Schloss Ctěnice

Schloss Ctěnice (Foto: Archiv von PIS)
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Einzigartige Baudenkmäler gibt es nicht nur im historischen Stadtkern von Prag, viele architektonische Sehenswürdigkeiten findet man auch am Rand der tschechischen Metropole, in den früher selbständigen Gemeinden. So zum Beispiel das Schlossareal von Ctěnice, das sich am nordöstlichen Stadtrand von Prag befindet. Die dortige mittelalterliche Festung wurde im 16. Jahrhundert in ein Renaissanceschloss verwandelt. Das Schlossareal wechselte oft den Besitzer und wurde auch danach noch weiter umgebaut. Seit 1995 wird es vom Prager Informationsdienst verwaltet, der für die gründliche Instandsetzung des Schlosses gesorgt hat.

Schloss Ctěnice  (Foto: Archiv von PIS)
Wenn man einen Prager nach Ctěnice fragt, ahnt er oft nicht, dass es zur Stadt gehört. Dafür weiß er meistens, dass es dort ein Kutschenmuseum gibt. Ctěnice ist aber bei weitem nicht nur wegen der Ausstellung von historischen Kutschen, sondern auch wegen seiner Architektur einen Besuch wert. Heutzutage gehört Ctěnice zum Prager Stadtteil Vinoř und ist mit dem Bus Nr. 302 zu erreichen. Der Bus fährt von der Metro-Endstation Letňany los, aussteigen kann man an der Haltestelle, die nur ein paar Meter vom Eingang zum Schloss entfernt ist.

Jaroslava Nováková ist Leiterin der Tourismus-Abteilung beim Prager Informationsdienst (PIS) und kennt sich nicht nur in der Geschichte des Ortes, sondern auch im Schlossareal von Ctěnice gut aus. Wenn man sich das Schlossgebäude von der Seite anschaut, kann man ganz unten noch das Felsenstück sehen, auf dem einst die gotische Festung errichtet wurde. Der Name Ctěnice sei zum ersten Mal als Bestandteil des Eigentums des Prämonstratenserstifts von Strahov erwähnt worden, erzählt Jaroslava Nováková:

„Das Wort Ctěnice taucht in einem von Papst Gregor X. dem Kloster erteilten Privileg aus dem Jahr 1273 auf. Wir wissen aber nicht, wie damals diese Besitzung ausgesehen hatte. Etwa ein Hundert Jahre später wurde in einer Urkunde auch die gotische Festung von Ctěnice erwähnt. Von dieser Festung sind einige Teile des Mauerwerks sowie die Kellerräume erhalten geblieben. Es ist interessant, dass die Festung dann an die Prager Altstadt überging. Wenn es zu dieser Übertragung des Eigentums an die Stadt während der Hussitenkriege gekommen wäre, wäre es fast normal gewesen. Ctěnice hat aber schon vorher der Stadt gehört. Danach wechselte die gotische Festung einige Mal den Besitzer, Anfang des 16. Jahrhunderts wurde sie von der Adeligenfamilie Harras erworben.“

Schloss Ctěnice am Ende des 19. Jahrhunderts
Bis 1848 blieb das Areal von Ctěnice in adeligen Händen. Die Festung wurde im 16. Jahrhundert in ein Renaissanceschloss verwandelt. Das Schloss wechselte oft den Besitzer: Eine gewisse Zeit gehörte es auch den Waldsteins und später der Familie Windisch-Graetz. Die Waldsteins, die während des 17. Jahrhunderts Ctěnice besaßen, waren aber Jaroslava Nováková zufolge nicht Nachkommen des berühmten Heerführers Albrecht Waldstein.

Der Name Ctěnice ist kein geläufiges Wort. Eigentlich habe es verschiedene Varianten dieser Bezeichnung gegeben, erzählt Jaroslava Nováková.

