will dorthin gerne den ehemaligen Kosmonauten Vladimír Remek beziehungsweise die Gattin von Ex-Präsident Klaus, Livia Klausová, entsenden. Nachdem die Regierung diese zwei Personalien Ende Juli abgesegnet hat, werde Zeman nun eine ganze Reihe neuer Botschafter innerhalb von 30 bis 40 Tagen ernennen, gab in diesem Zusammenhang der Leiter der Präsidialkanzlei, Vratislav Mynář, bekannt.

Karel Schwarzenberg und Miloš Zeman  (Foto: Filip Jandourek)
Bekannt wurde mittlerweile auch, dass Zeman schon im Frühjahr seinem vorherigen Herausforderer, Top-09-Parteichef Karel Schwarzenberg, den Posten des tschechischen Botschafters in Österreich angeboten hat. Zeman erklärte dazu im Tschechischen Rundfunk, dass er dem 75-jährigen Fürsten und ehemaligem Außenminister damit zu einem würdigen Abschluss seiner politischen Karriere verhelfen wollte. Sein, so Zeman wörtlich, wirklich gut gemeintes Angebot aber habe dieser abgelehnt. Schwarzenberg entgegnete darauf:

„30 Jahre lang habe ich mich danach gesehnt, wieder in meiner Heimat, in Tschechien zu leben. Seit der Wende 1989 ist das endlich möglich. Deshalb werde ich nicht schon wieder woanders hinreisen, was soll ich als Botschafter in Wien;“

In einem neulich veröffentlichten Interview für die österreichische „Presse am Sonntag“ hat Schwarzenberg unter anderem erklärt, dass ihm Zeman „mit seiner subjektiven Auslegung der Verfassung auf den Wecker gehe“. Zeman wiederum bezeichnete Schwarzenberg jüngst „als Marionette seines Stellvertreters als Top-09-Chef, Miroslav Kalousek“. Das Tischtuch zwischen diesen beiden Politikern scheint endgültig zerschnitten zu sein.