Schloss Manětín – Barockresidenz der Familie Lažanský (II)
Rund 30 Kilometer nordwestlich von Plzeň / Pilsen liegt Manětín. Das malerische Städtchen gilt als Barockperle Westböhmens. In der vergangenen Ausgabe von „Reiseland Tschechien“ haben wir Ihnen das dortige Barockschloss und seine Geschichte vorgestellt. In den folgenden Minuten werden wir die Führung durch die 300 Jahre alte Residenz fortsetzen.
„Prokop Alois Lažanský hatte mit seiner Frau Sidonia Hoyos zwei Kinder: Terezie und ihren Bruder Jan Karel. Die schöne Terezie starb im Alter von 22 Jahren. Während eines Besuchs bei ihren Verwandten nahm sie an einer Jagd teil. Dabei wurde sie von einem der Jäger irrtümlicherweise getroffen und starb an einer Blutvergiftung. Damals war sie mit Graf Kersenbrock verheiratet, mit dem sie einen einjährigen Sohn, Klement, hatte. Terezies Bruder Jan heiratete Prinzessin Ida Schwarzenberg. Sie hatten zwei Töchter und einen Sohn.“
Im Zimmer hängt ein großes Porträt von Lažanskýs Sohn in Militäruniform. Er war 27 Jahre alt, als der Erste Weltkrieg begann. Nach dem Jurastudium wurde er gleich an die Front geschickt. Nach einem Monat starb der junge Lažanský in Bosnien an der Ruhr. Sein Vater Karel war der letzte Lažanský, der Eigentümer des Schlosses war. Er starb 1932. Karels Frau Ida war eine hoch begabte Künstlerin, sie zeichnete die Porträts ihrer beiden Töchter, die im Salon zu sehen sind, erzählt Kamila Kozáková:„Die beiden Schwestern, Vilemína und Terezie, heirateten zwei Brüder, die aus der österreichischen Adelsfamilie Seilern-Aspang stammten. Vilemína starb bald nach der Heirat und hatte keine Kinder. Terezie starb im stattlichen Alter von 94 Jahren. Mit Josef Seilern hatte sie vier Kinder. Seilern war Begründer des Zoo im mährischen Lešná bei Zlín. Die Familie lebte aber eher im Schloss in Lešná. Manětín war nicht mehr ihre Hauptresidenz. Sie haben ihren dortigen Sitz nur gelegentlich besucht. Die Bilder von Seilerns Kindern, Ilona, František und Ida, sind hier zu sehen. Es gibt hier jedoch kein Porträt des jüngsten Sohnes Jan. Ilona hat nie geheiratet, sie war Krankenschwester von Beruf und kümmerte sich ihr ganzes Leben lang um kranke Menschen. František hatte vier oder fünf Kinder, und seine Nachkommen leben noch heute auf Schloss Litschau in Nordösterreich. Ida ist wahrscheinlich die einzige von den hier abgebildeten Personen, die noch lebt. Sie ist 97 Jahre alt und lebt unweit von Wien. Sie besuchte Manětín zuletzt vor zwei Jahren und war sehr nett.“
Ausstattung verkauft, vernichtet, gerettet
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss der Familie Seilern aufgrund der sogenannten Beneš-Dekrete enteignet. Der Staat richtete 1947 in dem komplett ausgestatteten Schloss Wohnungen und Büros der Forstverwaltung ein, erzählt Kamila Kozáková.„Sachen, die es im Schloss damals gab, hatten ein unterschiedliches Schicksal: Entweder wurden sie vernichtet oder in den 1950er Jahren billig verkauft. Die dritte und vermutlich beste Möglichkeit war, dass die Gegenstände in Lagerräume gebracht wurden, die zu diesem Zweck eingerichtet worden waren. Denn es gab damals mehrere Schlösser, die ein ähnliches Schicksal wie Manětín hatten. In den 1960er Jahren gelang es Pfarrer František Wonka und Václav Žalman im Schloss ein Landeskundliches Museum zu errichten.“
Das Museum befand sich im Hauptsaal und in der Bibliothek des Schlosses. Von den Bewohnern von Manětín bekamen zudem die beiden Museumsbegründer einige der Gegenstände zurück, die sich zuvor im Schloss befanden. Viele der Bewohner, die in den 1950er Jahren ein Gemälde oder einen anderen Gegenstand billig gekauft hatten, haben die Sachen in das neu errichtete Museum gebracht. In den 1990er Jahren, als mit den Führungen durch das Schloss begonnen wurde, wurden auch mehrere der Kunstgegenstände nach Manětín wieder zurückgebracht, die vor 40 Jahren irgendwo anders aufbewahrt wurden. Kamila Kozáková:„Das Resultat ist, dass die Hälfte der Möbel, Gemälde und Kunstgegenstände zur Originalausstattung der Residenz gehörten. Einiges wurde ausgeliehen, um die Gestaltung zu ergänzen.“Die „Kleinode von Manětín“
Fragmente von Deckenmalereien sind im Schlafzimmer des Schlosses zu sehen. Die Aufmerksamkeit weckt ein prächtiger Venezianischer Spiegel. Das Prunkstück habe vermutlich Gräfin Marie Gabriela Lažanská aus Murano mitgebracht, erzählt Kamila Kozáková:
„Sie kehrte damals von einem einjährigen Aufenthalt in Venedig zurück, wo sie in den Jahren 1720 und 1721 gelebt hat. Außer dem Spiegel brachte sie jedoch noch zwei für Manětín wichtige Reliquien mit. Vom Papst bekam sie die sterblichen Überreste von zwei Märtyrerinnen der Urkirche, der heiligen Justina und der heiligen Innocentia. Unter den Bewohnern von Manětín weckte die Gräfin mit den Reliquien damals richtige Begeisterung. Denn sie waren davon überzeugt, dass sie ihnen Segen bringen würden. Die sterblichen Überreste der beiden Heiligen wurden später in silbernen Sarkophagen in der Kirche ausgestellt. Sie wurden die ‚Kleinode von Manětín‘ genannt.“
