Schlüsselfähigkeiten statt Faktenwissen - neuer Rahmenlehrplan lässt den Grundschulen größere Freiheit

Während die Schüler in Tschechien noch ihre letzte Sommerferienwoche genießen können, waren für die Grundschullehrer die ruhigen Ferientage spätestens am Montag vorbei. Das Schulministerium stellte an diesem Tag den neuen Rahmenlehrplan vor, der ab August kommenden Jahres in Kraft treten soll und gewichtige Änderungen bringt. Näheres erfahren Sie von Thomas Kirschner.

Die Schulen sollen freiere Hände bei der Auswahl und Gestaltung ihrer Unterrichtsinhalte bekommen. Das sieht der neue Rahmenlehrplan für die Grundschulen vor, die in Tschechien das erste bis neunte Schuljahr umfassen. Während jetzt noch minutiös vorgeschrieben werde, wann und in wie vielen Stunden welcher Gegenstand zu unterrichten sei, bedeute der neue Lehrplan für die Schulen eine weit größere Freiheit, sagte die Schulministerin Petra Buzková bei der Vorstellung des Rahmenlehrplanes am Montag. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht nicht mehr ein Kanon von Faktenwissen, sondern der Erwerb von Schlüsselkompetenzen, die dem Schüler ermöglichen sollen, die unterschiedlichsten Situationen eigenständig erfolgreich zu bestehen. Dabei geht es vor allem um die Problemlösungs- und Kommunikationsfähigkeit, um staatsbürgerliche und soziale Kompetenz sowie um die Fähigkeit, sich selbst weiter fortzubilden. Dazu der Vorsitzende der Assoziation tschechischer Grundschulen Karel Bárta:

"Die Schüler sollten stärker üben, Informationen zu kommunizieren, zu erarbeiten und gezielt zu suchen. Das sind sehr wichtige Fähigkeiten, die sich später im Leben auszahlen. Schüler brauchen nicht so viel enzyklopädisches Wissen. Sie sollten dagegen mehr lernen, schöpferisch zu arbeiten. Das fehlt vielen Kindern."

Statt genau definierter Unterrichtsinhalte sieht der neue Rahmenlehrplan Themenkreise vor, in denen die globalen Fähigkeiten erlernt und eingeübt werden sollen. Feste Bestandteile des zukünftigen Unterrichts werden damit etwa Umwelt- und Medienerziehung sein, aber auch gesellschaftskundliche Themen, mit denen die Entstehung einer demokratischen Bürgergesellschaft gefördert werden soll. Daneben wird auch größeres Gewicht auf Fremdsprachen und Datenverarbeitung gelegt. Ziel des neuen Lehrplanes ist es, die Schüler besser auf eine weitere Ausbildung wie auch auf die praktische Anwendung der erworbenen Fähigkeiten vorzubereiten.

Auf die Schulen kommt mit dem neuen Rahmenlehrplan allerdings eine gewaltige Aufgabe zu, da jede Schule nun selbst nach den eigenen Möglichkeiten und Bedürfnissen einen konkreten Unterrichtsplan entwerfen muss. Er sei sehr froh, größere Freiheiten bei der Gestaltung des Unterrichts zu haben, erklärte ein Prager Schulleiter, aber es werde noch große Mühe kosten, bis dieser Plan umgesetzt sei. Nicht alle Schulleiter sind allerdings davon überzeugt, dass die Reform grundsätzlich Gutes bringt. Roman Štrunc von der Grundschule Dyjákovice bei Znojmo / Znaim:

"Die Frau Ministerin hat sich einen Plan ausgedacht, der sich zwar weiter umsetzten lässt, aber sie hat dabei die praktische Seite vergessen. Stellen Sie sich nur die Situation vor, dass ein neuer Schüler in die Schule kommt, der vorher nach einem anderen Lehrplan unterricht wurde, als wir ihn hier an der Schule haben. Der Schüler wird dann erst mal überhaupt nichts verstehen, mindestens ein halbes Jahr wird er in der Luft hängen."

Zu Zeit läuft noch die Pilotphase, ab dem 1. August 2005 wird der neue Rahmenlehrplan dann an den ersten Schulen eingeführt. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die Befürchtungen gerechtfertigt sind.