Schloss Manětín – Barockresidenz der Familie Lažanský (I)

Schloss Manětín (Foto: Martina Schneibergová)

Das westböhmische Städtchen Manětín liegt etwa 30 Kilometer nordwestlich von Plzeň / Pilsen in einer relativ dünn besiedelten Gegend inmitten von Wäldern. Im Zentrum der malerischen Stadt befindet sich das Schloss mit einem Garten und Park – es gilt wegen seiner Geschichte und künstlerischen Gestaltung als ein kleines Wunder. Nicht zu Unrecht wird Manětín die „Barockperle Westböhmens“ genannt. Während des Kommunismus verfiel die Residenz zum Teil, aber sie konnte gerettet werden. Die restaurierten Räume des Schlosses sind zum Teil mit Originalmöbeln ausgestattet. Zu sehen sind zudem herrliche Fresken und Porträts der Adelsfamilie Lažanský.

Schloss Manětín  (Foto: Martina Schneibergová)
Manětín ist mit dem Linienbus aus Pilsen gut zu erreichen. Von der Bushaltestelle auf dem Marktplatz ist das längliche Schlossgebäude nicht zu übersehen. Zum Eingang sind es nur noch ein paar Schritte. Durch einen Gang auf der linken Seite geht es zum prächtigen Treppenhaus, das mit Barockplastiken geschmückt ist. Kamila Kozáková führt die Besucher durch das Schloss, das rund 300 Jahre alt ist. Manětín selbst ist aber noch bedeutend älter.

„Die Geschichte des Ortes geht in das Jahr 1169 zurück. Es gibt eine Notiz darüber, dass der böhmische König Vladislav den Ort Manětín dem Johanniterorden geschenkt hat. Die Johanniter blieben bis 1420 hier. Sie erbauten hier die Johannes-Täufer-Kirche, die auf dem Hauptplatz steht. Danach wechselte Manětín bis 1620 mehrmals die Besitzer, darunter waren die Adelsfamilien Schwamberg, Schlick und Hrobčický von Hrobčice. Jeroným Hrobčický ließ 1590 an diesem Ort ein Renaissanceschloss erbauen. An der Frontfassade des Gebäudes sind einige Sgraffiati mit Menschengestalten zu erkennen. Diese stammen noch vom Schloss aus dem 16. Jahrhundert.“

Kunstliebhaber und Mäzene Lažanský

Schloss Manětín  (Foto: Martina Schneibergová)
Wie viele andere Residenzen wurde auch dieses Schloss nach der Schlacht am Weißen Berg von 1620 konfisziert. Damals gehörte es der Adelsfamilie Roupovský von Roupov. Der ganze Besitz ging an die Familie Lažanský von Buková über – und er mehr als 300 Jahre lang in ihren Händen, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Kamila Kozáková:

„Die Mitglieder der Adelsfamilie Lažanský waren große Kunstliebhaber und Mäzene. Sie waren mit renommierten Künstlern befreundet, zu diesen gehörte auch der Barockmaler Petr Brandl. Als im Jahr 1700 die Friedhofskirche der Heiligen Barbara am östlichen Stadtrand erbaut wurde, malte Brandl drei Gemälde für das neue Gotteshaus. Gestaltet wurde die Kirche nach einem Entwurf des Architekten Jean Baptiste Mathey. Die Bilder hängen mittlerweile nicht mehr in der Kirche, weil sich das Gebäude in einem desolaten Zustand befindet. Brandls Gemälde sind daher im Museum von Mariánská Týnice ausgestellt.“

Künftiger kaiserlicher Hofbaumeister mit dem Bau beauftragt

Foto: Martina Schneibergová
Im Jahr 1712 erlebte Manětín eine große Krise. Damals fiel fast der komplette Marktplatz einem Brand zu Opfer. Mehrere Bürgerhäuser, die Johanniterkirche, das Schulgebäude und ein Teil des Renaissanceschlosses wurden zerstört. Zu dieser Zeit lebte ein Ehepaar in der Residenz, das für die Zukunft von Manětín besonders wichtig werden sollte: Václav Josef Lažanský und seine Frau Marie Gabriela, geboren Czernin. Nach dem Brand begannen sie, die Stadt zu sanieren und zu erneuern. Aus dem stark beschädigten Renaissanceschloss sollte eine der Zeit entsprechende Residenz werden. Die Lažanskýs beauftragten damit den späteren kaiserlichen Hofbaumeister Thomas Haffenecker aus Tirol.