Aufschwung dank aufgeklärter Gräfin
Porträts der Gräfin Marie Gabriela und ihrer Nachkommen hängen im Studienzimmer des Schlosses. Marie Gabriela, geborene Czernin, war sehr jung, als sie 1707 in Wien Graf Václav Josef Lažanský heiratete. Sie hatte mit ihm vier Kinder, die jüngste Tochter kam nach dem Tod des Grafen zur Welt.„Sie war etwa 20 Jahre alt, als sie verwitwete, hatte vier kleine Kinder und musste sich zudem um die Herrschaft Manětín kümmern. Diese war in der Zeit von einem Brand stark beschädigt. Die junge Gräfin war aber eine außerordentlich starke Persönlichkeit. Sie heiratete nie wieder und investierte viel, um Manětín in ein Kultur- und Gesellschaftszentrum zu verwandeln. Die Historiker sind davon überzeugt, dass Manětín nie einen derartigen Aufschwung erlebte, als in den Zeiten, als sich diese aufgeklärte Dame darum gekümmert hat.“
Maxmilian, der Sohn der Gräfin, erweiterte seine Ländereien um Rabštejn nad Střelou / Rabenstein an der Schnella, eine kleine Stadt nahe Manětín. Sein Sohn Prokop kaufte noch das Schloss Chyše / Chiesch. Dessen Sohn Prokop II. erbte Chyše und sein anderer Sohn Jan Nepomuk erbte Rabštejn sowie Manětín. Seitdem gab es zwei Familienzweige von Lažanský von Chyše und Lažanský von Manětín.Exotische Früchte aus Westböhmen
Vom Balkon des Schlosses bietet sich ein herrlicher Blick in den französischen Garten. Durch den Garten fließt der Manětín-Bach. Dahinter erstreckt sich ein Park, der Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Am Rande des Parks steht das Gebäude der früheren Schlossbrauerei, wo bis 1946 Bier gebraut wurde. Am linken Rand des Gartens macht Kamila Kozáková auf ein halb zerfallenes Haus aufmerksam.
„Im 18. Jahrhundert war es eine Orangerie. Dort wurden exotische Früchte gezüchtet, denn Exotik war in der Barockzeit recht populär. Aus den Dokumenten geht hervor, dass es dort Feigenbäume geben sollte. In den nächsten zwei Jahren soll das Haus in Stand gesetzt werden. Neben Zitruspflanzen sollen dort noch Statuen stehen. Dies könnte gut zueinander passen.“Träger, Kellner, Steuereintreiber
Im Schloss Manětín gibt es eine Rarität: Es handelt sich um eine Reihe von Porträts des Schlosspersonals in Lebensgröße. Die Gemälde ließ Gräfin Marie Gabriela zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes malen. Sie sind ein Werk des Manětíner Malers Václav Dvořák und wirken ein wenig naiv, meint Kamila Kozáková.
„Dies trägt zum Zauber der Bilder bei. Was die Gräfin dazu bewegte, das Personal auf diese Weise zu verewigen, wissen wir nicht. Auf einem der Bilder sind die Träger, die die Dame in einer Sänfte getragen haben. Auf einem der weiteren Gemälde sind Steuereintreiber beim Geldzählen abgebildet, auf einer weißen Tafel ist ein Verzeichnis der Steuerzahler zu sehen. Hier sind auch die Porträts von Kellnern, die gerade Essen aufwärmen. Und auch das Porträt von Pfarrer Václav Alexandr Pleschner, der am Clavicembalo sitzt.“
Das Palladium von Manětín
Pfarrer Pleschner verfasste im 18. Jahrhundert eine Chronik in drei Sprachen – tschechisch, deutsch und lateinisch. Er beschrieb viele Ereignisse aus der Zeit, in der er in Manětín lebte, erzählt Kamila Kozáková.„Er schilderte in der Chronik auch die Geschichte des sogenannten ‚Palladiums von Manětín‘. Es ist ein Gemälde, das Pleschner von einer Wallfahrt nach Loreto im Jahre 1700 mit nach Böhmen brachte. Das Bild der Madonna mit dem Jesuskind hing im Pfarramt. In der Chronik beschrieb er sehr lebendig den Brand von 1712. Zuerst rannte er in die Kirche, um den eucharistischen Leib Christi zu retten. Diesen brachte er in die Friedhofskirche. Er kehrte ins Pfarramt zurück, um noch die Schriftstücke abzuholen, die dort aufbewahrt wurden. Als er das Marienbild an der Wand sah, versuchte er es seinen Worten zufolge runterzunehmen, aber das Bild hielt fest an der Wand. Da betete er schnell zur Jungfrau Maria und bat sie um Schutz. Er schrieb, dass sein Gebet erhört wurde, alles in der Umgebung brannte ab, nur das Pfarrhaus blieb unversehrt, einschließlich des Holzzauns.“
Schloss Manětín ist von Mai bis Ende September täglich außer Montag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Im April und Oktober ist es nur am Wochenende von 10 bis 16 Uhr zugänglich.
Das unauffällige Marienbild hängt bis heute an der rechten Wand in der Johannes-Täufer-Kirche, mit der das Schloss durch einen Gang verbunden ist. Zu besichtigen sind im Schloss einige weitere Räumlichkeiten, darunter der Hauptsaal, der mit Fresken von František Julius Lux geschmückt ist.