Schüler-Wahlen auf Probe: konservativ ist sexy
Jetzt sind sie doch auf dem Tisch: die Ergebnisse der „Wahlen auf Probe“. Die Nichtregierungsorganisation „Člověk v tísni“ – Mensch in Not – hatte sie initiiert und zigtausend Schüler, die in den kommenden Jahren wahlberechtigt sein werden, an die Urnen gebeten. Vor allem bei sozialdemokratischen Politikern stießen die Wahlen in der Schule auf Kritik. Und das Ergebnis bestätigt auch die Befürchtungen der linken tschechischen Parteien. Daniel Kortschak sprach mit Christian Rühmkorf, der sich die Zahlen angeschaut hat.
Christian, wenn es nach den Schülern ginge, die an den Wahlen auf Probe teilgenommen haben, wer würde dann auf den Bänken im Abgeordnetenhaus Platz nehmen? Gab es eine Überraschung?
„Ja und nein. Für die Sozialdemokratie ist das eingetreten, was wohl die meisten ihrer Politiker befürchtet hatten. Die Sozialdemokraten liegen um Haaresbreite über der Fünf-Prozent-Klausel und kamen auf schlappe knappe 5,3 Prozent. Das widerspricht krass den Zahlen der herkömmlichen Wahlumfragen. Da stehen die Sozialdemokraten immer noch an der Spitze der Wählergunst. Die andere große Volkspartei, die bürgerdemokratische ODS, kann sich allerdings auch kleinere Wunden lecken. Sie kommt auf knapp 17,6 Prozent, nimmt damit aber noch Platz zwei ein. Der große Sieger ist die noch recht neue Partei Top 09, eine konservative Partei, deren Gesicht ja der frühere Außenminister Karel Schwarzenberg ist. Top 09 kommt auf satte 26,6 Prozent und 77 Mandate von insgesamt 200. Das kann man auf den ersten Blick zumindest als überraschend bezeichnen. Denn die Partei ist jung und noch nicht im realen Politikgeschehen etabliert.“Die rechts-konservativen Parteien stehen also bei den Schülern hoch im Kurs. Was ist mit den ehemaligen Koalitionsparteien, also den Grünen und den Christdemokraten. Und wie haben extremistische Parteien von links und rechts abgeschnitten?„Die Grünen kämen ins Abgeordnetenhaus, schneiden aber nur geringfügig besser ab als die Sozialdemokraten, die Christdemokraten sind absolutes Schlusslicht mit 1,7 Prozent. Alarmierend ist aber vor allem das Ergebnis der rechtsradikalen Arbeiterpartei DSSS. Sie hat über sieben Prozent eingefahren und liegt eben damit noch ein gutes Stück vor den Grünen.“
Was bedeutet das alles nun, was sind die Themen, die die tschechischen Schüler am meisten interessieren? Die heutigen Schüler sind ja die Erstwähler von Morgen.„Kurz und knapp gesagt: Die tschechischen Schüler sind äußerst konservativ. Und das ist wohl, wenn man das zum Beispiel mit Deutschland vergleicht, am erstaunlichsten. Das große Thema heißt: Krise und Staatsverschuldung. Ein echtes Zukunftsthema und das hat sich gerade Top 09 mit dem beliebten Karel Schwarzenberg auf die Fahnen geschrieben. Und die Sozialdemokraten werden da eben als Partei der Umverteiler und der Schuldenmacher angesehen. Die Partei der Rentner, wenn man so will. Was den Erfolg der Rechtsextremen betrifft, so heißt das Thema: Roma-Minderheit.“
Eine kurze Einordnung zum Schluss: Kann man diese Wahlen auf Probe als repräsentativ ansehen?„Nein. Aber es haben immerhin 20.000 Schüler zwischen 15 und 19 Jahren teilgenommen. 135 Gymnasien und Fachmittelschulen waren in das Projekt eingebunden. Die Wahlen auf Probe haben einfach gezeigt, wie die Stimmung unter den jungen Leuten ist. Und das ist nicht unwichtig, denn es sind über 500.000 potentielle Erstwähler, die in diesem Jahr an die Urnen treten können.“