Blick über das Schloss,  so wie es geplant war  (Foto: Martina Schneibergová)
„Es ist interessant, dass in älteren Broschüren über das Schloss steht, der Architekt dieses Schlosses wäre Jan Blažej Santini gewesen. Aus den neuesten Forschungen geht hervor, dass dem nicht so war. Santini wurde fälschlicherweise für den Architekten des Schlosses gehalten, weil er in der Buchhaltung als Gläubiger der Familie Lažanský geführt wurde. Man vermutete, dass Lažanský ihm Geld für den Umbau schuldete. In Wirklichkeit war Santini ein so guter Freund der Familie, dass sich diese von ihm Geld ausgeliehen hatte. Aber der Architekt von Manětín war Thomas Haffenecker.“

Wie Haffenecker das Schloss s gestalten wollte, das lässt sich an der Decke über dem Treppenhaus sehen. Dort zeigt eine Malerei den Blick über das Schloss, so wie es geplant war. Letztlich wurde aber nicht alles verwirklicht. Laut Kamila Kozáková zeugt das von der schwierigen finanziellen Situation der Lažanskýs. Auf dem Deckengemälde sind rund um das Schloss zudem die Wappen der Adelsfamilien abgebildet, aus denen die Frauen der Herren Lažanský stammten.

Barockplastiken wo man nur hinsieht

Foto: Martina Schneibergová
Manětín ist für seine zahlreichen Barockstatuen bekannt, die auf der Terrasse vor dem Schloss stehen. Zurzeit schmücken die Barockplastiken jedoch auch den Weg, der vom Marktplatz zur St.-Barbara-Kirche führt. Zudem stehen auf dem Steingeländer des Treppenhauses im Schloss vier Plastiken der Naturelemente. Kamila Kozáková:

„Sie sind ein Werk des Bildhauers Štěpán Borovec, der bei Johann Brokoff das Bildhauerhandwerk erlernte. Brokoff schuf sieben Holzplastiken für die hiesige Barbara-Kirche. Die Statuen für den Marktplatz stammen von Josef Herscher, der ein Schüler von Borovec war.“

Porträts der Kämpfer aus dem Dreißigjährigen Krieg  (Foto: Martina Schneibergová)
Vom Treppenhaus geht es weiter nach rechts in den Empfangssalon. Wenn ein Besuch kam, servierte ihm hier ein Kammerdiener ein Gläschen Schnaps. Das Zimmer ist mit dem Speisesaal verbunden, wo das Essen serviert wurde. Im Salon hängen vier Porträts, die Kämpfer aus dem Dreißigjährigen Krieg darstellen, erzählt Kamila Kozáková.

„Die Gemälde stammen von der Mitte des 17. Jahrhunderts, der Maler ist unbekannt. Es gab Spekulationen darüber, dass es Karel Škréta gewesen sein könnte, der mit der Familie Lažanský befreundet war. Diese Vermutung hat sich jedoch nicht bestätigt. Herausgefunden wurde nur, dass auf einem der Bilder ein Prager Ratsherr, ein gewisser Turek von Sturmfeld, abgebildet ist. Im Salon befindet sich auch das älteste Möbelstück im Schloss – es ist ein Schrank aus dem 17. Jahrhundert. Beachtenswert sind zudem die beiden Tafelbilder mit zwei Familienbäumen: Einer davon gehört Graf Václav Josef Lažanský, also dem Mann, der Manětín nach dem Brand wieder zu erneuern versuchte. Der andere Familienbaum gehört seiner Schwiegermutter Zuzana Renata von Martinic.“


Die Führung durch das Schloss Manětín werden wir in der nächsten Ausgabe der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ fortsetzen. Das Schloss ist von Mai bis Ende September täglich außer Montag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Im April und Oktober ist es nur am Wochenende von 10 bis 16 Uhr zugänglich.

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