Sanktionen gegen Oligarchen: Einfrieren russischen Eigentums stellt Tschechien vor Herausforderungen

Zu den Sanktionen der EU gegen Russland gehört auch das Vorgehen gegen russische Oligarchen. Vor allem soll das Vermögen der Betroffenen in der EU eingefroren werden. Auch in Tschechien wird über den Umgang mit den wohlhabenden Russen diskutiert. Wie genau gegen die Oligarchen vorgegangen werden soll, ist aber teilweise noch unklar.

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Seit über einem Monat führt Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Durch das Einfrieren russischer Besitztümer in Tschechien soll unter anderem verhindert werden, dass hierzulande erzielte Gewinne indirekt Putins Krieg finanzieren. Superreiche Russen besitzen in Tschechien vor allem zahlreiche Immobilien. Dazu sagte der Immobilienmakler Jiří Brož dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:

„Anfang der Jahrtausendwende begann das große Interesse russischsprachiger Kunden. In dieser Zeit wurden viele Immobilien zu hohen Preisen verkauft.“

Russische Oligarchen besitzen Hotels im Bäderdreieck

Sergej Darkin | Foto: Dr. Leonid Kozlov,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Einer der gutbetuchten Russen ist Sergej Darkin, über den am Donnerstag vergangener Woche SeznamZprávy informierte. Dem Nachrichtenportal zufolge ist Darkin einer von vielen Oligarchen, die zwar enge Verbindungen zu Putin haben, jedoch nicht wichtig genug sind, um auf der Sanktionsliste der EU zu stehen.

Darkin war in den Jahren 2001 bis 2012 Gouverneur der Region Primorje, die im Osten Russlands an China und Nordkorea grenzt. Auch nach seiner Zeit als Regionalpolitiker zog er sich nicht aus der Politik zurück. Wie nun SeznamZprávy informierte, ist Darkin zudem seit über zehn Jahren als Unternehmer im Fischfang mit mehreren Firmen in Tschechien aktiv. Zudem besitze der Oligarch zwei Hotels in Prag, hieß es weiter.

Sergej Darkin ist bei weitem nicht der einzige russische Eigentümer von Hotels in Tschechien. Über das ganze Land verteilt finden sich zum Teil luxuriöse Unterkünfte, die in russischen Händen sind. Viele davon stehen in Karlovy Vary / Karlsbad, denn gerade in der Stadt im westböhmischen Bäderdreieck leben zahlreiche Menschen aus Russland. Am Donnerstag vergangener Woche informierte der Tschechische Rundfunk über den Fall des Hotels Savoy Westend im böhmischen Kurort.

Savoy Westend | Foto: Dominik Hron,  Tschechischer Rundfunk

Wie ein Reporterteam herausfand, ist das Hotel, dessen Geschichte bis in die Zeit der Jahrhundertwende zurückreicht, heute im Besitz von Wladimir Petrowitsch Jewtuschenkow. Dieser gehört zu den reichsten Russen überhaupt. Auf einer Sanktionsliste der EU befindet sich sein Name derzeit noch nicht, doch am Tag der russischen Invasion in der Ukraine war auch er Teil einer Sitzung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Unter anderem deshalb haben tschechische Behörden Jewtuschenkows Hotelkomplex in Karlsbad mittlerweile im Visier.

„Wir haben in dieser Sache einen Hinweis von außen erhalten. Die Abteilung für Finanzanalyse (FAÚ, Anm. d. Red.) bearbeitet den Fall im Rahmen des Sanktionsgesetzes“, sagte Anna Vasko, Sprecherin des tschechischen Finanzministeriums.

Savoy Westend | Foto: Dominik Hron,  Tschechischer Rundfunk

Die Behörden wurden von der Firma Datlab über die Besitzverhältnisse des Fünfsterne-Hotels informiert. Diese erstellt Listen risikobehafteter Unternehmen für die tschechischen Ministerien. Wie Jiří Skuhrovec von Datlab gegenüber dem Tschechischen Rundfunk sagte, war Jewtuschenkow nicht der einzige Grund dafür, das Hotel ins Visier zu nehmen.

„Ein weiterer war eine Information aus dem Jahr 2015, der zufolge die Stadt Moskau ein Viertel der Anteile hält.“

Schwierige Besitzverhältnisse

Das Hotel Savoy Westend ist jedoch kein Einzelfall. Auch weitere Hotels und andere Immobilien im Bäderdreieck gehören entweder unmittelbar Institutionen des russischen Staates oder Oligarchen aus dem Land.