Schloss Ctěnice  (Foto: Archiv von PIS)
„Einst wurde der Ort als Stenice oder Stěnice oder sogar auch Čtenice bezeichnet. Wir können die Herkunft und die Bedeutung des Namens aber nicht erklären. Wir wissen nur, dass bis etwa 1650 die Bezeichnung Stenice benutzt wurde. Deutsch wurde es auch Stienitz genannt.“

Mit dem Wort Stein hatte der Name wahrscheinlich nichts zu tun und mit den tschechischen ´štěnice´ - zu Deutsch ´Wanzen´ - schon gar nicht, sagt Jaroslava Nováková. Mehr als über die Etymologie des Schlossnamens ist über die bauliche Entwicklung des Adeligensitzes bekannt. Im Schlosshof erinnert die Expertin an den beachtenswerten Grundriss des Gebäudes.

„Die gotische Festung hatte die Form eines Fünfecks. Dieses unregelmäßige Fünfeck ist hier bis heute gut zu erkennen. Die doppelten Arkaden des Schlosses wurden erst in der Renaissancezeit erbaut.“

Wirtschaftsgebäude im Schlossareal sahen nach der kommunistischen Herrschaft fast wie Ruinen  (Foto: Archiv von Elekom AG)
Die letzte adelige Besitzerin von Ctěnice war Gräfin Defours. 1849 kaufte der Großindustrielle und Unternehmer Alexander Schöller das Schloss samt Grundstück. Den Schöllers gehörte das Areal bis 1945. Während des Kommunismus wurde Ctěnice an das Staatsgut der Hauptstadt Prag übertragen. Das historische Schloss sowie die Wirtschaftsgebäude sahen fast wie eine Ruine aus, als einige Jahre nach der Wende von 1989 der Prager Informationsdienst mit der Renovierung des Schlossareals beauftragt wurde.

„Das Schloss befand sich in einem wirklich elenden Zustand. Alle Gebäude mussten lange renoviert werden. Als erstes wurde das Hauptgebäude des Schlosses gemeinsam mit den Wirtschaftsgebäuden wieder eröffnet, in denen historische Kutschen ausgestellt wurden. Die Reithalle wurde nach der Instandsetzung vermietet. Der Mieter ist ein Reitverein, der beispielsweise auch therapeutisches Reiten für Kinder mit Behinderung organisiert. Im wieder eröffneten Schloss wurde eine Dauerausstellung über die Habsburger installiert. Im ehemaligen Speicher und den anliegenden Häusern entstand ein Hotel mit einem Restaurant und einem Café.“

Schlosspark von Ctěnice
Bleibt noch hinzuzufügen, dass die Architekten für die Neugestaltung des Schlossparks von Ctěnice 2006 mit einem Preis bedacht wurden.

Unsere Führung durch das Schloss und die Dauerausstellungen, die dort zu sehen sind, werden wir in der nächsten Ausgabe des Spaziergangs fortsetzen. Das Schloss in Ctěnice ist von Mai bis Ende Oktober von 10 bis 17 geöffnet. Im April ist das Areal nur am Wochenende zugänglich.


Prämonstratenserkloster Strahov
Ctěnice gehörte ursprünglich dem Prämonstratenserkloster Strahov in Prag. Falls Sie wissen, in welchem Jahrhundert dieses Kloster gegründet wurde, dann können Sie uns das schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihr Zuschriften richten Sie an Radio Prag, Vinohradská 12, PLZ 120 99 Prag 2, Tschechien. Sie können uns auch eine Mail schicken, an die Adresse: [email protected]. Aus den richtigen Antworten wird im August ein Gewinner eines Buchs ausgelost.

Villa Trmal
In der letzten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag im Juni haben wir Sie in die Villa Trmal geführt, die vom international anerkannten tschechischen Architekten Jan Kotěra erbaut wurde. Wir fragten Sie danach, wer zu seinen Schülern gehörte. Der zweifelsohne berühmteste Schüler von Jan Kotěra war Josef Gočár. Ein Buch geht diesmal an Helmut Kimmerle aus Bonn.