Petr Fiala | Foto: ODS

So besteht den Datenanalytikern von Datlab zufolge in Tschechien bei 17 Unternehmen das Risiko, dass Personen von der Sanktionsliste der EU die Eigentümer sind. Im Falle von 66 Firmen gibt es Verbindungen zu Sanktionslisten der USA. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) sagte am Sonntag im Tschechischen Fernsehen, dass hierzulande bereits russisches Eigentum in Höhe von mehreren Hundert Millionen Kronen eingefroren worden sei. Die Abteilung für Finanzanalyse des Finanzministeriums teilte in der vergangenen Woche mit, dass einigen Fällen nachgegangen werde, in denen versucht worden sei, die Sanktionen zu umgehen. Einige Firmen wollten demnach mehrere Dutzend Millionen Kronen abzweigen. Die Abteilung für Finanzanalyse hätte die entsprechenden Konten eingefroren und Strafanzeige gestellt, die Polizei hätte die Fälle übernommen, hieß es aus dem Ministerium.

Doch die Sanktionen gegen die Oligarchen durchzusetzen, ist nicht immer leicht. Die Besitzverhältnisse der Hotelanlagen sind oft unklar, da zahlreiche Firmen im In- und Ausland sowie verschiedene Privatpersonen Anteilseigner sind. Auch der tschechische Premier betont die legislativen Schwierigkeiten bei der Sanktionierung…

„Die Besitztümer sind zum Beispiel nicht isoliert, und auch anderen Leuten gehört ein Teil davon. Wenn der Staat gegen eine solche Firma vorgeht und das Eigentum eines Oligarchen einfriert, ist er verpflichtet, den Betrieb des Unternehmens weiter aufrechtzuhalten“, so Fiala.

Seine Regierung will nun bald die tschechischen Gesetze ändern, um russisches Eigentum besser beschlagnahmen zu können.

Flächendeckendes Einfrieren von Guthaben?

Pavel Fischer | Foto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

In Tschechien werden derweil aber auch Stimmen laut, die fordern, pauschal gegen alle wohlhabenden Russen Sanktionen zu erheben. So sollen Vermögenswerte schneller eingefroren werden können. Einer der politischen Vertreter, der ein flächendeckendes Einfrieren gutheißt, ist der Senator Pavel Fišer (parteilos). Dass diese Maßnahme gegen das Recht auf Eigentum, und damit ein Grundrecht, verstoßen würde, wies er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks am Donnerstag vergangener Woche zurück.

„Das Eigentumsrecht besteht weiterhin, wir schaffen es nicht ab, wir konfiszieren nichts. Wir schränken dieses Recht nur ein. Das lässt sich gut rechtfertigen. Es ist im öffentlichen Interesse, zu verhindern, dass die bisher getroffenen Maßnahmen gegen Russland und die Aggressoren umgangen werden. So eine Maßnahme ist absolut proportional“, findet Fišer.

Einige politische Vertreter haben jedoch Bedenken, dass bei einem flächendeckenden Vorgehen auch Menschen, die eigentlich aus Russland fliehen oder gegen Putins Regime sind, Opfer der Sanktionen werden könnten. Fišer ist anderer Ansicht:

„Im Falle, dass die Person Dissident oder auf der Flucht ist, tritt das Eigentumsrecht selbstverständlich wieder in Gänze in Kraft.“

Trotz dieser Einschränkung äußern sich einige Politiker gegen Maßnahmen gegen alle Russen. Einer von ihnen ist der Abgeordnete Vladimír Balaš (Stan). Der Experte für internationales Recht sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Vladimír Balaš | Foto: TOP09

„Formal gesehen sind wir nicht im Krieg, das ist schon einmal das erste Problem. Wir können natürlich Besitz einfrieren, aber nicht flächendeckend, nur individuell. Es gibt ein Gesetz, durch das wir Geld einfrieren oder beschlagnahmen können, wenn es bei einer Straftat oder durch Geldwäsche eingenommen wurde. Aber das passiert meist individuell. Flächendeckende Maßnahmen haben noch nicht einmal die EU oder die UN eingeführt. Auch diese Organisationen erweitern lediglich ihre Listen der Personen, die von den Sanktionen betroffen sind.“

Wie die Sanktionierung der russischen Oligarchen in der Zukunft in Tschechien konkret aussehen wird, ist also derzeit noch unklar. Weitestgehend Einigkeit herrscht jedoch darin, dass die Gesetze angepasst werden sollen, um noch besser als derzeit zu verhindern, dass Einnahmen in Tschechien indirekt Putins Krieg gegen die Ukraine finanzieren.

Autoren: Ferdinand Hauser , Jakub Mikel
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